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Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Hirte, Influencer, Missionar, Rattenfänger?

8. Mai 2025

Sonntagsbotschaft zum 11. Mai 2025, dem 4. Ostersonntag (Lesejahr C). 

Möglichst viele sollten Jesus anerkennen als den optimalen Begleiter in eine gute Zukunft. Diese Sehnsucht erfüllte die Christen von Anfang an.

Eine Reihe von denen, die ihn erlebt hatten, machten sich damit auf den Weg in alle Himmelsrichtungen. Als Augenzeugen wollten sie die Menschen für die Perspektive begeistern, die sich ergibt, wenn man sich von ihm beeinflussen und leiten lässt. Vor allem dorthin gingen sie, wo Menschen unter Belastungen aller Art zu leiden hatten. Ihnen wollten sie die befreiende Botschaft bringen von Jesus, dem „Christus“.

Paulus und Barnabas waren zwei von diesen wandernden Boten. Sie fingen in Syrien an und in der heutigen Türkei. Wo es dort jüdische Gemeinden gab, gingen sie in die Synagogen zu den Sabbat-Gottesdiensten. Da war es ja Brauch, dass auch Gäste in einer Ansprache jeweils einen Abschnitt aus der Bibel für die versammelten Menschen auslegten, um damit eine anregende Lebenshilfe zu geben.

Die erste Schriftlesung dieses Sonntags erzählt davon:

In jenen Tagen
wanderten Paulus und Barnabas
von Perge weiter
und kamen nach Antiochia in Pisidien.
Dort gingen sie am Sabbat
in die Synagoge
und setzten sich.

In ihrem Wort an die versammelte Gemeinde – so beschreiben es die Verse, die, um die Lesung kurz zu halten, im heutigen Gottesdienst weggelassen werden – knüpfen sie an an Gottes alte, den Juden vertraute Verheißung:

… Gott hat dem Volk Israel,
der Verheißung gemäß,
Jesus als Retter geschickt. …
Gott hat die Verheißung,
die an die Väter ergangen ist,
an uns, ihren Kindern, erf
üllt,
indem er Jesus auferweckt hat, …

Und die heutige Schriftlesung setzt fort:

… Es schlossen sich
viele Juden und fromme Proselyten
Paulus und Barnabas an.
Diese redeten ihnen zu
und ermahnten sie,
der Gnade Gottes treu zu bleiben.
Am folgenden Sabbat
versammelte sich fast die ganze Stadt,
um das Wort des Herrn zu hören.

Ja, das tat offensichtlich etwas mit den Menschen. Sie spürten etwas Neues, was mit seinem Einfluss ihr Leben verändern konnte. Ihre Führenden hatten ihnen das bisher so nicht vermittelt. Die fühlten sich anscheinend durch den Einfluss, den Paulus und Barnabas mit ihrer Botschaft bei den Menschen der Gemeinde auslösten, vernachlässigt bis ausgebootet. So entsteht ein Konflikt:

Als die Juden die Scharen sahen, …
… wurden sie eifers
üchtig,
widersprachen den Worten des Paulus
und stie
ßen Lästerungen aus.
Paulus und Barnabas aber
erkl
ärten freimütig:
Euch musste das Wort Gottes
zuerst verk
ündet werden.
Da ihr es aber zur
ückstoßt …,
wenden wir uns jetzt an die Heiden. …

Welcher Art ist eigentlich das, was Paulus und Barnabas da tun? Die Bibel nennt sie „Apostel“ – wörtlich übersetzt „Abgesandte“, gemeint ist: durch Jesus oder auch durch Gott ausgesandt und beauftragt.

Aber als was erlebten die Menschen damals die Rolle der beiden? Das muss sehr unterschiedlich gewesen sein – je nach der Stellung, die man zu den beiden bezog: Für ihre Gegner müssen sie so etwas wie „Rattenfänger“ gewesen sein. Für andere, die das nüchterner sahen, waren sie wohl eine Art „Missionare“ für eine der damals zahlreichen religiösen Richtungen. Wenn es damals schon Tictoc gegeben hätte, wären sie wohl als „Influencer“ bezeichnet worden. Auch sie haben ja erst mal um Sympathie geworben, indem sie mit ihrem Versuch, Einfluss zu gewinnen, bei einer Sehnsucht der Menschen anknüpften und bei etwas, was ihnen wichtig war.

Mit mehr Erfolg als bei den jüdischen Gemeinden konnten Paulus und Barnabas allerdings bei den sogenannten „Heiden“, also den Nichtjuden, für das mitgebrachte Evangelium von Jesus Christus einen Einfluss auf die Lebensperspektive der Menschen eröffnen. Dazu wissen sie sich durchaus auch beauftragt:

… Denn so hat uns der Herr aufgetragen:
Ich habe dich zum Licht f
ür die Völker gemacht,
bis an das Ende der Erde
sollst du das Heil sein.
Als die Heiden das hörten,
freuten sie sich
und priesen das Wort des Herrn;
und alle wurden gläubig,
die für das ewige Leben bestimmt waren.
Das Wort des Herrn aber
verbreitete sich in der ganzen Gegend.
Die Juden jedoch
hetzten die vornehmen gottesf
ürchtigen Frauen
und die Ersten der Stadt auf,
veranlassten eine Verfolgung
gegen Paulus und Barnabas
und vertrieben sie aus ihrem Gebiet.
Diese aber sch
üttelten gegen sie
den Staub von ihren F
üßen
und zogen nach Ikonion.
Und die Jünger wurden
mit Freude und Heiligem Geist erfüllt.
(Apostelgeschichte 13,14.43b-52)

Der Konflikt zwischen Jesus und den Führenden in Jerusalem
wiederholt sich hier.

Und wie werden die neuen Adressaten mit den Auswirkungen umgehen, die das neue „Evangelium“ von Jesus Christus auf ihr Leben haben wird? Sie standen ja unter einer Vielfalt von Einflüssen politischer wie religiöser Art, die ihre Lebensführung beherrschen wollten.

Sie standen vor der Frage, die sich zu allen Zeiten stellt, wenn vermeintliche Selbstverständlichkeiten sich aufgelöst haben und Verunsicherungen um sich greifen: Wem kann man vertrauen, wenn es um die Ausrichtung des Lebens geht und um die dafür notwendige Abstimmung mit der Gesellschaft und wenn dafür sehr unterschiedliche Kräfte sich zur Führung anbieten oder aufdrängen? Zumal wenn ich anerkenne, dass mein Überblick und meine Urteilsfähigkeit begrenzt sind? Woran kann ich bei all den „Influencern“, die um meine Zustimmung zu ihrem Einfluss werben, zwischen Rattenfängern und Heilbringern unterscheiden?

Da führt Jesus im Evangelium dieses 4. Ostersonntags ein weiteres Bild ein, mit dem er seine Stellung, seine Rolle beschreibt und um unsere Zustimmung wirbt:

In jener Zeit sprach Jesus:
Meine Schafe
hören auf meine Stimme;
ich kenne sie
und sie folgen mir.
Ich gebe ihnen ewiges Leben.
Sie werden niemals zugrunde gehen
und niemand wird sie
meiner Hand entreißen.
Mein Vater, der sie mir gab,
ist gr
ößer als alle
und niemand kann sie
der Hand meines Vaters entrei
ßen.
Ich und der Vater
sind eins.
(Johannes 10,27-30)

Mit dem Bild des Hirten stellt Jesus sich da vor: Der Hirt kennt die Einzelnen in seiner Herde gut. Er steckt den Weg für sie mit Leitpfosten ab; so kommen sie durch alle Gefahren gut durch und sie erreichen, was sie zum Leben brauchen. Also lassen sich alle von seiner Stimme leiten, die ihm vertrauen. Er tut ja alles, was immer nur möglich ist, für den Schutz der ihm Anvertrauten, für den Schutz ihres Lebens, ihrer Interessen, ihrer Rechte. Wenn sie sich gefährlicher Angriffe nicht ohne Beistand erwehren können, geht er dazwischen. Ihr Recht macht er zum eigenen Interesse. Als ihr Anwalt lenkt er alle Angriffe auf ihre Unversehrtheit ab und riskiert so, selber zur Zielscheibe zu werden. Da stellt er sich auch dem sogenannten „Wolf“ entgegen, wenn der die Schafe angreift: „Der gute Hirt gibt sein Leben hin für seine Schafe“, sagt er dazu. Darin sieht er seine Lebensaufgabe, zu der Gott ihn ermächtigt hat.

Allerdings sind da auch die anderen, die möglichst alles der leitenden Hand des Hirten entreißen wollen, weil sie mit ihrem eigenen Interesse die ganze Herde beherrschen wollen. Deshalb reagieren sie feindselig auf seine Worte, wie es in der unmittelbaren Fortsetzung des Johannes-Evangeliums heißt:

Da hoben sie wiederum Steine auf,
um ihn zu steinigen.
(Johannes 10,31)

Der Mut, mit dem Jesus sich ihnen entgegenstellt und sich für den Schutz und die ungehinderte Entfaltung der Herde einsetzt, beeindruckt sie, so dass sie ihm vertrauen.

Sie erkennen in ihm den guten „Hirten“. Und als die herrschenden Kräfte in ihrer Feindseligkeit ihn dann tatsächlich dem Tod ausliefern, Jesus aber nicht zurückweicht, bestätigt ihnen das ihr Vertrauen zu ihm.

In diesem Bild vom guten Hirten, vom Pastor, werden dann viele Generationen von Christen das Leitbild für Religion und Gesellschaft sehen.

Wie wertvoll zeigt es sich ihnen dabei immer wieder, diese Stimme zu unterscheiden von all den „Influencer“-Stimmen, die es nur auf die Wolle der Schafe abgesehen haben, auf die Milch und auf ihr Fleisch (vgl. Ezechiel 34,3 und Johannes 10,1-10)! Jesus selber hatte auf diesen Kontrast hingewiesen zu dem oft verführerisch wirkenden Machtmissbrauch durch die Rattenfänger aller Zeiten, denen es immer wieder gelingt, das Wohlergehen der Herde ihrem ausbeuterischen Interesse unterzuordnen!

Auf seine Stimme hören; sich von ihm den Weg durchs Leben zeigen und führen lassen – als Wegweiser, als „Leitbild“, „Leitfaden“, als Leitplanke in Person – davon sagt Jesus im Evangelium:

Ich gebe ihnen ewiges Leben.
Sie werden niemals zugrunde gehen, …
(Johannes 10,28)

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