Blogbeitrag

Da hängt er 2022 Dom Frankfurt

Zum König gekreuzigt

17. November 2022

Sonntagsbotschaft zum 20. November 2022, dem Christkönigssonntag (Lesejahr C). 

Wer bestimmt? Was herrscht? Welche Kräfte prägen, was in unseren Tagen des 21. Jahrhunderts geschieht – im globalen Norden und im Süden, in West und Ost? Gibt es da alles beherrschende Personen oder Kräfte? vielleicht die eine hier, die anderen dort? Was für ein Geist des Miteinanders regiert die Welt – im Kleinen? und im Großen?

Jubel und Klage darüber sind ungleich verteilt. Beide beziehen sich manchmal auf ein und dasselbe Geschehen. Chaos und Konflikte häufen sich. Wie wird das am Ende ausgehen?

In diesem dissonanten Chor sagt eine Stimme, die immer wieder überhört wird, – in einer Sprache, die auch überhaupt nicht dazu zu passen scheint: „Am Ende herrscht Christus. Christus ist König!“ Er ist das Ende der Krisen, heißt das, das Ende der Zeit – was immer man auch damit meinen mag – das Ende des Lebens, das Ende des Kirchenjahres; das „Ende“, das was bleibt und Bestand hat. So lautet jedenfalls die Botschaft dieser Stimme.

Wie stelle ich mich zu dieser Botschaft? Was löst sie bei mir aus? In welcher Beziehung dazu stehen meine Erfahrungen und Einsichten?

Um das Wesentliche der Botschaft zu diesem „Christkönigssonntag“ an Aussagen des Evangeliums festzumachen, sieht die Leseordnung für die Gottesdienste in den 3 Lesejahren drei markante Texte vor:

Im Lesejahr A, dem Matthäus-Jahr, ist es die Bildgeschichte, das Gleichnis, das Jesus vom endgültigen Weltgericht malt – mit dem volkstümlich bekannten Wort „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ (Matthäus 25,40) Wie Gott am Ende das Leben der Menschen und der Völker beurteilt, bemesse sich daran, wie sie füreinander da sind, vor allem, wie sie sich gegenüber den Armen verhalten.

Im Lesejahr B, dem Markus-Jahr, ist es der Dialog zwischen Jesus und Pilatus über seine Weise, „König“ zu sein: nicht mit militärischen Mitteln, sondern mit Hilfe der Wahrheit und als Zeuge für sie.

Am letzten Sonntag dieses Lesejahrs C steht im Mittelpunkt der Botschaft von Jesus Christus dem König sein verspotteter und verteufelter Weg, alles kranke und kaputte Menschsein zu heilen – bis zu seinem Ende und noch, als er schon sterbend am Kreuz hing:

In jener Zeit
verlachten die führenden Männer des Volkes Jesus
und sagten: Andere hat er gerettet,
nun soll er sich selbst retten,
wenn er der Christus Gottes ist, der Erwählte.
Auch die Soldaten verspotteten ihn;
sie traten vor ihn hin,
reichten ihm Essig
und sagten:
Wenn du der König der Juden bist,
dann rette dich selbst!
Über ihm war eine Aufschrift angebracht:
Das ist der König der Juden.
Einer der Verbrecher, die neben ihm hingen,
verhöhnte ihn:
Bist du denn nicht der Christus?
Dann rette dich selbst und auch uns!

Nicht also, dass sie Jesus und seine Botschaft missverstanden hätten! Aber eine solche Zuwendung zu allen Menschen, deren Leben kaputt ist, das darf doch nicht zum neuen Maßstab werden! Privilegien haben doch nicht die Schwächsten verdient, sondern die Leistungsträger!

Ja, sie haben sehr wohl verstanden, worum es Jesus geht: Wenn seine Art sich durchsetzt im menschlichen Miteinander, dann schmelzen ihre Privilegien, Präferenzen und Profite dahin samt allen ihren Regeln, auf die sie ihre Macht gebaut hatten. Und gerade weil sie das verstanden haben, machen sie ihren Spott mit ihm – froh, dass sie ihn jedenfalls schon mal los sind.

Froh in der Gegenrichtung waren alle die geworden, deren kaputtes Leben Jesus wiederbelebt und gerettet hatte. Sie alle konnten nur staunen und Jesus dankbar bewundern, mit welcher Konsequenz er sich für sie eingesetzt hat. Und das noch mit dem Anspruch auf Anerkennung, dass er damit Gottes Willen umsetzt.

Er hatte ihnen zur Freiheit verholfen, und die Anfeindungen, unter denen sie zu leiden hatten, hat er auf sich selber hin umgelenkt. An ihrer Stelle hat er sich zur Zielscheibe gemacht für den Hass derer, denen die unmenschliche alte Ordnung ganz recht war. An ihrer Stelle hängt er jetzt am Kreuz.

Da war der Mann, dessen schuldhaftes Verhalten auf ihn selber zurückgefallen war, so dass sein Leben total gelähmt war. Zum Glück hatte er Freunde, die dem Jesus zutrauten, dass er ihm helfen kann. Sogar das Dach haben sie demoliert, um ihn direkt bis vor Jesus hin schleppen zu können. Und Jesus verhalf ihm dazu, frei von Schuld und Lähmung neu leben zu können. Was allerdings für die Glaubenshüter ein Gott-ins-Handwerk-Pfuschen war, wofür sie schon damals Jesus am liebsten umgebracht hätten. (vgl. Markus 2,1-12)

Und dann war da Levi, der Steuereintreiber, im Matthäus-Evangelium auch „Matthäus“ genannt: Dieser Typ des Menschen, der seine Privilegien dafür einsetzt, seine Vorteile immer weiter auszubauen – auf Kosten der Anderen, die dafür bezahlen und darunter leiden müssen.

Oder im Lukas-Evangelium „Zachäus“. Gerade mit diesen sogenannten Zöllnern, von denen sich jeder anständige Mensch fern hielt, gerade mit denen nimmt Jesus Kontakt auf, wodurch eine ganze Reihe von ihnen zu neuen, solidarisch gesinnten Menschen werden. Die Religionswächter und Ordnungshüter sehen allerdings nur, dass Jesus damit ihre fromme Moral durcheinander bringt: „Wie kann der nur mit solchen Leuten gemeinsame Sache machen und sich an einen Tisch setzen!“

Da murrten die Pharisäer und ihre Schriftgelehrten
und sagten zu seinen Jüngern:
Wie könnt ihr zusammen mit Zöllnern und Sündern
essen und trinken?
(Lukas 5,30)

Und an anderer Stelle heißt es:

Alle Zöllner und Sünder
kamen zu ihm, um ihn zu hören.
Die Pharisäer und die Schriftgelehrten
empörten sich darüber und sagten:
Dieser nimmt Sünder auf und isst mit ihnen.
(Lukas 15,1-2)

Auch von denen, die Zeugen davon wurden, dass Jesus gerade zu dem Zöllner Zachäus nach Hause gehen wollte, heißt es:

Und alle, die das sahen,
empörten sich und sagten:
Er ist bei einem Sünder eingekehrt.
(Lukas 19,7)

Dass Jesus auch korrupten Zeitgenossen mit Respekt begegnet und sie in die Gesellschaft integrieren will, statt sie zu schwächen und zu isolieren, das löst bei den führenden Schichten Murren und Empörung aus. Einen solchen Einfluss können sie nicht zulassen. Den Jesus wollen sie unbedingt loswerden. Ihren Hass auf die Übeltäter richten sie jetzt in geballter Ladung gegen Jesus.

Da kommt es ihnen gerade recht, dass Jesus sogar die heilige Regel der Sabbatruhe verletzt, weil es nach seiner Sicht von Gottes Willen wichtiger ist, dass Menschen auch nicht nur einen Tag noch länger leiden müssen.

Sie lauern auf einen konkreten Anlass, ihn anzuklagen zu können. Da kommt es zum Streit, denn Jesus heilt einem Mann seine kaputte Hand – am Sabbat in der Synagoge! Was für eine Provokation! Zumal ein solches Leiden als Strafe Gottes galt. Und da stellt sich Jesus dagegen! Der Mann muss jetzt nicht länger leiden. Aber Jesus muss jetzt leiden. Denn sie sind wütend und fassen den Beschluss, Jesus umzubringen.

Die Bibel ist voll von solchen Beispielen: Jesus stellt ihre Ordnung auf den Kopf, die davon lebt, dass angeblich Gott es sei, der Schuld und Sünde mit Krankheit und Tod bestraft.

In der anderen Ordnung, für die Jesus steht, soll jetzt alles dafür getan werden, dass Menschen, deren Leben oder deren Würde beschädigt ist, heil werden können.

Ein wunderbares Beispiel dafür ist die Gerichtsverhandlung im Jerusalemer Tempelbezirk gegen die Frau, die beim Ehebruch auf frischer Tat ertappt worden war und deshalb nach Recht und Gesetz verurteilt und per Steinigung hingerichtet werden soll. Die Herren wollen in diesem so „klaren Fall“ Jesus eine Falle stellen und fragen ihn nach seiner Meinung. Und er? Ohne die Schuld der Frau in Frage zu stellen: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.“ Man hört sie geradezu mit den Zähnen knirschen, als sie sich einer nach dem andern davontrollen und die Frau nicht bestraft wird. Schließlich wollen sie an ihrer Stelle Jesus steinigen.

Und jetzt hängt er am Kreuz.

Jeden Einfluss, den er nehmen konnte, hat er dafür eingesetzt, dass Menschen nicht festgenagelt werden auf ihre Schuld oder auf irgendwelche lebensfeindlichen Kräfte. Die Herrschaft von Vergeltung und von allen möglichen krank machenden Bedingungen oder Strukturen hat er entthront. Gottes liebevolle Zuwendung zum Menschen, dessen Leben beschädigt ist, ist Kern seiner Botschaft und krönt sein Leben, mit dem er Gott neu geoffenbart hat. Eine liebende und hingebende Zuwendung, die stärker ist als der Tod!

Und noch im Sterben am Kreuz hält er es wie immer. Die Spötter merken gar nicht, dass er sich darauf festnageln lässt, bis zum Ende allen und selbst dem Verbrecher die Tür zu öffnen zur Heilung und zum Leben.

Fürwahr, er trug unsre Krankheit,
fürwahr, er trug unsre Schmerzen.
… Genesen durch seine Wunden
sind wir unversehrt und heil.
Er steht auf
zur Seite der Armen, der Kleinen,
vertraut mit der Ohnmacht,
der liebende Gott, der liebende Gott.

(Text: Eugen Eckert 1986 © Strube Verlag München; Melodie aus Chile – vgl. Gotteslob Nr. 292,3 Gesang: Schola Herz Jesu Frankfurt-Fechenheim am Karfreitag 2002)

Auch im Jahr 1925 hatten die Machthabenden und die es gerne werden wollten, für einen „König“, der für sein Volk in den Tod zu gehen bereit ist, nur Spott übrig. Da sie selber aber so zu herrschen unternahmen, dass viele Millionen von Menschen in den Tod zu gehen hatten, hat ein starker Impuls von Gottes Geist die katholische Kirche dazu veranlasst, als Kontrastprogramm den sogenannten „Christ-Königs-Sonntag“ einzuführen.

Das Evangelium an diesem Sonntag verdichtet den Streit auf die beiden Verbrecher, die links und rechts von Jesus gemeinsam mit ihm hingerichtet werden. Der eine macht sich zum Sprecher der Spötter.

Der andere aber wies ihn zurecht und sagte:
Nicht einmal du fürchtest Gott?
Dich hat doch das gleiche Urteil getroffen.
Uns geschieht recht,
wir erhalten den Lohn für unsere Taten;
dieser aber hat nichts Unrechtes getan.
Dann sagte er:
Jesus, denk an mich,
wenn du in dein Reich kommst!
Jesus antwortete ihm:
Amen, ich sage dir:
Heute noch wirst du
mit mir im Paradies sein.
(Lukas 23, 35-43)

 

Zum Paradies mögen Engel dich geleiten,
die heiligen Märtyrer dich begrüßen
und dich führen in die heilige Stadt Jerusalem.
Die Chöre der Engel mögen dich empfangen
und durch Christus, der für dich gestorben,
soll ewiges Leben dich erfreuen.
(alter Begräbnisgesang)

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