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Bild-Quelle unbekannt (aus dem Internet, ungezeichnet)

Nein, ihr seid ihn nicht los!

1. Mai 2025

Sonntagsbotschaft zum 4. Mai 2025, dem 3. Ostersonntag (Lesejahr C). 

„Den sind wir endlich los“ – diesen Störenfried!

Ja, der Coup war ihnen gelungen: Eine Mehrheit im Volk stimmte für Barabbas, einen Verbrecher, und gegen Jesus. Sie hatten jetzt nach seinem Todesurteil gerufen – in der Meinung, das sei die „Alternative für das Land“. „Gotteslästerer!“ hatten sie ihn beschimpft. In späteren Zeiten riefen sie „Kommunist!“

Und dann? Auch seine Leute ließen sich erst mal ins Bockshorn jagen. Die Zeit mit ihm und ihre Begeisterung für seine Sache – nur ein ideologischer Traum von einer besseren Welt? eine Episode von Versuch und Irrtum?

Sie kehren zurück in ihre alte Welt. Dort allerdings kommt es anders als gedacht. Das Johannes-Evangelium erzählt davon an diesem Sonntag für unsere Zeit:

In jener Zeit
offenbarte sich Jesus den Jüngern
noch einmal,
am See von Tiberias,
und er offenbarte sich in folgender Weise.

Er „offenbart“ sich? Was heißt das? Er erscheint ihnen? Zeigt sich ihnen, macht deutlich, was an ihm – nach allem und trotz allem, was geschehen ist – was an ihm das Wesentliche ist?

Der „See von Tiberias“, also der See Genesareth – das ist ihr alter, gewohnter Lebensraum als Fischer, bevor alles mit ihm angefangen hatte. Knüpfen sie jetzt daran wieder an? Als sei alles dazwischen gar nicht gewesen? Sie sind halt Fischer. Darin kennen sie sich aus. Oder?

Simon Petrus,
Thomas, genannt Didymus,
Natanaël aus Kana in Galiläa,
die Söhne des Zebedäus
und zwei andere von seinen Jüngern
waren zusammen.
Simon Petrus sagte zu ihnen:
„Ich gehe fischen.“
Sie sagten zu ihm:
„Wir kommen auch mit.“
Sie gingen hinaus und stiegen in das Boot.
Aber in dieser Nacht
fingen sie nichts.

Und am Morgen kommen sie ans Ufer zurück. Frustriert. Davon kann man doch nicht leben.

Und dann steht da noch so ein Fremder mit einem schlauen Vorschlag.

Als es schon Morgen wurde,
stand Jesus am Ufer.
Doch die Jünger wussten nicht,
dass es Jesus war.
Jesus sagte zu ihnen:
„Meine Kinder,
habt ihr keinen Fisch zu essen?“
Sie antworteten ihm: „Nein.“
Er aber sagte zu ihnen:
„Werft das Netz
auf der rechten Seite des Bootes aus
und ihr werdet etwas finden …“

Was dann in diesen Fischern vorgegangen ist, darüber schweigt sich die Erzählung total aus. Haben sie miteinander beraten? Und was für ein Argument war bei ihrer Beratschlagung ausschlaggebend? Hat keiner gespottet, sich lustig gemacht über diese Idee? Kennt der sich überhaupt aus mit der Fischerei? Dem erzählenden Evangelisten erscheint das offensichtlich völlig unwichtig.

… Sie warfen das Netz aus
und konnten es nicht wieder einholen,
so voller Fische war es.

Was hat sie veranlasst, nicht auf die Stimme ihrer eigenen Kompetenz und Profi-Erfahrung zu hören, sondern auf seine Stimme? Sie haben ihn ja noch nicht erkannt. Er ist für sie also weder eine Autorität noch irgendwie vertrauenswürdig – weder als Freund noch als Herr oder klerikale Amtsperson oder durch Wahl oder als irgendwie Beauftragter! Das sieht ganz nach Bauchgefühl aus, eine Art „intuitiver Gewissheit“. Oder ist es der Verzweiflungsakt von Hungernden „Dann versuchen wir es eben noch mal!“? Wo bleibt der „gesunde Menschenverstand“?! Kein Argument wird genannt für ihre Entscheidung. Sie entscheiden sich einfach, das zu tun, was er sagt.

Und dann dieses Ergebnis!

Da sagte der Jünger, den Jesus liebte,
zu Petrus:
„Es ist der Herr!“ …

Wie kommt er dazu, IHN zu erkennen?! Ich ahne zu hören: Wenn wir als alles entscheidenden Maßstab – noch über die eigene Urteilsfähigkeit hinaus – wichtig nehmen, was er sagt, dann mag kommen, was will; dann werden wir „leben“!

… Als Simon Petrus hörte,
dass es der Herr sei,
gürtete er sich das Obergewand um,
weil er nackt war,
und sprang in den See.

Eigentlich verrückt: Wenn ich ins Wasser springe, ziehe ich mich doch nicht an; eher ziehe ich mich aus! Keine Ahnung, warum er sich den Mantel anzieht und warum der Evangelist das nicht als unwichtig weglässt. Anscheinend geraten für Simon Petrus durch diese Begegnung eben alle bisher gewohnten Maßstäbe total durcheinander.

Dann kamen die anderen Jünger
mit dem Boot –
sie waren nämlich
nicht weit vom Land entfernt,
nur etwa zweihundert Ellen –
und zogen das Netz mit den Fischen
hinter sich her.
Als sie an Land gingen,
sahen sie am Boden ein Kohlenfeuer
und darauf Fisch und Brot liegen.
Jesus sagte zu ihnen:
„Bringt von den Fischen,
die ihr gerade gefangen habt.“
Da stieg Simon Petrus ans Ufer
und zog das Netz an Land.
Es war mit hundertdreiundfünfzig
großen Fischen gefüllt, …

Man sagte damals, im See gebe es 153 Arten von Fischen. In ihrem Netz sammelt sich also die Fülle des Lebens! Auf sein Wort hin!

… und obwohl es so viele waren,
zerriss das Netz nicht.
Jesus sagte zu ihnen:
„Kommt her und esst!“
Keiner von den Jüngern
wagte ihn zu befragen: Wer bist du?
Denn sie wussten,
dass es der Herr war.
Jesus trat heran,
nahm das Brot und gab es ihnen,
ebenso den Fisch.

Handeln nach seinem Wort – davon kann man leben! Wenn auch sein „Schicksal“ und die Stimme der Mächtigen und die Mehrheit und der „mainstream“ und „der gesunde Menschenverstand“ alle völlig dagegen sprechen! Er hatte ja gesagt: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben!“ (Johannes 10,10)

Dies war schon das dritte Mal,
dass Jesus sich den Jüngern offenbarte,
seit er von den Toten auferstanden war.
(Johannes 21,1-14)

Weil sie auf sein Wort hören, kann er sich offenbaren! Dass es sich lohnt, mehr auf ihn zu hören als auf das, was die Umwelt vorschreibt, das kann sich ihnen zeigen, weil sie auf ihn hören!

Diese Erfahrung verändert jetzt ihr Leben grundlegend. Die Apostelgeschichte erzählt davon in der 1. Schriftlesung dieses Sonntags:

Sie sind wieder in Jerusalem. Sie treten in die Fußstapfen von Jesus. Sie werden zu seinen Nachfolgern. „Zeichen und Wunder“ wird da genannt, was sie bewirken – in der DNA von Jesus. Das bringt sie natürlich in die gleichen Schwierigkeiten wie ihn. Auch sie bringen damit die Autoritäten gegen sich auf:

In jenen Tagen
führte man die Apostel herbei
und stellte sie vor den Hohen Rat.
Der Hohepriester verhörte sie und sagte:
Wir haben euch streng verboten,
in diesem Namen zu lehren;
und siehe, ihr habt Jerusalem
mit eurer Lehre erfüllt;
ihr wollt das Blut dieses Menschen
über uns bringen.
Petrus und die Apostel antworteten:
Man muss Gott
mehr gehorchen als den Menschen.
Der Gott unserer Väter
hat Jesus auferweckt,
den ihr ans Holz gehängt
und ermordet habt.
Ihn hat Gott als Anführer und Retter
an seine rechte Seite erhoben,
um Israel die Umkehr
und Vergebung der Sünden zu schenken.
Zeugen dieser Ereignisse sind wir
und der Heilige Geist,
den Gott allen verliehen hat,
die ihm gehorchen.
Darauf ließen sie die Apostel auspeitschen;
dann verboten sie ihnen,
im Namen Jesu zu predigen,
und ließen sie frei.
Sie aber gingen weg vom Hohen Rat
und freuten sich,
dass sie gewürdigt worden waren,
für seinen Namen Schmach zu erleiden.
(Apostelgeschichte 5, 27-32.40b-41)

Nein, die Welt und ihre Autoritäten sind den Jesus nicht los. Sie haben ihn zwar umgebracht. Aber mit seinem Tod ist er zum Samen geworden, der seine DNA von Generation zu Generation seiner Nachfolger vervielfältigt und schließlich die ganze Welt erfüllt.

Nein, sie sind ihn nicht los. Der alte Konflikt hat zwar von Epoche zu Epoche andere Gesichter und macht sich an wechselnden Situationen und Problemfeldern fest, aber seine Lebenskraft belebt Christen bis in unsere Zeit. Auch da steht ja so einiges einander entgegen:

Einerseits: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“! Und andererseits: „Wir haben euch streng verboten, in diesem Namen zu lehren“! Woran orientieren wir uns heute?

Sich an ihn halten ist zuverlässiger als jedes Mitspielen mit interessegeleiteter Meinungsmache. Seine Anregungen verdienen allemal mehr Vertrauen als die volksnah kaschierten Forderungen kurzsichtiger Planung von Privilegien weniger. Menschenwürde und Gemeinsinn bringen mehr als populistische Mehrheiten.

Aber wenn Christen in unserer Umwelt anerkannt sein und Einfluss behalten wollen, tun sie halt gut daran zu bedenken, was sich in unserer Welt „streng verbietet“:

Zum Beispiel von den Superreichen einen angemesseneren Beitrag zu Gemeinwohlaufgaben einfordern – durch Vermögenssteuer, Einkommen-Spitzen-Steuer, Erbschaftssteuer, …

Oder ein Tempolimit auf Autobahnen einfordern und überhaupt, Klima und Umwelt besser zu schützen, gar wenn Wirtschafts-Wachstum dadurch belastet wird, …

Noch schützen die Verfassungen vieler demokratischer Staaten die wesentlichen Bestrebungen, die sich aus dem Geist des Evangeliums ergeben.

Aber viele Politiker fühlen sich gestört, wenn Christen einer populistischen Mehrheit entgegen auf ein praktisches Umsetzen solcher Werte der Verfassung verweisen. Deshalb sollen sich ja die Kirchen aus politischen Auseinandersetzungen heraushalten!

Bewundern dürft ihr einen Papst für seine Zeichen des Reiches Gottes, für die selbst Regierende und die Massenmedien ihn „bewundern“. Wehe aber, ihr wollt in diesem Geist auf die Gestaltung der Politik in euren Ländern einwirken!

Auch die Apostel von damals dürfen wir gerne für ihren Glaubensmut bewundern und uns ansonsten darauf ausruhen, dass es uns ja „streng verboten“ sei, als Kirche Politik zu machen.

Aber die traditionellen Texte der Liturgie, denen wir mit unserem Amen zustimmen, atmen weiterhin den Geist des Evangeliums, „Gott mehr zu gehorchen als den Menschen“.

So führt zum Beispiel das Tagesgebet dieses 3. Sonntags der Osterzeit in die Feier des Tages hinein mit dem frohen und dankbaren, aufmunternden und hoffnungsvollen Wort:

… du hast deiner Kirche
neue Lebenskraft geschenkt
und die Würde unserer Gotteskindschaft
in neuem Glanz erstrahlen lassen.
Gib, dass wir den Tag der Auferstehung
voll Zuversicht erwarten.

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