Blogbeitrag

Quelle mit Topf nahe Hüttenberger Kapelle (2021)

Quelle, der ich traue

4. Juli 2024

Sonntagsbotschaft zum 7. Juli 2024, dem 14. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr B).

Eine Quelle. Werde ich davon trinken? Ich schaue in die Umgebung. Spricht etwas dagegen, davon zu trinken? Oder traue ich nur amtlich lizensierten Quellen und ihren Leitungen? Ich könnte mich vergiften, jedenfalls mir einen Durchfall holen. Was wirkt da auf mich ein? Wer weiß, welchem Einfluss ich mich aus einer solchen Quelle aussetze. Andererseits: Ich muss trinken!

Menschen verhalten sich da unterschiedlich: Die einen trauen nur öffentlich-rechtlichen Quellen. Bei privaten oder sogenannt „sozialen“ Medien weiß man ja nicht, welche Einflüsse und Interessen dahinterstecken. Was auf mich einwirkt, was meinen Wissensdurst womit beeinflusst und mein Handeln leiten könnte, welcher Quelle ich mich da anvertraue, das will ich selber überblicken und nicht anderen überlassen.

Aber das ist nicht so einfach. Mit einem kleinen standardisierten, portablen Wasserlabor könnte ich mich ja vielleicht noch absichern, bevor ich aus dieser Quelle trinke. Aber kann ich der Analyse trauen, die sich mir daraus ergibt? Und scheue ich nicht eher den Aufwand und das vorsorgliche Mitnehmen? Eine Flasche Mineralwasser im Rucksack tut es auch. Sogar mit amtlicher Analyse auf dem Etikett. Allerdings – eine solche unerwartet sich anbietende Quelle hat ihren Reiz!

Wonach treffe ich meine Entscheidung, welchem Einfluss ich traue? Unter welcher Voraussetzung nehme ich mir ungeprüft ein Beispiel? Wessen Anregungen greife ich ohne viel Federlesens auf?

Wenn ich eine neue Sprache lernen will, suche ich jemanden, wer dieser Sprache selber mächtig ist und geschickt genug mir beim Lernen beistehen wird. Dasselbe, wenn ich eine technische Fähigkeit lernen will.

Welcher Quelle vertraue ich, wenn ich eine Auswahl von Nachrichten aus meiner näheren Umgebung oder aus der weiten Welt suche, wovon ich meine, ich sollte das zur Kenntnis nehmen und für meine Orientierung berücksichtigen? Ich will dabei ja nicht in eine bestimmte Richtung manipuliert werden und einer Stimmungsmache unterliegen.

Ich denke, eine durch die Jahre hindurch gesammelte eigene Erfahrung leitet jeden Menschen bei der Entscheidung, wem er traut und wem nicht. Mit wem ich gute Erfahrungen gemacht habe, dem traue ich eher.

Zu meinen Erfahrungen gehört aber auch, dass ich gut beraten bin, auch gegenüber mir neu begegnenden Quellen Vertrauen zu erproben. Ein neu entdecktes „Wasser“ mag nicht nur im Augenblick angenehm erfrischen, sondern kann Durst löschen und nachhaltig beleben. Wenn da auch ein Mindestmaß an skeptischer Vorsicht alle Experimentierfreude begrenzen sollte. Viele „Quellen“ haben sich schon mit als „Legitimation“ etikettierter Autorität präsentiert, die angeblich keine Überprüfung braucht.

Das ist die alte Geschichte mit den „Propheten“.

Ezechiel kommt und sagt, er sei von Gott beauftragt. Dabei hat er keinen amtlichen Posten, der ihn dazu legitimieren würde. Aber er stellt sich vor mit der Aussage, Gott habe ihm gesagt:

Menschensohn, ich sende dich
zu den Söhnen Israels,
zu abtrünnigen Völkern,
die von mir abtrünnig wurden.
Sie und ihre Väter sind von mir abgefallen,
bis zum heutigen Tag.
Es sind Söhne mit trotzigem Gesicht
und hartem Herzen.
Zu ihnen sende ich dich.
Du sollst zu ihnen sagen:
So spricht GOTT, der Herr. …
(Ezechiel 1,28c – 2,5)

Damit ist seine Aufgabe eingeordnet in eine Reihe mit vielen anderen Propheten, von denen die Bibel spricht. Eine Aufgabe voller Schwierigkeiten. Das griechische Wort προφήτης / prophetes ist abgeleitet vom Verb pro-femi / „ich spreche aus“. Ein Prophet ist einer, der ausspricht, was Gott sagen will.

Aber wegen ihrer meist kritischen Äußerungen werden sie häufig von den Mächtigen abgelehnt und bekämpft. Anerkennung – wenn überhaupt – bekommen sie immer erst hinterher.

Um ihren Einfluss zu kompensieren, berufen Könige in Israel andere Männer. Diese zwar amtlich angestellten und mit Autorität ausgestatteten, auch so genannten „Propheten“ gelten in der Bibel als „falsche Propheten“ – wegen ihrer Abhängigkeit von den Machthabern, an deren Absichten sie ihre Verkündigung anpassen.

Vergiftete Quellen mit dem Anspruch göttlicher Autorität und Zuverlässigkeit.

Wenn ein Prophet auftritt, steht immer erst einmal die Frage im Raum, ob sein Wort wirklich von Gott kommt. Zuverlässig beurteilen kann man das immer erst im nachhinein. Oder mit dem Risiko des Vertrauens – vielleicht auf Grund von Vorerfahrungen.

Und Jesus?

Als er in seiner Heimatstadt Nazareth zum ersten Mal öffentlich spricht, bezeichnet auch er sich als „Prophet“ und deutet so bei denen, die ihm zuhören, ihren Widerstand, auf den er mit seiner Botschaft stößt:

Jesus kam in seine Heimatstadt;
seine Jünger folgten ihm nach.
Am Sabbat lehrte er in der Synagoge.
Und die vielen Menschen, die ihm zuhörten,
gerieten außer sich vor Staunen …

Schon in Kafarnaum hatten sie ihm ja die Gelegenheit zum Sprechen gegeben. Und von den Menschen dort hieß es: „Sie waren voll Staunen über seine Lehre; denn er lehrte sie wie einer, der Vollmacht hat, nicht wie die Schriftgelehrten.“ Hier in Nazareth genauso.

Sie sagten:
Woher hat er das alles?
Was ist das für eine Weisheit,
die ihm gegeben ist?
Und was sind das für Machttaten,
die durch ihn geschehen?
Ist das nicht der Zimmermann,
der Sohn der Maria
und der Bruder von Jakobus, Joses, Judas und Simon?
Leben nicht seine Schwestern hier unter uns? …

Und dann kippt ihr Staunen: Den kennen wir doch! Das ist doch einer von uns! Wie kann der sich so hervortun! Will er mehr sein als wir? Vielleicht erinnern sie sich an den alttestamentlichen Josef, der davon träumt, dass sich alle seine Brüder rings um ihn herum sich vor ihm tief verneigen?

Und sie nahmen Anstoß an ihm.
Da sagte Jesus zu ihnen:
Nirgends ist ein Prophet ohne Ansehen
au
ßer in seiner Heimat,
bei seinen Verwandten
und in seiner Familie.
Und er konnte dort keine Machttat tun;
nur einigen Kranken legte er die Hände auf
und heilte sie.
Und er wunderte sich
über ihren Unglauben.
Jesus zog durch die benachbarten Dörfer und lehrte.
(Markus 6,1b-6)

Ist sein erstaunliches Auftreten der Maßstab, warum sie ihm trauen sollten? Oder ist das vielleicht nur, weil er halt gut reden kann? Oder will er gar unter seinen Landsleuten etwas Besonderes sein?

Wenn heute irgendeiner aus der Gemeinde so etwas täte, wären die Leute skeptisch: Was der da sagt, schüttelt er sich das aus dem Ärmel? Auch wenn es interessant oder gefällig klingen mag, – ist das auch wirklich katholisch?

Jesus ist einer von ihnen und ist nicht amtlich bestätigt.

Er verhält sich wie ein Prophet.

Dazu kommt auch noch: Was er tut und wie er redet, das kann man eigentlich nur von Gott selber erwarten.

So weit mal aus dem Blickwinkel der Zuschauer.

Wie würde Jesus selber wohl beschreiben, wie er sich verhält?

Er präsentiert sich so, wie sie ihn kennen – als einer von ihnen. Er unternimmt es nicht, sich und seine Vollmacht zu legitimieren.

Später wird der Hymnus, den Paulus in seinem Brief an die Philipper wiedergibt, diese durchgängige Haltung von Jesus besingen mit den Worten:

Er entäußerte sich
und wurde … den Menschen gleich.“
(Philipper 2,7)

Dazu legt Paulus der Gemeinde in Philippi ans Herz, untereinander auch so gesinnt zu sein, wie es dieser Haltung und „dem Leben in Christus Jesus entspricht“. Da Jesus das Menschsein neu lebt mit seinen Möglichkeiten, die dem Menschen eigen sind, wenn er das Leben und sein Tun im Hören auf Gott gestaltet, dann ist er ja nicht nur ein Ab-Bild für Gott, sondern auch ein Vor-Bild, dem nachzufolgen er einlädt und aufruft.

Und die Leute – nicht nur in Nazareth – staunen über die Möglichkeiten des Menschensohnes, den sie als Gottessohn ja eh noch lange nicht sehen können.

Er ist authentisch und man kann ihm trauen.

Wo dieser Geist das Miteinander prägt, wächst unter den Beteiligten eine Haltung, die alle Widerspenstigkeit gegen Gottes Menschenfreundlichkeit abbaut und sein befreiendes Wirken unter den Menschen möglich macht:

Wenn dir etwas gegeben ist, was ich nicht kann, dann mindert das nicht mehr mein Selbstwertgefühl. Dann freue ich mich über unsere erweiterten Möglichkeiten.

Wenn du einen Informations-Vorsprung hast, dann muss ich nicht mehr verschämt so tun, als hätte ich „das auch schon längst gewusst“. Dann ergänzen wir uns immer mehr und können uns sogar über konstruktive Kritik freuen. Amtlicher Auftrag hin oder her.

Alle, die in Jesus den Gottessohn erkennen, der unbedingt den Menschen gleich werden will – samt dem schließlich eingetretenen Risiko, als Mensch am Kreuz hingerichtet zu werden – , alle die, denen er gleich wurde, brauchen nicht mehr um ihre Würde zu bangen, wenn ein anderer Mensch „anders“ ist, anders als sie es für gut oder richtig halten, womöglich gar „besser“ erscheinend. Unterschiedlichkeiten brauchen dann nicht mehr Angst zu machen, sie können dann neugierig machen auf eine unerwartete Bereicherung.

Wer weiß, ob da nicht Gott selber sich zeigt – durch diesen Menschen als sein Prophet!

Vielleicht wächst dann auch die Fähigkeit zu unterscheiden,
welcher Quelle ich traue.

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