Blogbeitrag

Bild von Javier Rodriguez auf Pixabay

Was dem Leben dient

27. Juni 2024

Sonntagsbotschaft zum 30. Juni 2024, dem 13. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr B).

Krankheit und Tod – was schmälert das vielen Menschen ihre Lebensqualität!

Vielen? Nicht allen?

Und muss das so sein?

Glückwünsche zielen oft auf „vor allem Gesundheit“. Und wenn Personen gefeiert werden, ist bis in unsere Zeit hinein in diversen Sprachen der alte Ruf zu hören: „ad multos annos!“, „mnogaja ljeta!“, „auf viele Jahre!“

Was machen wir dann mit Krankheit und Tod?

Hinnehmen oder zu verändern suchen?

Unbedingt verändern oder hinzunehmen suchen?

Trotz Krankheit und Tod glücklich leben?

Seit alten Zeiten gilt es als fromm, sich dreinzufügen in Krankheit und Tod.

Zugleich galt Jesus schon immer als „Heiland“ – der, der heilt, ja der sogar den Tod überwindet!

Vielleicht kommen wir ein Stück weiter mit Hilfe der Abschnitte aus der Bibel, die weltweit in katholischen Gottesdiensten an diesem Sonntag zu hören sind.

Die Erste Lesung aus dem Buch der Weisheit (Weisheit 1,13-15; 2,23-24) beginnt:

Gott hat den Tod nicht gemacht.
Er hat keine Freude
am Untergang der Lebenden.

Hat das denn jemand behauptet? Anscheinend richtet sich das gegen eine zynische Einstellung, die menschliches Leben und seinen Schutz geringachtet und die auch noch Gott verdächtigt, das in Ordnung zu finden.

Zum Dasein
hat er alles geschaffen
und heilbringend
sind die Geschöpfe der Welt. …

Warum gibt es dann aber den Tod?

Manche sagen: Den Tod gibt es ja auch nicht. Jedenfalls nicht den Tod als Person, wie manche Mythen ihn darstellen. Nur das Leben sei eine Realität; der Tod sei lediglich die Abwesenheit von Leben.

Aber sind nicht sowohl der Tod wie auch das Leben reale Zustände eines Daseins von Menschen, Tieren, Pflanzen …?

Das Buch der Weisheit setzt fort:

Doch durch den Neid des Teufels
kam der Tod in die Welt
und ihn erfahren alle, die ihm angehören. 

Nun weiß, wer so spricht oder schreibt, dass alle Menschen sterben. Auch alle Tiere und Pflanzen. Gehören also sie alle dem an, der hier „Teufel“ genannt wird?

Im Vers davor hieß es:

Gott hat den Menschen
zur Unvergänglichkeit erschaffen
und ihn zum Bild seines eigenen Wesens gemacht.

Sollte hier mit „Tod“ etwas anderes gemeint sein, als wir uns mit diesem Wort vorstellen?

Wie hat Jesus Stellung bezogen zu Krankheit und Tod und damit deutlich gemacht, wie Gott wirklich dazu steht?

Da heißt es an diesem Sonntag:

Jesus fuhr
an das andere Ufer des Sees von Galiläa hinüber
und eine große Menschenmenge versammelte sich um ihn.

Die ganze Zeit schon hatten überall Menschen die Erfahrung gemacht, dass Jesus sie auf ihre Sehnsucht hin ansprach nach einem besseren Leben, nach einer Befreiung aus all den belastenden und bedrückenden Kräften, die ihr Leben beherrschten. Er warb bei ihnen darum, sich dem Reich Gottes anzuvertrauen, seiner anderen Art zu herrschen. Und er spornte sie dazu an, sich für Gott als herrschende Kraft zu öffnen, auf die er sie schon neugierig machen konnte, weil sie sie immer wieder mit Jesus anfanghaft schon erleben konnten.

Davon erzählt Markus in seinem Evangelium:

Während er noch am See war,
kam einer der Synagogenvorsteher
namens Jaïrus zu ihm.
Als er Jesus sah,
fiel er ihm zu Füßen
und flehte ihn um Hilfe an:
Meine Tochter liegt im Sterben.
Komm und leg ihr die Hände auf,
damit sie geheilt wird und am Leben bleibt!

Was erwartet er von Jesus!

Und er?

Da ging Jesus mit ihm.

Er weist den Jaïrus nicht zurück. Er geht mit ihm! Er lässt ihn nicht allein! Er belehrt oder ermahnt ihn nicht zum Vertrauen auf Gott. Er bleibt mit ihm. Und das, während da auch noch viele andere Menschen seinetwegen da sind:

Viele Menschen folgten ihm
und drängten sich um ihn.
Darunter war eine Frau,
die schon zwölf Jahre an Blutfluss litt.
Sie war von vielen
Ärzten behandelt worden
und hatte dabei sehr zu leiden;
ihr ganzes Verm
ögen hatte sie ausgegeben,
aber es hatte ihr nichts genutzt,
sondern ihr Zustand
war immer schlimmer geworden.
Sie hatte von Jesus geh
ört.
Nun dr
ängte sie sich in der Menge
von hinten heran
und ber
ührte sein Gewand.
Denn sie sagte sich:
Wenn ich auch nur sein Gewand ber
ühre,
werde ich geheilt.

Noch hat sie ein ziemlich magisch geprägtes Verständnis von dem, was sie von Jesus erwarten darf und wie er sich Menschen heilend zuwendet. Aber wer wollte ihr das zum Vorwurf machen? Jesus jedenfalls nicht.

Und sofort versiegte die Quelle des Blutes
und sie spürte in ihrem Leib,
dass sie von ihrem Leiden geheilt war.
Im selben Augenblick
f
ühlte Jesus,
dass eine Kraft von ihm ausgestr
ömt war,
und

… Er wandte sich in dem Gedränge um
und fragte: Wer hat mein Gewand ber
ührt? 
Seine J
ünger sagten zu ihm:
Du siehst doch,
wie sich die Leute um dich dr
ängen,
und da fragst du: Wer hat mich ber
ührt?
Er blickte umher, um zu sehen, wer es getan hatte.
Da kam die Frau, …

Sie hatte schon gemerkt, dass sie geheilt war. Heiliges Erschrecken packte sie und

sie fiel vor ihm nieder …

Jesus hatte ihr gar nichts getan! Jetzt sagt er zu ihr:

… dein Glaube
hat dich gerettet.
Geh
in Frieden!
Du sollst von deinem Leiden geheilt sein. 

Er macht deutlich – der Frau und den Leuten um sie herum und unsereins heute – , wie Gott dazu steht, wenn Krankheit und Tod Menschen im Griff haben und am Leben hindern.

Und wie war das mit der im Sterben liegenden Tochter des Jaïrus?

Während Jesus noch redete,
kamen Leute,
die zum Haus des Synagogenvorstehers gehörten,
und sagten zu Jaïrus:
Deine Tochter ist gestorben.
Warum bemühst du den Meister noch länger?
Jesus,
der diese Worte gehört hatte,
sagte zu dem Synagogenvorsteher:
Fürchte dich nicht!
Glaube nur!

Jaïrus fürchtet, seine Tochter zu verlieren. Später heißt es, das Mädchen sei zwölf Jahre alt. Literaturwissenschaftlich arbeitende Exegeten der Bibel verstehen das als Hinweis, dass sie pubertiert. Ihr Vater fürchtet, wie damals üblich, sie bald an einen Ehemann zu verlieren. Und da das Blut als Sitz des Lebens galt, bot sich der Blutverlust beim Menstruieren an für die Klage: „Wir verlieren sie!“

Jesus, als er beim Haus des Jaïrus ankommt und die Menschen weinen und klagen sieht, sagt:

… Warum schreit und weint ihr?
Das Kind ist nicht gestorben,
es schläft nur.

Wie kann Jesus behaupten, dass das Mädchen nur schläft und gar nicht gestorben sei – zumal er sie noch nicht einmal gesehen hat?!

Wenn die genannten Exegeten Recht haben, hätte er – in Sprache und Mentalität unserer Zeit – vielleicht gesagt: „Sie pubertiert nur“?

Da lachten sie ihn aus.

Sie sehen das jedenfalls ganz anders als Jesus.

Er aber warf alle hinaus
und nahm den Vater des Kindes und die Mutter
und die, die mit ihm waren,
und ging in den Raum, in dem das Kind lag.

Hier wieder erzählt das Evangelium: Er geht mit ihnen; mit den verstörten Eltern des Mädchens. Jesus begleitet sie auf dem Weg zu ihrer Tochter. Und dann begegnen sie ihr ganz neu.

Er fasste das Kind an der Hand
und sagte zu ihm: Talita kum!,
das heißt übersetzt:
Mädchen, ich sage dir, steh auf!
Sofort stand das Mädchen auf
und ging umher.
Es war zwölf Jahre alt.

Wie reagieren jetzt die Menschen? Jesus hat überhaupt nichts von dem getan, was man sich damals von einem Wunderheiler erwartete. Aber durch seine Art, wie er dem Mädchen und den Eltern begegnet, ändert sich alles. Alles was vorher die beteiligten Menschen und ihre Situation und ihre Sicht davon beherrschte, spielt keine Rolle mehr, ist „entmachtet“.

Da sind

die Leute … fassungslos vor Entsetzen.
Und er schärft ihnen ein,
niemand darf etwas davon erfahren;
und dann sagt er,
man soll dem Mädchen etwas zu essen geben.
(Markus 5,21-24.35b-43)

Wenn sie das jetzt weitererzählen, dann breitet sich ein Ruf von Jesus aus, den er auf alle Fälle vermeiden will: Er ist nicht der Zauberer, der über eine Macht verfügt, mit der er Gottes Schöpfungsordnung aushebeln könnte und sich damit über Gott stellen würde! Nein, er will zeigen, wie die Wirklichkeit aussieht und wie sie verändert werden kann, wenn die Menschen auf Gott achten und sich und die Geschehnisse Gott als herrschender Kraft anvertrauen – in einer Haltung, die er hier wiederholt „Glauben“ nennt, die dem „Reich Gottes“ den Weg bereitet.

Deshalb sollen sie, was sie hier erlebt haben, erst dann weitererzählen, wenn sie verstanden haben, dass Gott hier eine neue Welt schafft – also erst dann, wenn Jesus mit seinem Sterben am Kreuz, um dem Aufleben der Menschen zu dienen, ihnen in die Auferstehung vorangegangen ist.

Damit das – auch angesichts von Krankheit und Tod – seine ganze Kraft entfalten kann, müssen sie erst seinen neuen Maßstab fürs Leben erkennen: dass er, Gottes Willen entsprechend, alles sagt und tut, hinnimmt oder verändert, wie es den Menschen dient, was dem Leben dient!

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