Blogbeitrag

Grund, mich zu freuen?

12. Dezember 2024

Sonntagsbotschaft zum 15. Dezember 2024, dem 3. Adventssonntag (Lesejahr C).

Vielleicht geht es Ihnen ja auch so: Die Menge an schlechten Nachrichten will einen niederdrücken. Da muss ich manchmal meine Aufmerksamkeit bewusst und gezielt auf irgendeines der positiven Dinge richten, die es ja schließlich auch noch gibt! Wenn ich die nicht mehr wertschätzen und mich nicht mehr an ihnen freuen könnte, welchen Grund sollte ich dann haben, mich für eine Veränderung einzusetzen oder überhaupt leben zu wollen!

Da bin ich froh, dass die Botschaft der Bibel immer wieder Anstoß gibt, aufrechten Ganges und mit offenen Augen in die Zukunft zu gehen – was immer öfter „Resilienz“ genannt wird. Da geht es um mehr als um eine Idee oder einen „Wert“, mehr auch als nur um einen naiven oder verzweifelten Traum. Es ist ein „Du“ – das große, vertrauenswürdige DU – auf Gegenseitigkeit, das da begegnet, wo es willkommen ist.

Du hast kein Unheil mehr zu fürchten!

So höre ich an diesem Sonntag wieder.

Das Urteil gegen dich ist aufgehoben!

Du seist unbedeutend – oder nur eine Belastung für die anderen, das gilt nicht mehr! Und: Was oder wer auch immer

„deine Feinde“ sind,
sie müssen „umkehren“!

Im anderen Ohr meldet sich flüsternd nacheinander: „Fromme Illusion!“, „Verführung, die Hände in den Schoß zu legen!“, „Weltfremde Ablenkung, um sich selber zu entlasten!“

Die Stimme aus der Bibel fährt fort:

… in deiner Mitte … bin ich.
… Lass die Hände nicht sinken!
Der HERR, dein Gott, ist in deiner Mitte,
ein Held, der Rettung bringt. …

In meiner „Mitte“? in meinem „Herzen“? Ach so: „inmitten von euch, denen ich willkommen bin“? inmitten dieses „Volkes“, dessen „König“ Du bist? „Der HERR“? Rettung?

Und Jahrhunderte später, – hier: Minuten später – im Dialog mit der Christen-Gemeinde, bei der der Apostel um eben diese Haltung wirbt, die sich nun an der Person von Jesus, dem Christus, festmacht:

… Der Herr ist nahe.
Sorgt euch um nichts …
der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt,
wird euch in Christus Jesus bewahren.
(Philipper 4,4-7)

Was hat das alles mit Jesus zu tun?

Der Vers aus Lukas, mit dem die Gemeinde ihn selber im Wort des Evangeliums willkommen heißt, benennt es:

Der Geist des Herrn ruht auf mir.
Der Herr hat mich gesandt,
den Armen die Frohe Botschaft zu bringen.
(Lukas 4,18)

Bringt also in jeder Lage – und sei sie noch so unübersichtlich oder schlimm – erst einmal

… betend und flehend
eure Bitten mit Dank vor Gott!

Ihm könnt ihr euch anvertrauen. Das Weitere ergibt sich dann.

Und Johannes, der am Jordan alle aufruft, sich dazu zusammentaufen zu lassen, nennt als Grund dafür:

Ich taufe euch nur mit Wasser.
Er aber, der im Kommen ist, …
wird euch mit dem Heiligen Geist
und mit Feuer taufen.
(Lukas 3,10-18)

Das ist der Kern seines „Evangeliums“. Denn alle werden dann „das Heil Gottes schauen“ können; so hatte er davor gesagt. Hauptsache, sie sind empfangsbereit für Gottes rettendes Handeln – jetzt und hier! Lasst euch davon bestimmen!

Aber – weil ich das verstehen und anerkennen und ernst nehmen will, frage ich neugierig zurück: Wie kommen diese Menschen in der Bibel dazu, und wie kommen die, die das immer weiter überliefert haben, dazu, mich angesichts von Stress und Frust zu solcher Freude aufzufordern! Wie ist bei ihnen damals dieses Vertrauen gewachsen? Was für Erfahrungen haben sie gemacht, aus denen heraus sie jetzt mit Nachdruck unsereins zu solcher Perspektive anstecken wollen? „Freut euch! – Gaudete!“ So heißt ja dieser Sonntag immer noch bei vielen!

In Erwartung einer Antwort vergeht die Zeit.

Da saß ich zum Beispiel dieser Tage beim Mittagessen – wie immer ein selbst frisch zubereitetes Drei-Gänge-Menü und schon für die Augen schön angerichtet. Ich genoss gerade den Vorspeisensalat mit einem Avocado-Dressing. Vor dem trüben Tageslicht von draußen fiel mein Auge auf die Kerze, die ich auf dem Adventskranz angezündet hatte:

Ja, spürte ich in mir, alles das finster Erschreckende, wofür die kalten Dochte der noch nicht brennenden Kerzen stehen, ist enttäuschend real. Aber die ebenso real brennende Flamme führte mir das Wohltuende vor Augen: dieses leckere Essen, dessen Zutaten und Zubereitung mir möglich waren, was ich genutzt hatte. Und Gedanken hefteten sich an an froh machende Begegnungen in den letzten Tagen. Und beim Genießen des Hauptgangs – ein würziges Bohnengericht mit Basmati-Reis – tauchten im hell leuchtenden Licht der Kerzenflamme wertvolle Erinnerungen auf an so viele Erfahrungen, die ich in meinem Leben machen durfte, die mich die Spuren von Gottes unglaublich barmherziger Zuwendung erkennen lassen.

Der mich schon immer drängende Wunsch, solche beglückende Erfahrung von Gottes Nähe mit anderen zu teilen – die Bibel nennt es „bezeugen“ – , wurde mir wieder gegenwärtig.

Und zugleich das Wissen: Davon zu erzählen, hilft niemandem, um den herum aktuell alles finster ist. Zum „Bezeugen“ braucht es ja nach altem Recht mindestens zwei. Ja, die Spur des kommenden Gottes, der rettet, braucht ein „über-zeugendes“ Miteinander, dem ein Verzweifelnder sich anschließen kann.

Wie wichtig, einen dieser „leuchtenden“ Orte sehen zu können! Sie sind so selten!

Aber es gibt sie!

Unsere Hoffnung gewinnt das neue Land.
Es leuchtet schon im Regenbogen alle Welt.
Wir träumen die Schöpfung, die vollendet wird in dir,
weil du unser Gott bist.

(7. Strophe aus dem Lied „Unsere Hoffnung bezwingt die schwarze Angst“
Text: Alois Albrecht, Musik: Hans Florenz
Gesang aus dem Gottesdienst der Gemeinde Herz Jesu Frankfurt-Fechenheim am Karfreitag 2002)

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