Blogbeitrag

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Anruf von Gott

5. Dezember 2024

Sonntagsbotschaft zum 8. Dezember 2024, dem 2. Adventssonntag (Lesejahr C).

Da ruft einer öffentlich auf, die Leute sollen endlich der ersehnten Zukunft den Weg bereiten. „Umkehren“ sollen sie, sagt er, aufhören mitzuspielen bei all dem, woran die Menschheit sich versündigt. Freikommen sollen sie von all dem, was sie sich eingebrockt haben – sich selber und einander und den kommenden Generationen!

Das klingt nach einem Großprojekt. Das kann nur gelingen, wenn viele Gleichgesinnte einander signalisieren, dass sie daran mitwirken wollen.

Ein Mann namens Johannes, Sohn von Zacharias, ist es, der dazu aufruft. Das Evangelium des Lukas im Neuen Testament erzählt davon. Den Lukas erinnert das an die alten Worte des Propheten Jesaja, wo es hieß:

Stimme eines Rufers in der Wüste:
Bereitet den Weg des Herrn!
Macht gerade seine Straßen!

In der Sprache, der Logik und den Bildern unserer Zeit würde Johannes vielleicht sagen: Stellt die Bedingungen her für eine Optimierung der Möglichkeiten! Schafft die Voraussetzungen und macht den Weg frei!

Das funktioniert natürlich nur, wenn der Wille dazu vorhanden ist. Also: Wer alles teilt denn diesen Willen? Und wer ergreift die Initiative für einen ersten Schritt? Und welche Strategie fördert ein zügiges Vorankommen?

Ändert euer Verhalten – von Grund auf, also eure Haltung, eure innere Einstellung!

Jede Schlucht soll aufgefüllt
und jeder Berg und Hügel
abgetragen werden.
Was krumm ist,
soll gerade,
was uneben ist,
soll zum ebenen Weg werden.

Da gibt es viele Hindernisse, die erst einmal beseitigt werden müssen!

Diese Worte des Jesaja bezogen sich ursprünglich auf die Situation, als ein großer Teil der Juden nach Babylonien deportiert war und der Rest des Volkes in Jerusalem sich von Gott verlassen fühlte. Diese Situation schrieben sie dem zu, dass sie nicht auf Gott gehört hatten, lieber ihre eigenen Wege und somit in die „Sünde“ gegangen waren, in die Distanzierung von Israels Gott. Und da hatten sie die Zusage gehört, dass jetzt Schluss sein sollte mit dem Ertragenmüssen der Konsequenzen. Gott wolle jetzt mit ihnen alles wieder gut machen. Also sollten sie ihm den Weg ebnen, dass er kommen kann.

Johannes nennt das Ziel des Unternehmens „zur Vergebung der Sünden“. Und Lukas ergänzt und macht deutlich, was mit „Vergebung der Sünden“ gemeint ist:

Und alle Menschen werden das Heil Gottes schauen.
(Lukas 3,1-6)

Alle sollen es also erleben: Gott bringt jetzt die Befreiung aus den Behinderungen durch die alles beherrschende Sünde und ihre Folgen!

Mit ihrer gemeinschaftlichen Umkehr, von der alle andern sehen können, wer mitmacht und wer nicht, machen sie den Weg frei für den Herrn, so dass er das Heil bringen kann und alle Menschen das erleben. „Das Heil Gottes“ – so nennt der Evangelist es mit dem Propheten – sollen alle Menschen erleben!

In den anderen Evangelien heißt dieses „Heil Gottes“ aus dem Mund von Johannes und von Jesus „das Reich Gottes“, das jetzt kommt. Im nächsten Kapitel des Lukas-Evangeliums präzisiert Jesus dieses „Heil“ in seiner ersten öffentlichen Rede in Nazareth mit einem weiteren Zitat aus Jesaja:

„Er hat mich gesandt,
damit ich den Armen
eine frohe Botschaft bringe;
damit ich den Gefangenen
die Entlassung verkünde
und den Blinden
das Augenlicht;
damit ich die Zerschlagenen
in Freiheit setze
und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe.“

(Lukas 4,18b-19)

Zu einem von solcher Hoffnung getragenen neuen Bund sollen die Menschen umkehren und sich für alle sichtbar zusammenschließen, damit Gott kommen kann mit seiner Rettung und Heil bringenden Herrschaft für alle.

Damit ausreichend Menschen sich dafür zusammenfinden, sollen alle, die das wollen, die auf diese „Vergebung der Sünden“ hoffen und zu solcher Umkehr bereit sind, mit ihrer Taufe im Jordan öffentlich Zeichen dafür geben. Die Signalwirkung, die davon ausgeht, kann viele zu aktiver Solidarisierung ermutigen.

Welche Richtung wird da eingeschlagen? Veränderung wohin? Wie sieht diese „Umkehr“ konkret aus?

Dazu ist es nötig, dass alle sich erst einmal klar machen: Welchen Kräften, Personen, Zielen, … bereite ich eigentlich durch mein bisheriges Verhalten faktisch den Weg? Wie tragen wir selber dazu bei, dass es zu so unheilvollen Entwicklungen kommen konnte – damals und heute?

Naja … –

Wer sich nicht warm anzieht, muss sich nicht wundern, wenn er friert.

Wer den Mund nicht aufmacht, braucht sich nicht zu wundern, wenn seine Meinung nicht gehört wird.

Wer zu schnell fährt, braucht sich nicht zu wundern, wenn er die Kontrolle übers Auto verliert.

Wem gestern die Ungerechtigkeiten in der Weltwirtschaft egal waren, braucht sich heute nicht zu wundern, wenn arm gemachte Millionen von Menschen ihr Heil bei uns suchen.

Wer fossile Energiepolitik duldet, muss sich nicht wundern, wenn er die zunehmenden Unwetterschäden nicht mehr bezahlen kann.

Ja, haben wir nicht selber – auch in unseren Tagen – auf vielerlei Weise durch unser Verhalten den Entwicklungen den Weg bereitet, die uns heute Angst machen?

Wenn Unterhaltungsmedien oder Politik oder das Verhalten von Erziehenden Gewalt als die Standard-Methode darstellt für die Lösung von Meinungsverschiedenheiten oder Konflikten, braucht man sich nicht zu wundern, wenn junge, noch heranreifende Menschen davon lernen und das dann selber als „normal“ praktizieren.

Eine Gesellschaft, die für ihren wirtschaftlichen Erfolg einseitig auf eine bestimmte Branche setzt oder vorrangig auf den Export in andere Länder, darf sich nicht wundern, wenn nicht vorhergesehene Umstände Nachfrage und Absatzmarkt und damit die gewohnten Gewinne schwächen. Da wird man einsehen müssen: Wir haben nicht dem Wohlergehen aller den Weg bereitet, sondern nur einer Interessengruppe, der wir das Wohlergehen aller irrtümlich anvertraut hatten.

Werden wir in 50 Jahren, werden unsere Enkel in 100 Jahren noch auf dieser Erde leben können? Oder wird alles verbrannt, weggeblasen, ausgedorrt oder überschwemmt sein?

Wer bereitet einer lebbaren Zukunft den Weg?

Noch anders gefragt: Wie sieht eigentlich die Zukunft aus, der wir mit unserem heutigen Wirtschaften den Weg bereiten – mit unserem Konsum, dem Güter- und Reiseverkehr, dem Energiebedarf, …?

Welche Ziele haben wir, verfolgen wir? Oder unterwerfen wir uns einfach „Zwängen“, weil sie angeblich alternativlos sind? Worauf richten wir unsere Aufmerksamkeiten?

Wir müssen schon darauf achten, wem und welchen Kräften wir mit unserem Verhalten den Weg bereiten.

Welche Zukunft gestalten wir? Was für einem Leben bereiten wir den Weg?

Aus dem Aufruf des Täufers Johannes und aus dem Impuls des Evangelisten Lukas höre ich für uns heute: Macht euch klar, was eure Sehnsucht ist: Welche Kräfte sollen nach eurer Sehnsucht und eurem politischen Willen die Zukunft prägen, bestimmen, beherrschen? Das Reich Gottes – mit Gemeinwohl und Menschenwürde? Oder die Durchsetzungskraft von Geld oder von Gewalt? Der Vorrang der eigenen Nation oder der eigenen Familie? … Oder oder …?

Menschen, die dem von Jesus verkörperten Gott eine gelingende Zukunft für alle zutrauen und die deshalb gerne mit einem geänderten Verhalten dazu beitragen und der Verwirklichung seiner Ziele den Weg bereiten wollen, sie werden Freude am Kommenden haben, wenn sie die anderen sehen können, die sich in die gleiche Richtung einsetzen wollen.

Die so entstehende Solidarität des Glaubens macht Mut und verleiht dem gemeinsamen Handeln eine ungeahnte Kraft.

Menschen, die dem trauen, werden dem Ruf zur „Umkehr“ und der damit verbundenen Zusage einer Befreiung aus aller Versündigung und ihren Folgen gerne nachkommen und sie werden schauen, wie sie sich in diesem neuen Geist gemeinsam mit den anderen organisieren können, um dem Guten, der kommt, den Weg effektiv zu bereiten.

Wer da mitmachen und dabei sein will, wird gerne darin seinen eigenen ihm angemessenen Ort erkunden und sich in diesen Zusammenhang einfügen. Mit den anderen wird er die sich so ergebenden alles umfassenden Lebenschancen feiern – voller Dankbarkeit, dass Jesus diesem Weg ein so klares Profil gegeben hat.

Miteinander werden sie in dem Ausruf des Täufers Johannes von damals Gottes Initiative von heute erkennen, der alle anruft, die sich nicht zufrieden geben mit dem, wie die Dinge laufen, und die sich sehnen nach Veränderungen der Art, wie Jesus sie in Gottes Kraft in die Wege geleitet hat.

Das alte hoffnungsvolle Adventlied „Tauet, Himmel, den Gerechten“ – allzu oft mit vermindertem Bewusstsein einfach drüber weg gesungen – zieht in seiner letzten Strophe hellsichtig die Konsequenz: Damit du, Gott, wie versprochen die Gestalt der Welt jetzt bald erneuern kannst und sie dann in neuer Herrlichkeit aufstrahlt, komm jetzt! Und hilf uns mitwirken und beitragen, so dass sich endlich erfüllt, was du uns zugesagt hast:

Komm, o Herr, hilf uns erfüllen,
was dein Wort uns kundgetan,
dass nach deines Vaters Willen
alles sich erneuern kann;
lass der Welt Gestalt vergehen,
lass sie neu in dir erstehen,
dass am Ende dieser Zeit
sie erstrahlt in Herrlichkeit.

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