Blogbeitrag

Bild privat November 2008 Sonnenaufgang bei Gran Canaria

reich erfülltes Leben

31. Juli 2025

Sonntagsbotschaft zum 3. August 2025, dem 18. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr C).  

Soll einer das Sagen haben, weil er viel Geld hat? Was spricht dafür, was dagegen?

Immerhin macht jeder Wahlkampf für einen neuen US-Präsidenten auf mich den Eindruck, die Wahl entscheide sich tatsächlich daran, wer durch den Aufwand in seinem Wahlkampf beweist, dass er das meiste Geld in die Durchsetzung politischer Macht investieren kann.

In der griechischen Antike nannte man das „Plutokratie“, die „Herrschaft des Reichtums“ oder „Herrschaft der Reichen“, gemeint als Untergruppe von „Oligarchie“, also der Herrschaft von „wenigen“ – im Kontrast zur „Demokratie“, der „Herrschaft des Volkes“.

Dieser uralte Konflikt hieß in der Neuzeit immer wieder „Geld regiert die Welt“.

Aktuell brodelt er zum Beispiel im Machtkampf von Elon Musk, in den Medien „der reichste Mann der Welt“ genannt, der den US-Präsidenten herausfordert.

Seitdem weltweit der Reichtum reicher Menschen sich zu neuen schwindelerregenden Höhen vermehrt, bringt auch die damit verbundene Entwicklung neue Formen politischer Einflussnahme hervor.

Schon lange steht die Frage im Raum, inwieweit es noch der Würde und dem Recht der Menschen entspricht, wenn Maßnahmen zur Förderung sozialer oder kultureller Vorhaben von der Entscheidung privater Geldgeber oder Stiftungen abhängig gemacht werden.

Parallel zur Politik treibt auch die individuelle Version dieses Konflikts zeitlos ihre Blüten:

Ein wohlhabender Großvater drohte dem Sohn, der als Vereinsvorsitzender anderes zu tun hatte, als sich um die Erstkommunion seines Sohnes zu kümmern: „Wenn der nicht nächstes Jahr zur Kommunion geht, enterbe ich dich!“

Ein anderer Großvater, der sich im Glanz seiner sieben Enkel sonnen wollte, für die er sich ansonsten aber nie interessierte, lud sie mit Nachdruck zu einem Treffen und lockte mit einer größeren Geldsumme für jeden, der kommen würde. Einer der Enkel lehnte ab: „Du kannst mich nicht kaufen.“

Kennen Sie den Spruch „Habt ihr schon geerbt – oder redet ihr noch miteinander?“ Ja, wiederholt habe ich es erlebt: Der letzte Elternteil ist gestorben. Wie einigen sich jetzt die Geschwister, wer welchen Anteil erhält am hinterlassenen Elternhaus?

Solche Erfahrungen mit dem Leben und mit der Politik haben Kohelet nachdenklich gemacht – Kohelet, nach dem das gleichnamige Buch der Bibel benannt ist, im Raum evangelischer Tradition auch „Buch des Predigers Salomo“ genannt – nach dem alten, in Israel hoch geschätzten König Salomo – , wenn das Buch auch erst aus der Zeit um 250 vor Christus stammt. Kohelet, ein Mann mit anerkannter Weisheit, von der die erste Schriftlesung dieses Sonntags eine Kostprobe gibt, er verbindet das Thema „Reichtum und Macht“ mit der Frage nach einem sinnvollen, erfüllten Leben. Sein Ergebnis: Zweifel, Fragen, dumpfe Ahnung von Sinnlosigkeit. Er traut sich, seine tiefste Bekümmernis auszusprechen. Und die Bibel überliefert uns das:

Windhauch, Windhauch,
sagte Kohelet,
Windhauch, Windhauch,
das ist alles Windhauch.
Denn es kommt vor,
dass ein Mensch,
dessen Besitz
durch Wissen, Können und Erfolg
erworben wurde,
ihn einem andern,
der sich nicht dafür angestrengt hat,
als dessen Anteil
überlassen muss.

Mit „durch Wissen, Können und Erfolg erworbenen Besitz“ – in einer heute verbreiteten Sprache heißen solche Menschen „Leistungsträger“. Und die sollen dann diesen Besitz anderen überlassen, die „sich nicht dafür angestrengt“ haben?!

In meiner Verwandtschaft gab es den Besitzer einer Schmuckwarenfabrik. Mit dem damit erfolgreich erworbenen Vermögen kaufte er sich in ein wirtschaftliches Großprojekt ein. Als das insolvent ging, hatte er alles verloren. Er nahm sich das Leben.

Andere kommen in eine solche Lage durch Naturkatastrophen oder durch betrügerische Machenschaften oder …

… das ist Windhauch
und etwas Schlimmes,
das häufig vorkommt.
Was erh
ält der Mensch denn dann
durch seinen ganzen Besitz …

Und hier fügt der Schreiber des Textes einen weiteren Aspekt an, der wohl mehr oder weniger zu jedem größeren Besitz gehört, den man ja auch absichern und schützen will:

und durch das Gespinst
seines Geistes,
f
ür die er sich
unter der Sonne anstrengt?
Alle Tage besteht sein Gesch
äft
nur aus Sorge und
Ärger
und selbst in der Nacht
kommt sein Geist nicht zur Ruhe.
Auch das ist Windhauch.
(Kohelet 1,2; 2,21-23)

Im Neuen Testament – in dem Abschnitt, der für diesen Sonntag als Evangelium vorgesehen ist – versucht jemand, Jesus mit seiner anerkannten Autorität zu instrumentalisieren: Im Konflikt um Familie und Besitz soll Jesus sich als Anwalt seines wirtschaftlichen Interesses für den Mann einsetzen:

Einer aus der Volksmenge bat Jesus:
Meister, sag meinem Bruder,
er soll das Erbe mit mir teilen!
Er erwiderte ihm:
Mensch, wer hat mich
zum Richter oder Erbteiler
bei euch eingesetzt?
Dann sagte er zu den Leuten:
Gebt Acht, h
ütet euch
vor jeder Art von Habgier!

Trifft Jesus da ins Schwarze, wenn er meint, manche Menschen sehen den Sinn ihres Lebens darin, ihre Habgier zu befriedigen, und das sei so verbreitet, dass man sich davor hüten muss?

In der Tat, er sieht das im Konflikt mit dem Sinn eines erfüllten Lebens:

Denn das Leben eines Menschen
besteht nicht darin,
dass einer im Überfluss
seines Besitzes lebt.

Im Überfluss eigenen Besitzes leben zu wollen – das kann nicht der Sinn des Lebens sein!

Dem entgegen steht allerdings: „Haste was, dann biste was!“ – und „wer oder was sein“ will man natürlich.

Da erzählt Jesus eine Geschichte als Beispiel, das allen Menschen mit ein wenig Lebenserfahrung einleuchten kann:

Und er erzählte ihnen
folgendes Gleichnis:
Auf den Feldern
eines reichen Mannes
stand eine gute Ernte.
Da überlegte er bei sich selbst:
Was soll ich tun?
Ich habe keinen Platz,
wo ich meine Ernte
unterbringen könnte.
Schließlich sagte er:
So will ich es machen:
Ich werde meine Scheunen abreißen
und größere bauen;
dort werde ich mein ganzes Getreide
und meine Vorräte unterbringen.
Dann werde ich
zu meiner Seele sagen:
Seele,
nun hast du einen großen Vorrat,
der für viele Jahre reicht.
Ruh dich aus, iss und trink
und freue dich!

Bis dahin vielleicht logisch – betriebswirtschaftlich gedacht. Ein Vermögensberater würde ihm möglicherweise zustimmen – vorausgesetzt, die neuen Scheunen sind fertig, bevor das geerntete Getreide verdirbt.

Jesus erzählt weiter:

Da sprach Gott zu ihm:
Du Narr!
Noch in dieser Nacht
wird man dein Leben
von dir zurückfordern.
Wem wird dann das gehören,
was du angehäuft hast?

Was am Verhalten dieses reichen Mannes in der Geschichte macht ihn in den Augen von Jesus zu einem Narren? Jesus könnte doch auch sagen:  So etwas ist unternehmerisches Risiko. Der Mann hat eben Pech, wenn ein plötzlicher Tod ihm seine Pläne durchkreuzt.

Nein, ein „Narr“ ist er, weil er nur sich selbst im Blick hat und sogar die überreiche Ernte mit ihrem Potential an Möglichkeiten nur zu der Frage in Beziehung setzt, wie er selber den größten Nutzen daraus ziehen kann.

Mit dieser Beispielgeschichte macht Jesus „die Leute“ aufmerksam auf die Kurzsichtigkeit, in der sie immer wieder Zerwürfnisse und Unfrieden riskieren, sich Unvorhergesehenem hilflos ausliefern, weil sie sich nur um ihre eigene materielle Besserstellung kümmern.

Da geht es um eine weit verbreitete, in sich kontraproduktive Haltung. Das ist keine Angelegenheit von Offenbarung oder Botschaft. Das ist einfache Logik von Lebenserfahrung. Hat nicht mit Moral zu tun, sondern mit Vernunft. Das nennt Jesus „Habgier“. Davor warnt er.

Jesus meint anscheinend, diese Einstellung ist so verbreitet, dass sie für viele geradezu den Sinn des Lebens ausmacht, nämlich: wie mit Scheuklappen nur darauf aus zu sein, aufgrund eines möglichst großen Vermögens im Überfluss zu leben.

Und Jesus kommentiert das Ganze schließlich mit einem Satz, der weiterführen und zur guten Nachricht werden kann, zum „Evangelium“:

So geht es einem,
der nur für sich selbst
Schätze sammelt,
aber bei Gott nicht reich ist.
(Lukas 12,13-21)

Jesus will nicht, dass es einem so geht wie dem Reichen in seiner Erzählung oder wie den Geschwistern, die durch den Erbstreit ihre Familie sprengen, oder wie dem Fabriksbesitzer, der sich verzockt mit seinem Reichtum. Zu einer anderen Art von „Reichtum“ will er allen Menschen verhelfen, zu einem reich erfüllten Leben. Damit fängt er neu an und dafür entfacht er ein neues Feuer. Das macht das ganze Evangelium offenbar. Jesus und seine gesamte Botschaft löst die Aufmerksamkeit von der üblichen Fokussierung auf das eigene materielle Wohlergehen und lenkt sie um in das Vertrauen auf Gottes, in seiner Menschenliebe angebotenen Wege zu einem reich erfüllten Leben für alle – was Jesus nennt „vor Gott oder bei Gott reich sein“.

Das verlangt natürlich nach einem Klärungs-Prozess, wie dieses andere „Reich-Sein“ aussehen kann. Die zweite Schrift-Lesung des Sonntags, ein Ausschnitt aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Kolossä (Kolosser 3,1-5.9-11), scheint die gleiche Lebenshaltung anzusprechen wie der Evangeliums-Abschnitt, wenn auch in einer anderen Sprache:

Das, was in der Umgebung üblich ist, heißt da „das Irdische“ und die Alternative, wozu Jesus und hier Paulus ermuntert, heißt da „was oben ist“. Und die Redewendung „ihr seid mit Christus auferweckt“ knüpft an die Taufe der Angesprochenen an, mit der sie sich ja zu einer anderen Lebensweise entschieden haben. Strebt also wirklich danach und richtet euren Sinn darauf! Denn wenn ihr jetzt für die „irdischen Herrschaften“ „gestorben“ seid, so dass sie keine Macht mehr über euch haben, dann braucht ihr euch nicht mehr dem herrschenden Geist böser Begierde und der Habsucht zu unterwerfen. Und dann können alle sehen, wohin das führt: Da zählen keine Unterschiede mehr zwischen Armen und Reichen, Sklaven und Freien, Fremden und Einheimischen … Weil ihr wisst: Ihr seid alle gleich wichtig und wertvoll und von Gott geliebt!

Im Zusammenhang der Sehnsucht nach erfülltem Leben und der Botschaft von seinen anderen Reichtümern sind mir zwei weitere Bibelworte des Apostels Paulus wichtig geworden:

Er erleuchte die Augen
eures Herzens,
damit ihr versteht,
zu welcher Hoffnung
ihr durch ihn berufen seid,
welchen Reichtum
die Herrlichkeit seines Erbes
den Heiligen schenkt.
(Epheser 1,18)

Und:

Ich danke meinem Gott jederzeit euretwegen
für die Gnade Gottes,
die euch in Christus Jesus
geschenkt wurde,
dass ihr an allem
reich geworden seid in ihm,
an aller Rede und aller Erkenntnis.
Denn das Zeugnis
über Christus
wurde bei euch gefestigt,
sodass euch keine Gnadengabe fehlt,
w
ährend ihr auf die Offenbarung
unseres Herrn Jesus Christus wartet.
(1 Korinther 1,4-7)

Ein Reichtum an erfülltem Leben: vielleicht wohlhabend und gesund, jedenfalls aber unterwegs auf einem klar orientierten Weg, versöhnt oder resilient, mit einer Perspektive des Friedens und mit Ihm selbst als Quelle von Motivation und Energie!

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