Sonntagsbotschaft zum 23. März 2025, dem 3. Sonntag auf dem Weg zum Osterfest im Lesejahr C.
„Zeitenwende!“, „Transformation!“, „Die alte Ordnung bröselt weg!“, …
Nach Veränderungen gesehnt haben Menschen sich schon immer. Aber dass Veränderungen sich uns aufzwingen – in diesem Ausmaß – , das ist vielleicht doch neu.
Über alle Konflikte zwischen Interessen und Weltbildern hinweg sind sich heute eigentlich alle einig: „Wir können nicht so weitermachen wie bisher.“
- „Diese zunehmende Polarisierung! Das zerstört den letzten Rest an demokratischem Zusammenhalt!“
- „Mit Gewalt sich durchsetzen – das lernen jetzt die Jungen von immer mehr autoritär Regierenden!“
- „Mit dieser Bürokratie legen wir alle Verwaltung lahm!“
- „Klima-Krise – einen Schritt vorm Abgrund!“
- „Immer mehr Egoismus! Daran geht jeder Gemeinsinn zugrunde!“
- „Bei dieser neuen US-Politik müssen wir jetzt alles Geld in die Rüstung stecken!“
Oder wie auch immer das buchstabiert wird: „So wie bisher geht‘s nicht weiter!“ An sehr unterschiedlichen Ereignissen und Entwicklungen machen Menschen diesen Befund fest.
Die Konfrontation mit Veränderungen im Lebensraum hat schon immer zu einer Haltung herausgefordert, die Zukunft positiv zu gestalten. Auch die Bibel erzählt davon vielfältig aus der Geschichte des alten Volkes Israel.
Und Jesus fing seinen Weg in die Öffentlichkeit von damals an mit dem Aufruf „Kehrt um!“ Damit traf er den Nerv so vieler Menschen, die sich alle nach Veränderung sehnten. Aber nicht so, wie andere es jetzt von ihnen verlangten! Erstes Vertrauen in Jesus und seinen Aufruf macht sie neugierig, auf welchen Weg er sie denn weist, damit alles Reden von „Umkehr“ nicht bei Worten bleibt – bei Koalitionsgesprächen und Talkshows, auf der Straße und an Stammtischen.
Seine Antwort ist davon geprägt, dass er als das Naheliegende ihnen vor Augen hält, was er „das Reich Gottes“ nennt: die Haltung, die sich orientiert und Maß nimmt an all den Erfahrungen von Menschen, wenn sie sich der führenden Begleitung durch Gott anvertrauen, wo er als die herrschende, die „regierende“ Kraft anerkannt wird.
Jesus, voll von diesem Geist, hatte mit diesem Weg neu angefangen. Viele Menschen lebten regelrecht auf.
Aber er stieß auf Widerstände aller Art. Viele Fragen kamen neu auf – vor allem im Zusammenhang mit Unglück und Elend, mit Gewalt und Katastrophen.
Die einen schrieben alles das einem grausamen „Schicksal“ zu – namenlos und unpersönlich. Andere machten Gott – persönlich – verantwortlich für Zufälligkeiten und für ein willkürliches Zumessen von „Lohn“ und „Strafe“ für angeblich „Gute“ und „Böse“.
Ein Schlaglicht auf das Leiden der Menschen an der Intransparenz und Unbeherrschbarkeit mächtiger Abläufe wirft der für diesen Sonntag vorgesehene Abschnitt aus dem Lukas-Evangelium:
In jener Zeit
kamen einige Leute
und berichteten Jesus
von den Galiläern, deren Blut
Pilatus mit dem ihrer Opfertiere vermischt hatte.
Der römische Provinz-Gouverneur hatte Menschen umbringen lassen, die gerade ihrem Gott Tier-Opfer darbrachten. Waren es Juden – am Tempel in Jerusalem? War das eine Kundgebung ihres politischen Protestes? Dem Evangelisten Lukas scheint das unwichtig zu sein. Pilatus nimmt jedenfalls Anstoß an ihrem Tun und schlägt einfach drauf. Leute berichten jetzt Jesus davon.
Sind sie empört? Über Pilatus? Über Gott? Und was sagt er dazu?
Und er antwortete ihnen:
Meint ihr, dass diese Galiläer
größere Sünder waren
als alle anderen Galiläer,
weil das mit ihnen geschehen ist?
Ist das denn die „Strafe“ – Gottes Strafe für ihre – ungenannten – „Sünden“? Oder weil sie aus „Galiläa“ kommen oder aus Afghanistan?? Und sind denn andere, die nicht umgebracht wurden, weniger Sünder? All das scheint Jesus nicht zu meinen:
Nein, sage ich euch,
vielmehr werdet ihr alle
genauso umkommen,
wenn ihr nicht umkehrt.
„Ihr alle!“ Wenn „ihr“ nicht „umkehrt“.
Oder jene achtzehn Menschen,
die beim Einsturz des Turms am Schiloach
erschlagen wurden –
meint ihr, dass sie größere Schuld auf sich geladen hatten
als alle anderen Einwohner von Jerusalem?
Nein, sage ich euch,
vielmehr werdet ihr alle ebenso umkommen,
wenn ihr nicht umkehrt.
Wenn „ihr“ nicht „umkehrt“! Die ihn da ansprechen, haben anscheinend bei Jesus damit in ein Wespennest gestochen: „Warum schlägt der Blitz nicht bei denen ein, die wirklich schuldig sind?!“
Da erzählt er ihnen dieses Gleichnis:
Ein Mann hatte in seinem Weinberg
einen Feigenbaum gepflanzt;
und als er kam und nachsah,
ob er Früchte trug,
fand er keine.
Da sagte er zu seinem Winzer:
Siehe, jetzt komme ich schon drei Jahre
und sehe nach,
ob dieser Feigenbaum Früchte trägt,
und finde nichts.
Hau ihn um!
Was soll er weiter
dem Boden seine Kraft nehmen?
Der Winzer erwiderte:
Herr, lass ihn dieses Jahr noch stehen;
ich will den Boden um ihn herum aufgraben und düngen.
Vielleicht trägt er in Zukunft Früchte; …
(Lukas 13,1-9)
Da pflanzt einer einen Obstbaum. Aber er trägt einfach keine Früchte. Seit Jahren. Frustrierend! Dann wird er ihn eben umhauen! So ist das in dieser Welt.
„Nein!“, stellt sich sein Winzer dazwischen. „Der Boden um ihn herum! Vielleicht liegt es ja an ihm! Ich will ihn auflockern und düngen!“
Nicht das alte Muster von Lohn und Strafe! Die Richtung der Erwartungen kehrt er um: Er, der Winzer, will sich darum kümmern. Mit verbesserten Rahmenbedingungen kann der Baum dann vielleicht die Kraft des Bodens besser nutzen und Früchte bringen. „Lass ihn dieses Jahr noch stehen!“
Umkehr? Wer kehrt hier um?
Der Winzer – Bild für Jesus selbst – er personifiziert die Wende, die Umkehr. Alles kehrt er um. In ihm wendet Gott sich ab von seinem eigenen Frust und Zorn, wendet sich der Hilfe für den Baum zu.
So ist Gott: nicht der Beleidigte, sondern der Kümmerer!
In den Wochen vor Ostern, die der „Umkehr“ gewidmet sind, der Absage an alles, was zum Widerstand gegen Gottes Anregungen verführen will, da taucht in Liturgie und Gebet der Kirche immer wieder Gottes werbender Ruf aus dem Mund des alten Propheten Joël auf:
Kehrt um zu mir
von ganzem Herzen,
mit Fasten, Weinen und Klagen.
Zerreißt euere Herzen, nicht eure Kleider,
und kehrt um zum Herrn, eurem Gott!
Denn er ist gnädig und barmherzig,
langmütig und reich an Güte, …
(Joël 2,12-13 –
Lesung in der Eucharistiefeier vom Aschermittwoch und in der morgendlichen „Laudes“ an jedem Dienstag in der Fastenzeit!)
Die Eingeschüchterten, die meinen, Gott besänftigen zu müssen mit Fasten und Jammern und Äußerlichkeiten, sie sollen sich mit Gott versöhnen lassen, ihre allzu menschlichen Vorstellungen eines strafenden Gottes drangeben und sich von neuem diesem liebenden und nachsichtigen Gott zuwenden, sich seiner Zuwendung anvertrauen!
An so vielen Stellen charakterisiert die Bibel mit solchen Worten Gottes Einstellung, mit der er Menschen begegnet und die Jesus verkörpert:
„Er ist gnädig und barmherzig,
langmütig und reich an Güte!“
So auch der Antwortpsalm dieses Sonntags, der dankbar in diesen Ruf mündet. (Psalm 103,8 – siehe Ende dieses Podcasts.)
Schließlich geht es ja Gott nicht einfach um das Durchsetzen seines Willens – wie so manchem selbstverliebten Politiker unserer Tage – , sondern darum, dass alle gut und sinnvoll und fruchtbar leben können!
Dieser seiner Absicht sich anzuvertrauen und deshalb hinzuhören, was Er sagt, das ist das Beste, was auch unsereins heute tun kann angesichts der unübersichtlich gewordenen Menge an Fragen und Problemen.
Das legt auch der Bibelabschnitt ans Herz, der im Zusammenhang mit dem Gleichnis vom Feigenbaum ohne Feigen an diesem Sonntag zu hören ist. Da ist die Rede von Mose, dem Gott erscheint. Er sieht einen Dornbusch, der brennt, ohne aber zu verbrennen.
Als Gott sah,
dass Mose näher kam,
um sich das anzusehen,
rief er ihm mitten aus dem Dornbusch zu:
Mose, Mose!
Er antwortete: Hier bin ich.
Er sagte: Komm nicht näher heran!
Leg deine Schuhe ab;
denn der Ort, wo du stehst,
ist heiliger Boden.
Dann fuhr er fort:
Ich bin der Gott deines Vaters,
der Gott Abrahams,
der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. …
… Ich habe das Elend meines Volkes
in Ägypten gesehen
und ihre laute Klage über ihre Antreiber habe ich gehört.
Ich kenne sein Leid.
Ich bin herabgestiegen,
um es der Hand der Ägypter zu entreißen
und aus jenem Land hinaufzuführen
in ein schönes, weites Land,
in ein Land,
in dem Milch und Honig fließen,
… Ich sende dich zum Pharao.
Führe mein Volk, die Israeliten,
aus Ägypten heraus! …
(Exodus 3, 1-8a.10.13-15)
Was nun der hörenden Gemeinde den Antwortpsalm entlockt, mit dem sie – samt Begründung – diesen ganz anderen Gott besingt, zu dem umzukehren, zu dem sich hinzuwenden jetzt angesagt ist:
Preise den HERRN, meine Seele,
und alles in mir seinen heiligen Namen!
Preise den HERRN, meine Seele,
und vergiss nicht,
was er dir Gutes getan hat!
Der dir all deine Schuld vergibt
und all deine Gebrechen heilt,
der dein Leben vor dem Untergang rettet
und dich mit Huld und Erbarmen krönt.
Der HERR vollbringt Taten des Heils,
Recht verschafft er allen Bedrängten.
Er hat Mose seine Wege kundgetan,
den Kindern Israels seine Werke.
Der HERR ist barmherzig und gnädig,
langmütig und reich an Huld.
Denn so hoch der Himmel über der Erde ist,
so mächtig ist seine Huld
über denen, die ihn fürchten.
(Psalm 103,1-8.11)