Blogbeitrag

Bild von Afro Ragon auf Pixabay

Zugang

28. August 2025

Sonntagsbotschaft zum 31. August 2025, dem 22. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr C).  

Sind Sie zugänglich? – Wofür? – Aha, Sie sind verschlossen.

Seltsamer Dialog. Aber vielleicht ein Beispiel für die alltägliche Verwirrung, die immer dann entsteht, wenn vernachlässigt wird, dass Menschen unterschiedlich „ticken“.

Das fängt dabei an, was mit dem Wort „Zugang“ gemeint ist. Spielen wir also erst mal mit dem Wort „Zugang“:

Viele Zugänge sind mühsam.
Und so mancher bleibt mir verschlossen.
Je vielfältiger meine Online-Aktivitäten sind, umso öfter muss ich nachschauen, welche Zugangsdaten ich für dies oder jenes brauche.
Ich ärgere mich, wenn Menschen durch Zugangsbeschränkungen diskriminiert werden.
Und wenn es um Cookies geht oder um meine persönlichen Daten oder um meine Wohnung, verschließe ich selber einen unkontrollierten Zugang für andere.
Ich freue mich, manchmal wundere ich mich auch, wenn mit einem offenen Zugang zu allem Möglichen eingeladen wird.
Vor kurzem suchte ich auf einem Bahnhof den Zugang zu den Schließfächern.
Einem Arzt bot ich meine linke Armbeuge an zum venösen Zugang für eine Infusion.
„Zugang nur für Personal“ bremste mich ab vor einer Toilettentür.
Ich gestehe: Mit einem Zugang zu moderner Musik tue ich mich schwer.

Und ganz allgemein: Überall geschieht es, dass Zugänge verwehrt werden, oft unverständlich: Zugänge zum Arbeitsmarkt, der Zugang zu einer Ausbildung oder einem Studiengang … Oft muss ich lang nach einem mir wichtigen Zugang suchen. Vieles bleibt mir unzugänglich.

Zum Lebensthema werden die Erfahrungen und Fragen um einen ersehnten oder befürchteten, einen eröffneten oder verschlossenen Zugang, wenn es um den Zugang von Menschen zueinander geht:

Von einem Kind schwärmen Erwachsene oft davon, wie „offen“ es einem begegne. Andere Erwachsene, manchmal die eigenen Eltern, erleben dasselbe Kind – je nach Situation – vielleicht als verschlossen. Und wenn man von einem erwachsenen Menschen sagt, er wirke „aufgeschlossen“, dann ist solche gegenseitige Zugänglichkeit eine günstige Voraussetzung für eine zufriedenstellende Beziehung. Ob ich Zugang zu einem Menschen finde, zu seinen Eigenheiten und seiner Mentalität, eben wie er „tickt“, das hängt von vielen Faktoren ab. In unterschiedlichen Beziehungen verhalte ich mich auch unterschiedlich und werde unterschiedlich erlebt.

Dabei spielen kulturelle Vorgaben aus der Gesellschaft, in der ich lebe, eine erhebliche Rolle: Wenn es als cool oder als unterhaltsam gilt, sich am Samstagabend im öffentlich-rechtlichen Fernsehen über die gelungene Bloßstellung anderer Menschen zu amüsieren, dann müssen Betroffene einfach mitlachen, wenn sie nicht als verschlossen oder als unzugänglich markiert werden wollen: „Der versteht halt keinen Spaß!“

Am brisantesten für mein Leben und für die ganze Welt erscheint mir die Frage nach Zugang und Zugänglichkeit, wenn es um die Beziehung zwischen Mensch und Gott geht.

Ich taste mich heran: Wo stellt sich denn die Frage nach meinem Zugang zu Gott? Und da ich bei der Zugänglichkeit unter Menschen gelernt habe, wie wichtig dabei die Gegenseitigkeit ist, ergänze ich gleich: Wo stellt sich die Frage nach meiner Zugänglichkeit für Gott?

Es kann sein, dass ich nach schmerzhaften Enttäuschungen überhaupt keinen Zugang zu Gott finde. Auch weltanschauliche Vorurteile können dazu führen, dass ich die Möglichkeit eines Zugangs zu Gott – wenn er denn überhaupt da sein sollte – , grundsätzlich verneine. Oder bin ich auf falsche Fährten festgelegt, mit denen ich Gott Vorschriften mache, wie ich Zugang zu ihm finden müsste? Und wie soll ich erkennen, auf welchen ungewohnten Wegen er Zugang finden möchte zu mir oder zur menschlichen Gesellschaft in ihren diversen Ebenen?

Irgendwie von Gott etwas mitkriegen – in einem Minimum an Offenheit dafür – das suchen, glaube ich, viele Menschen mitten in den Erfahrungen ihres Alltags, manchmal auch ausdrücklich im Gebet.

Am häufigsten allerdings, so scheint mir, erhoffen sich Menschen so etwas – mehr oder weniger – , wenn sie mit anderen zusammenkommen zum Gottesdienst in der Kirche. Ob da der gegenseitige Zugang zwischen Gott und den versammelten Menschen gelingt, das hängt von vielen Faktoren ab. Eigentlich sollte das optimale Chancen haben!

Denn einerseits sehnt sich jeder Mensch danach, aufleben zu können, geliebt zu werden, Wertschätzung zu finden. Und Gott will dafür sorgen, dass wir das finden. Deshalb ruft er zusammen. Er will, dass wir glücklich werden. Er kommt mit seinem Geist auf uns zu, damit wir hier finden, wonach wir uns sehnen. Er ist – so singt das Lied – die „Kraft, die uns verbindet und Leben schafft“. (Lied „Komm, Heilger Geist, mit deiner Kraft“) Dazu schaut er auf uns – liebevoll, lässt seine Botschaft hören und lässt seine heilende, weiterführende, vielleicht beglückende Gegenwart erfahren.

In den real stattfindenden Gottesdiensten lässt sich solcher Zugang zwischen ihm und uns sehr unterschiedlich erleben. Menschlich-sinnlich erfahrbare Beziehung, „Kommunikation“, gilt da ja nicht unbedingt als der Zugangs-Weg – wenn auch das „Kommunizieren“ im Zentrum steht.

„Andächtig sein“ – dieses Wort wird zwar kaum mehr verwendet, die entsprechende Haltung, jeglichen Kontakt zu meiden, wirkt aber verbreitet weiterhin nach: Der freundliche Blick füreinander und Gesten oder Worte der Begrüßung zwischen Banknachbarn verbinden sich oft immer noch mit dem Vorbehalt, die Anderen in ihrer „Andächtigkeit“ nicht dadurch „stören“ zu sollen.

Auch heute noch empfinden es viele Menschen als unangenehm
oder als „unangemessen“, wenn eine kreisförmige Anordnung der Sitze im Gottesdienst den Blickkontakt untereinander herbeiführt.

Und bei vielen erntet es Kopfschütteln, wenn sie hören, dass der im afrikanischen Yaoundé praktizierte Ndzon-Melen-Ritus die katholische Messfeier mit dem sogenannten „Palaver“ beginnt.

Auch der kommunikative Stil zwischen den Feiernden und dem Pfarrer, dem Organisten und all den anderen, die da einen Dienst für das Gelingen des Ganzen tun, kann den Zugang zu dem Heiligen, das da geschehen will, erschweren oder erleichtern, erschließen oder abblocken. Im Gottesdienst will ja das menschliche Geschehen als Symbol wirken, will etwas aus der Dimension des „Ewigen“ sinnlich und sozial wahrnehmbar vermitteln.

Wer zum Beispiel dem Gottesdienst vorsteht und dabei die versammelte Gemeinde in jedem zweiten Satz als „Schwestern und Brüder“ anredet, aber die begrüßenden Worte abliest aus einem XXL-Ringbuch, hinter dem er sich versteckt, …

Wer in mürrischem Tonfall zum freudigen Gotteslob auffordert, …

Aber wie hell wurde es immer wieder in den Gesichtern der Mitfeiernden, wenn der afrikanische Priester ohne Buch und Blatt in der Hand auf die Gemeinde zuging und mit seiner Predigt unter Körpereinsatz Gottes gute Botschaft wahrhaftig „kommunizierte“!

Sowohl die an Geist reiche Erfahrung als auch manches Niedrigwasser regen immer wieder an zu der hoffnungsvollen Perspektive auf ein Miteinander von Menschen, das den Zugang zur Fülle des Lebens erschließt.

Im Hebräerbrief des Neuen Testaments mündet eine Aufzählung von Beispielen (Hebräer 11,1-40) in die Beschreibung des Lebensraums, der sich daraus ergibt, mit den Worten

„…wir, die wir eine solche Wolke
von Zeugen um uns haben, …“
(Hebräer 12,1)

und mit der Beschreibung, was da wesentlich ist, wenn Menschen zusammenkommen und neuen Zugang zu Gott suchen:

Ihr seid nicht zu einem sichtbaren
lodernden Feuer hinzugetreten,
zu dunklen Wolken,
zu Finsternis und Sturmwind,
zum Klang der Posaunen
und zum Schall der Worte,
bei denen die H
örer flehten,
diese Stimme solle nicht weiter zu ihnen reden.

Heute würden wir das wohl in andere Bilder fassen:

Wir sind nicht etwa hinzugetreten zu einem Schlachtfeld, auf dem die Einschläge immer näher kommen. Nicht zu einer ohrenbetäubenden Massenveranstaltung, wo wir auf der Hut sein müssen, nicht niedergetrampelt zu werden. Nicht zu einem Erdbeben, wo die Erde aufbricht und glühende Lavaströme sich auf uns zu wälzen, oder zu einem weltuntergangartigen Unwetter. Wir sind auch nicht hinzugetreten zu einer werbe-trunkenen Verkaufsveranstaltung, nicht zu einem Lehrvortrag, damit wir über die Wahrheit besser Bescheid wissen. Weder zu einem unterhaltsamen und gefälligen Freizeit-Meeting, das uns abzulenken vermag von der zunehmenden Häufung der Probleme, noch zu einer Tirade, die uns dann mit schlechtem Gewissen und gesenktem Kopf wieder in die Vereinzelung entlässt. Und nicht zu einem magischen Event sind wir hinzugetreten, das die einen zur Untätigkeit erstarren lässt und die anderen wegen seiner Irrelevanz kopfschüttelnd langweilt; …

Ihr seid vielmehr
zum Berg Zion hinzugetreten,
zur Stadt des lebendigen Gottes,
dem himmlischen Jerusalem,
zu Tausenden von Engeln,
zu einer festlichen Versammlung
und zur Gemeinschaft der Erstgeborenen,
die im Himmel verzeichnet sind,
zu Gott, dem Richter aller,
und zu den Geistern
der schon vollendeten Gerechten,
zum Mittler eines neuen Bundes,
Jesus.
(Hebräer 12,18-19.22-24a)

Daran erinnert an diesem Sonntag dieser Abschnitt aus der Bibel alle, die zum Gottesdienst zusammenkommen:

Ihr begegnet Gott nicht in der Weise, dass da – euch irgendwie bezwingend – direkt vom Himmel etwas auf euch oder in euch hinein stürzt. Sondern ihr findet ihn in „festlicher Versammlung“. Da ist man auf der Höhe, „auf dem Berg Zion“ – so benennt es der Hebräerbrief und meint damit „die Stadt des lebendigen Gottes, das himmlische Jerusalem“, Gottes „Wohnung bei den Menschen“, sein Wirkungsraum, die Dimension, die allen Raum und alle Zeiten umfasst. „Festliche Versammlung“! Und ihre Mitte, um die sich da alles zentriert: Jesus! Hier begegnet ihr ihm. Er vermittelt die neue Verbindung untereinander und mit Gott und zur Fülle des Lebens! Er – der Zugang.

Irre – nicht wahr? Dem nachzuspüren, lohnt sich.

 

Näher beschrieben habe ich das – sogar für die „Ersatz“-Form des in meinem Zimmer allein gefeierten liturgischen Stundengebets – in meinem Buch „Mit den Psalmen lebt sich’s anders“ (2016), vor allem auf den Seiten 129 bis 133 in den Kapiteln „Fenster zur Ewigkeit“ und „In diesem Zimmer“. Zu „In diesem Zimmer“ siehe auch die Leseprobe in https://rainer-petrak.de/die-buecher/#mitdenpsalmen

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