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Bild: Facebook - Domradio

Kluger Einsatz für soziale Gerechtigkeit

18. September 2025

Sonntagsbotschaft zum 21. September 2025, dem 25. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr C). 

Reiche Leute wollen noch reicher werden.

Folge ich einer Neid-Kampagne, wenn ich so rede?

Oder ist das einfach eine Feststellung – die realistische Wahrnehmung eines Phänomens, das schon immer die Sozialstruktur von Gesellschaften geprägt hat?

Natürlich gibt es auch reiche Leute, die ihren Reichtum mit anderen teilen und damit zu einer gerechteren Verteilung vorhandener Ressourcen beitragen.

Wie ist das nun in einer Welt, deren gesellschaftliches Miteinander auf Regeln basiert und in der die Menschen sich auf die Achtung der Menschenwürde und des Gemeinwohls als Basis-Regeln verlassen?

Soll da das Gemeinwesen demokratisch entscheiden, wenn es um das Interesse aller geht?

Oder soll jeder einzelne Reiche entscheiden, wofür er seinen Reichtum nutzt: Für eine Reise zum Mond? Fürs profitable Produzieren von Kunststoffen und Textilien, die dann ganz schnell als Müll Erde und Meer verseuchen? Oder fürs Überleben von Millionen vom Hungertod Bedrohter? Als Nachlass für die Erben? Oder zum Lastenausgleich zu Gunsten von besonders belasteten Bevölkerungsschichten?

Wer soll darüber verfügen und entscheiden?

Eine uralte Frage. Und ich bin mir nicht sicher, ob wir in unserer Zeit wirklich anders damit umgehen als in der Antike oder in Zeiten des Feudalismus. Ist „Wachstum“ nicht immer noch das Süppchen derer, die ihre Geldmassen ins Wirtschaften der Gesellschaft einbringen, aber dabei selber darüber verfügen wollen – also nach einem Prinzip der Willkür?

Viele der Reichen rufen inzwischen selber „tax me now!“, weil sie nicht einfach als Gutmenschen ausgenutzt werden wollen. Aber der Ruf nach Gleichbehandlung von ihresgleichen verliert sich in den publikumswirksamen Ablenkungsmanövern des Wettstreits um das erfolgreichere Kochen des eigenen Süppchens.

Die Propheten von Humanität, von Fairness und Gerechtigkeit hatten schon immer die schlechteren Karten, weil ihre authentischen Vertreter auf Gewalt und auf Sanktionen für Widerspenstige aus guten Gründen verzichten. Doch es gab und es gibt sie zu allen Zeiten.

In dieses Problemfeld tauchen die Schriftstellen ein, die für die Gottesdienste an diesem Sonntag vorgesehen sind. Mutiger und konsequenter als die Kirchen es faktisch tun, erhebt die Bibel ihre Stimme dazu:

Der Prophet Amos legt den Finger in die Wunden des alten Israel ca. 800 Jahre vor Christus und prangert das herrschende soziale Unrecht an:

Die Armen
verfolgt ihr
und die eh schon Gebeugten
unterdrückt ihr!
Ihr gönnt dem Volk nicht mehr die Feiertage
und den gemeinsamen wöchentlichen Ruhetag:
Eure Geschäfte wollt ihr auch am Sabbat offen halten
und Getreide verkaufen!
Mit Verpackung, Gewicht und Kaufpreis
betrügt ihr die Leute,
vor allem die Geringen und die Armen!

Dabei wusste Amos noch nichts von heute üblichen Verpackungstricks. Und vom zunehmenden Abbau des Sonntagsschutzes in Deutschland, wo die Handelsverbände an den sonntags geschlossenen Ladentüren rütteln. Und von all den Schlupflöchern für immer mehr krank machende Sonntagsarbeit.

Vor 44 Jahren hat übrigens Papst Johannes Paul II. in seiner Enzyklika „Laborem exercens“ formuliert, die Kirche halte es

„für ihre Aufgabe,
immer wieder
auf die Würde und die Rechte der arbeitenden Menschen hinzuweisen
und die Situationen anzuprangern,
in denen diese Würde und diese Rechte verletzt werden“.

Der Prophet Amos ruft den Verantwortlichen zu:

Der HERR hat geschworen:
Keine ihrer Taten werde ich jemals vergessen.

Und dazu wird mit dem Antwortpsalm der heutigen Gemeinde die Freude an diesen Gott in den Mund gelegt:

Den Geringen richtet er auf
aus dem Staub,
aus dem Schmutz
erhebt er den Armen,
um ihn wohnen zu lassen
bei den F
ürsten,
bei den F
ürsten seines Volkes.
(Psalm 113,7-8)

Und Jesus? Er weiß sehr wohl einzuschätzen, welche Schwierigkeiten man sich damit schafft, wenn man seine Stimme erhebt als Lobby und Anwalt für die Benachteiligten und Bedrückten.

Da macht er aufmerksam, wie geschickt es die einen verstehen, mit Macht ihre Interessen durchzusetzen; wie „klug“ sie da vorgehen, etwa wenn es darum geht, den Benachteiligten schmackhaft zu machen, ihre Nachteile als Vorteile zu betrachten, wie etwa, auch sonntags shoppen gehen zu können.

Wieder mal in Form eines Gleichnisses – mit dem für ihn typischen Humor – hält Jesus ihnen diese Klugheit – oder auch Raffinesse – vor Augen. Er erzählt von einem schlitzohrigen Verwaltungs-Chef – man könnte auch sagen „vom schlauen Ganoven in der obersten Etage“, dem schließlich sein Investor hinter die Schliche kommt:

Ein reicher Mann hatte einen Verwalter.
Diesen beschuldigte man bei ihm,
er verschleudere sein Vermögen.
Darauf lie
ß er ihn rufen …:
Was h
öre ich über dich?
Leg Rechenschaft ab
!
Du kannst nicht l
änger mein Verwalter sein.
Da
überlegte der Verwalter:
Was soll ich jetzt tun,
da mein Herr mir die Verwaltung entzieht?
Zu schwerer Arbeit tauge ich nicht
und zu betteln sch
äme ich mich.
Ich wei
ß, was ich tun werde,
damit mich die Leute in ihre Häuser aufnehmen,
wenn ich als Verwalter abgesetzt bin.
Und er lie
ß die Schuldner seines Herrn,
einen nach dem anderen,
zu sich kommen …:
Wie viel bist du meinem Herrn schuldig?
Er antwortete: Hundert Fass
Öl.
Da sagte er zu ihm:
Nimm deinen Schuldschein, …
und schreib: f
ünfzig!
Dann fragte er einen andern:
Wie viel bist du schuldig?
Der antwortete: Hundert Sack Weizen.
Da sagte er zu ihm: Nimm deinen Schuldschein
und schreib: achtzig!

Was macht da eigentlich der Verwalter und warum?

Vorsorglich für die Zeit, wenn er seine Existenzgrundlage verloren hat, nutzt er, solange er noch kann, seine Möglichkeiten als Verwalter. Die von Schulden Bedrückten macht er sich jetzt zu Freunden, indem er ihnen ihre Schuldenlasten erheblich reduziert. So beglückt, werden die, wenn es ihm dreckig geht, in ihrer Dankbarkeit ihm sicher beistehen und ihn in ihre Wohnung aufnehmen.

Das ist zwar verwerflich kriminell, aber im Hinblick auf sein Interesse nutzt er seine Möglichkeiten jedenfalls ganz schön schlau!

Der Herr lobte den ungerechten Verwalter,
weil er klug gehandelt hatte,
und sagte:
Die Kinder dieser Welt
sind im Umgang mit ihresgleichen
klüger als die Kinder des Lichtes.
Ich sage euch:
Macht euch Freunde
mit dem ungerechten Mammon,
damit ihr in die ewigen Wohnungen
aufgenommen werdet, …!

In eurer Welt, in der der Besitz von Geld und seine ungerechte Verteilung zu einer dämonisch alles beherrschenden Besessenheit geworden ist, zum Mammon, haben Menschen eine Vielfalt von schlitzohriger Schlauheit entwickelt, mit der sie über die Runden zu kommen suchen.

Wo bleibt euer Geschick, fragt Jesus, und eure Klugheit, mit der ihr die euch gegebenen Möglichkeiten einsetzt, um zur Ausbreitung des Reiches Gottes beizutragen mit seiner Gerechtigkeit für alle Menschen?!

Immer wieder ist die Entscheidung seiner Jünger gefragt! Die ihm „dienen“ wollen und einer entsprechenden menschenwürdigen Ordnung in dieser Welt und auf die „ewigen Wohnungen“ hoffen, die könnten doch dabei eine vergleichbare Klugheit entfalten, statt sich einlullen zu lassen durch vermeintliche Vorteile oder „Werte“ und sich damit alle möglichen Unmenschlichkeiten schmackhaft machen zu lassen! Wo bleibt ihr geschickter Einsatz für das Gemeinwohl mit einem solidarischen Blick für die Armen und Schwachen, damit die endlich aufatmen können, die sich nicht selber am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen können!

Statt sich einreden zu lassen, die Krankheiten, die Enttäuschungen, die Belastungen aller Art seien das „Kreuz“, das man halt hinnehmen und ertragen müsse, wäre es für Menschen, die ihm vertrauen, „klüger“, auf das eigene Elend und auf das von Mitmenschen aufmerksam zu machen, damit die notwendige heilsame Veränderung geschehen kann.

Zur „Klugheit“ gehört es natürlich, dabei von Anfang an mit dem Widerstand derer zu rechnen, die die vorhandenen Ressourcen lieber für ihr eigenes Süppchen investieren und nicht stattdessen mehr beisteuern wollen für den Dienst an der Menschenwürde der Benachteiligten oder fürs Gemeinwohl.

Die „Kinder des Lichtes“ und ihre Führenden achten aber oft mehr darauf, dass sie sich bei denen, mit denen sie sich da anlegen müssten, nicht unbeliebt machen und deren Freundlichkeiten fürs Stillhalten nicht riskieren wollen. Wo bleibt die „Klugheit“ der „Kinder des Lichtes“? Wenn ihr wollt, dass Gottes Wille geschieht: Erfasst die Lage und handelt konsequent und entschlossen: Schöpft mit Geschick und Klugheit eure Möglichkeiten aus, damit Gottes Wille geschehen kann!

Schon der Evangelist Lukas fürchtet anscheinend das Risiko, wer das liest oder hört, könnte das „falsch verstehen“, als sollten die Gaunereien des Verwalters jetzt als christliche Tugend gelten. Wahrscheinlich deshalb fügt er hier noch Worte von Jesus mit dem Stichwort „Mammon“ an, in denen er die Redlichkeit beim Wahrnehmen von Verantwortung lobt.

Da bleibt wohl offen, ob es redlich ist, wenn statt des gesamten Textes als Sonntags-Evangelium in der alternativ vorgeschlagenen Kurzfassung nur diese sich anschließenden moralischen Regeln „verkündet“ werden:

Wer in den kleinsten Dingen zuverlässig ist,
der ist es auch in den großen,
und wer bei den kleinsten Dingen Unrecht tut,
der tut es auch bei den großen.
Wenn ihr nun im Umgang mit dem ungerechten Mammon
nicht zuverl
ässig gewesen seid,
wer wird euch dann das wahre Gut anvertrauen?
Und wenn ihr im Umgang mit dem fremden Gut
nicht zuverl
ässig gewesen seid,
wer wird euch dann das eure geben?

Jesus macht aufmerksam – mit seinem Schlusswort in der Langfassung wie in der Kurzfassung:

Ihr müsst euch entscheiden – klug entscheiden:

Kein Sklave kann zwei Herren dienen;
er wird entweder den einen hassen
und den andern lieben
oder er wird zu dem einen halten
und den andern verachten.
Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.
(Lukas 16,1-13)

 

Nachbemerkung:

Andere Akzente aus der Botschaft der Bibeltexte dieses Sonntags setzt mein Beitrag „aufatmen“ aus dem Jahr 2022: https://rainer-petrak.de/aufatmen/

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