Sonntagsbotschaft zum 28. September 2025, dem 26. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr C).
„Sorgen“? Das ist kein schönes Thema.
Manchmal wachsen mir die Sorgen über den Kopf und ich weiß nicht mehr, worum ich mich als erstes kümmern soll. Dann halte ich mir am liebsten alle Sorgen vom Leib.
So dürfte es vielen Menschen gehen, vielleicht den meisten.
Da klammern sich viele, die ihren Trost im Glauben an Christus finden, an ein Wort, das die Bibel in der Bergpredigt von ihm überliefert: „Sorgt euch nicht!“ (Matthäus 6,25) Sie hören „Entspannt euch!“ und nehmen das dann manchmal als Rechtfertigung für eine Sorglosigkeit, die nichts aus der Ruhe bringen kann – auch wenn drumherum vieles gerade zusammenbricht.
Ja, darf ich mir denn nicht ein Leben in Ruhe und ohne Sorge gönnen, wenn ich das Glück habe, dass die Umstände für mich günstig sind?
Menschen mit einem solchen Lebensgefühl, materiell gut abgesichert und gepolstert, wenn sie sich denn trotzdem tatsächlich dem stellen, der aus der Bibel zu ihnen spricht, hören in den Gottesdiensten dieses Sonntags das aufrüttelnde Wort:
Wehe den Sorglosen …
und den Selbstsicheren …!
Sehr konkret gemeint – damals – an eine bestimmte Bevölkerungsschicht gerichtet – in den städtischen Zentren von Jerusalem und Samaria.
Ihr liegt auf Betten aus Elfenbein
und faulenzt auf euren Polstern.
Zum Essen holt ihr euch
Lämmer aus der Herde
und Mastkälber aus dem Stall.
Ihr grölt zum Klang der Harfe,
ihr wollt Musikinstrumente erfinden
wie David.
Ihr trinkt den Wein aus Opferschalen,
ihr salbt euch mit feinsten Ölen,
Die Accessoires wären – oder sind – heute natürlich andere. Aber in zeitloser Weise geht es um die Haltung der selbstgenügsamen Sorglosigkeit: faulenzen, schlemmen, einen drauf machen, …
Und dann folgt die wesentliche Aussage dieser Tirade:
… aber über den Untergang Josefs
sorgt ihr euch nicht.
Das Schlimme ist ja nicht, dass sie es sich gut gehen lassen und sich ihres Lebens freuen können. Aber schlimm ist ihre Kurzsichtigkeit, mit der sie aus ihrer Wahrnehmung ausblenden, wie zerstörerisch die Lebensbedingungen verändert werden und bereits viele ins Elend stürzen – ein Schicksal, das früher oder später auch sie selber ereilen wird, auch wenn sie das noch so weit von sich weisen; sie müssen sich sagen lassen:
Darum müsst ihr jetzt in die Verbannung,
allen Verbannten voran.
Das Fest der Faulenzer ist vorbei.
(Amos 6,1a.4-7)
Sie übersehen gerne, dass sie jetzt schon mit einem großen Aufwand an Mauern, Alarmanlagen und Security-Personal ihren Luxus absichern müssen. Sorglose Kurzsichtigkeit übersieht, dass eine zunehmend sich öffnende Schere sozialer Ungerechtigkeit irgendwann auch über ihnen selber zuschnappen wird.
Und was soll man dann von dem Wort von Jesus halten „Sorgt euch nicht!“?
Man braucht nur den Zusammenhang zu beachten, aus dem dieses Wort immer wieder herausgerissen wird: Jesus ruft da in der Bergpredigt ja nicht zur Sorglosigkeit auf. Er macht vielmehr aufmerksam, wie wichtig eine bewusste Entscheidung ist, wofür wir uns Sorgen machen und wofür nicht; unsere Energien für Vorsorgen, Fürsorgen und Nachsorgen aller Art sind ja begrenzt!
Deshalb ermutigt Jesus:
Macht euch also keine Sorgen
und fragt nicht:
Was sollen wir essen?
Was sollen wir trinken?
Was sollen wir anziehen? …
Sucht vielmehr zuerst sein Reich
und seine Gerechtigkeit;
dann wird euch alles andere
dazugegeben.
(Matthäus 6,31-33)
Jesus ruft dazu auf, alles Bemühen und Sorgen mit Vorrang auf das Bestreben auszurichten, dass die prägende Kraft von Gottes Geist der Menschenliebe sich überallhin ausbreite. Es geht um das Wesentliche einer christlichen Haltung zum Leben, wie dann auch der Apostel Paulus in seinem Brief an die Christen-Gemeinde in Rom es benennt:
Das Reich Gottes
ist nicht Essen und Trinken,
sondern Gerechtigkeit,
Friede
und Freude im Heiligen Geist. …
Lasst uns also dem nachjagen,
was dem Frieden dient
und der gegenseitigen Auferbauung!
(Römer 14,17-19)
Vor diesem Hintergrund gehört, wird der Nachdruck deutlich, mit dem Jesus seine Widersacher mit seiner Botschaft konfrontiert:
In jener Zeit sprach Jesus zu den Pharisäern:
Es war einmal ein reicher Mann, …
Jesus dichtet ein Märchen, damit die Konfrontation eher ankommen kann und seine Gegner nicht gleich wieder den Rollladen runterlassen. Er verwendet dabei damals gängige Vorstellungen vom Tod und von Himmel und Hölle. Die Ausgangssituation – ähnlich wie beim Propheten Amos beschrieben:
… ein reicher Mann,
der sich in Purpur und feines Leinen kleidete
und Tag für Tag
glanzvolle Feste feierte.
Und dann lenkt Jesus den Blick auf den Kontrast:
Vor der Tür des Reichen aber
lag ein armer Mann namens Lazarus,
dessen Leib voller Geschwüre war.
Er hätte gern seinen Hunger mit dem gestillt,
was vom Tisch des Reichen herunterfiel.
Stattdessen kamen die Hunde
und leckten an seinen Geschwüren.
Vor der Tür des Reichen. Seine „Hunde“ halten ihn ihm vom Leibe.
Aber der Arme hat einen Namen und die Pharisäer erkennen hinter dem griechischen „Lazaros“ die hebräische Wesens-Aussage El-azar: Gott hilft.
Und wie „helfend“ Gott zu dem im Stich gelassenen Armen steht, das malt Jesus aus – für die Ohren und das Herz derer, die ihn hören:
… Der Arme starb
und wurde von den Engeln
in Abrahams Schoß getragen.
Und dann folgt der springende Punkt, mit dem Jesus wachrütteln möchte:
Auch der Reiche starb und wurde begraben.
In der Unterwelt,
wo er qualvolle Schmerzen litt,
blickte er auf
und sah von Weitem Abraham
und Lazarus in seinem Schoß.
Da rief er:
Vater Abraham,
hab Erbarmen mit mir
und schick Lazarus;
er soll die Spitze seines Fingers
ins Wasser tauchen
und mir die Zunge kühlen,
denn ich leide große Qual in diesem Feuer.
Abraham erwiderte:
Mein Kind, erinnere dich daran,
dass du schon zu Lebzeiten
deine Wohltaten erhalten hast,
Lazarus dagegen nur Schlechtes.
Jetzt wird er hier getröstet,
du aber leidest große Qual.
Du hast schon … Jetzt ist er dran. Trost. Und jetzt erlebst du, was er allzu lang erleben musste. Qual.
Ja, Gott kann es einfach nicht haben, wenn es den einen blendend geht und die anderen sich quälen müssen und wenn dabei die einen sich selber mästen, aber für das Wiederherstellen von Würde und Recht der anderen nur ein Achselzucken übrig haben – und womöglich noch ein scheinheiliges Gebet.
Und dann folgt in dem Märchen noch ein ganz anderer Gedanke. Vielleicht hat das der Evangelist oder die gläubige Überlieferung angefügt – nach den Erfahrungen mit Tod und Auferstehung von Jesus – als erneute Mahnung an die Christen, wie wichtig es auch in den inzwischen veränderten Situationen bleibt, immer wieder auf den zu hören, der durch das Medium der Bibel die Menschen ansprechen will:
Außerdem ist zwischen uns und euch
ein tiefer, unüberwindlicher Abgrund,
sodass niemand von hier zu euch
oder von dort zu uns kommen kann,
selbst wenn er wollte.
Da sagte der Reiche:
Dann bitte ich dich, Vater,
schick ihn in das Haus meines Vaters!
Denn ich habe noch fünf Brüder.
Er soll sie warnen,
damit nicht auch sie an diesen Ort der Qual kommen.
Abraham aber sagte:
Sie haben Mose und die Propheten,
auf die sollen sie hören.
Er erwiderte: Nein, Vater Abraham,
aber wenn einer von den Toten zu ihnen kommt,
werden sie umkehren.
Darauf sagte Abraham zu ihm:
Wenn sie auf Mose und die Propheten nicht hören,
werden sie sich auch nicht überzeugen lassen,
wenn einer von den Toten aufersteht.
(Lukas 16,19-31)
Und nun ist also einer von den Toten auferstanden – und siehe da: Noch vor gar nicht langer Zeit hieß es „Deutschland über alles!“ und heute „America first!“ Und „Lazarus“ wird außen vor gehalten. Und die Kranken und Arbeitslosen sind angeblich alles Faulenzer …
Welche Sorgen haben da Vorrang?
Christen sind überzeugt: Er kommt, um Abhilfe zu schaffen und um alles Miteinander, ja das Leben aller zu heilen!
