Sonntagsbotschaft zum 23. November 2025, dem Christkönigssonntag (Lesejahr C).
Dieser Sonntag – der letzte, bevor mit dem Advent ein neues Kirchenjahr beginnt – hat in den Kalendern und bei den Leuten unterschiedliche Namen: Totensonntag, Ewigkeitssonntag, …
Für katholische Gemeinden ist dieser letzte Sonntag im Kirchenjahr das Christkönigsfest. Seit 100 Jahren.
1925 – das war eine Zeit, in der eine Reihe von Königreichen ihr Ende gefunden hatten. Nach neuer Herrschaft strebten Kommunismus, Kapitalismus, Nationalsozialismus, … Dem widersetzten sich Katholiken. Heute heißt der Ruf „No Kings!“ Damals proklamierte man Christus als den einzigen König. Mit seiner Menschenfreundlichkeit würde er sich am Ende durchsetzen. Das neue Christkönigsfest wurde in Deutschland schnell populär.
Und heute? Ist es mehr als ein Lippenbekenntnis, wenn Christen – an diesem Sonntag wieder – in den Gottesdiensten ihm zujubeln – im Gloria mit den Worten „du allein der Herr“ – und im Credo ihren Glauben bekennen an Christus, „unsern Herrn“? Und wie soll das konkret aussehen, wenn er der „herrschende König“ ist? Viele aktuelle Entwicklungen gehen eher in eine entgegengesetzte Richtung. Auf was dürfen wir uns da gefasst machen, wenn in diesen Realitäten Christus seine Herrschaft antritt und seine Gläubigen dazu beitragen?
Die Bibel bietet verschiedene Antworten an. Die katholischen Gottesdienste wählen daraus in den drei Lesejahren je eigene Aspekte aus.
In dem jetzt zu Ende gehenden Lesejahr C geht es im ersten Bibeltext um die Frage, warum gerade David zum regierenden König für ganz Israel wird. Und im Evangelium geht es um einen Verbrecher, der bei seiner Hinrichtung am Kreuz dem ebenfalls gekreuzigten Christus begegnet.
In jenen Tagen
kamen alle Stämme Israels
zu David nach Hebron
und sagten:
Wir sind doch dein Fleisch und Bein.
Schon früher,
als noch Saul unser König war,
bist du es gewesen,
der Israel hinaus
und wieder nach Hause geführt hat.
Der HERR hat zu dir gesagt:
Du sollst der Hirt meines Volkes Israel sein,
du sollst Israels Fürst werden.
Alle Ältesten Israels
kamen zum König nach Hebron;
der König David
schloss mit ihnen in Hebron
einen Vertrag vor dem HERRN
und sie salbten David
zum König von Israel.
(2. Samuel 5,1-3)
„Wir sind doch dein Fleisch und Bein.“ Wir sind doch von gleicher Art! Du bist einer von uns! Maßgebliche Voraussetzung dafür, dass einer nach Gottes Willen bei uns als der „erste“ eingesetzt wird, the first, der Fürst, der König.
Immer wieder taucht in der Bibel dieses Motiv auf, vor allem wenn durch fremde Mächte oder durch die Privilegierung von Partikularinteressen das Volk gering geachtet und unterdrückt wurde. Anlass, voller Sehnsucht sich an Gottes Zusage zu erinnern – wie zum Beispiel beim Propheten Jeremia:
Sein Machthaber
wird ihm selbst entstammen,
sein Herrscher
aus seiner Mitte hervorgehen. …
Spruch des HERRN!
(Jeremia 30,19-21)
Und auf Grund der guten Erfahrungen, die sie mit David, einem von ihnen, schon in der Vergangenheit gemacht haben, vertrauen sie ihm und wollen – in Übereinstimmung mit Gottes Willen: Er soll jetzt das ganze Volk „reg-ieren“ – als ihr „rex“, als König, der im Sinne des Volkes und seines menschenfreundlichen Gottes entscheide, leite und die Führung übernehme, wo immer es um die Belange des Gemeinwesens geht.
Grundzug jeglichen Gemeinwesens – in der Kirche wie im Staat? Demokratie, die sich in ihrer Verfassung an Gott rückgebunden weiß und diesen Geist lebt!
Die Darstellung im Lukas-Evangelium, wie Jesus solche Führung des Volkes in Wort und Tat aktualisiert, mündet konkret in die Begegnung der beiden Gekreuzigten. Da „reg-iert“ „der König“, im Hebräischen „der Gesalbte“, griechisch übersetzt „der Christus“, indem er in der Extremsituation dem Menschen am Ende die Tür zur Fülle des Lebens öffnet:
In jener Zeit
verlachten die führenden Männer des Volkes
Jesus
und sagten:
Andere hat er gerettet,
nun soll er sich selbst retten,
wenn er der Christus Gottes ist,
der Erwählte.
Auch die Soldaten verspotteten ihn;
sie traten vor ihn hin,
reichten ihm Essig
und sagten:
Wenn du der König der Juden bist,
dann rette dich selbst!
Über ihm war eine Aufschrift angebracht:
Das ist der König der Juden.
Einer der Verbrecher,
die neben ihm hingen,
verhöhnte ihn:
Bist du denn nicht der Christus?
Dann rette dich selbst
und auch uns!
Der andere aber
wies ihn zurecht und sagte:
Nicht einmal du fürchtest Gott?
Dich hat doch das gleiche Urteil getroffen.
Uns geschieht recht,
wir erhalten den Lohn für unsere Taten;
dieser aber hat nichts Unrechtes getan.
Dann sagte er:
Jesus, denk an mich,
wenn du in dein Reich kommst!
Jesus antwortete ihm:
Amen, ich sage dir:
Heute noch
wirst du mit mir im Paradies sein.
(Lukas 23,35b-43)
Schon jetzt er an seiner Seite, neben ihm in der gleichen Situation. Und dann – was für eine befreiende, neue Perspektive: Der Tod und alle, die mit ihm das Leben beherrscht haben, gestürzt, machtlos gemacht!
Wesenszug für seine Art, als „König“ zu „herrschen“? Welche Konsequenzen ergeben sich daraus? Und für „das Volk“ heute? Wo sind die Menschen, denen er sich heute auf solche Weise zeigt?
Denk auch an mich, wann immer du mit deiner Herrschaft anfängst!
Das ist sein Weg mit den Menschen, für den sie ihn verspottet und verteufelt haben: alles kranke und kaputte Menschsein heilen. So betont es das Evangelium des Lukas.
Aber wenn seine Art sich durchsetzt, schmelzen ihre Privilegien dahin und alle die Regeln, auf die sie ihre Macht gebaut haben! Sie sind froh, dass sie ihn schon mal los sind.
Voller Staunen und Dankbarkeit dagegen sind alle die froh, für die er sich einsetzt und die in der Begegnung mit ihm aufleben und frei geworden sind. An ihrer Stelle hängt jetzt er am Kreuz.
Und wo stehe ich in diesem Beziehungsgeflecht? Wie geht mein Weg weiter?
Und was herrscht – in dem, was in meiner Welt geschieht? Wie geht es am Ende aus?
In dem vielstimmigen dissonanten Chor der Antworten besingt – vielfach überhört – die Stimme, die – nicht erst seit hundert Jahren – diesen Jesus feiert, ihn als den Christus, den „König“!
Nachtrag:
Vor drei Jahren habe ich seinen Weg des „königlichen Herrschens“, wie das Lukas-Evangelium ihn betont, konkret nachgemalt mit seinen vielen Beispielen, die in ihrem Wesen auch in unserer allzu oft unmenschlichen Zeit geschehen – mit der damaligen Sonntagsbotschaft „Zum König gekreuzigt“ https://rainer-petrak.de/zum-koenig-gekreuzigt/
