Blogbeitrag

Szenenbild aus 'Parabel'

Follower

12. September 2024

Sonntagsbotschaft zum 15. September 2024, dem 24. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr B).

Unruhig geht es zu in diesen Tagen: Regierungsbildung in Sachsen und Thüringen, bevorstehende Wahl in Brandenburg, heißer Wahlkampf in USA, … Krisen weltweit um Gewalt und Klima und Unmenschlichkeiten noch und noch. Dazu die persönlichen Probleme.

Licht am Ende des Tunnels? Was ersehnen wir da, was „Licht“ wäre? Was wollen Menschen? Was will Gott? Was will ich?

Sich zu fragen, was sie da eigentlich wollen, haben sich viele schon abgewöhnt. Da sie das eh für Illusion halten, riskieren sie lieber erst gar nicht die kränkende Enttäuschung.

Gott nicht. Die Nachricht, mit der er eine neue Perspektive auch in alle diese unsere Zusammenhänge bringt, die also „Evangelium“ wird, lautet an diesem Sonntag so:

Jesus ging mit seinen Jüngern
in die Dörfer bei Cäsarea Philippi.
Auf dem Weg fragte er die Jünger:
Für wen halten mich die Menschen?
Sie sagten zu ihm:
Einige für Johannes den Täufer,
andere für Elija,
wieder andere
für sonst einen von den Propheten.
Da fragte er sie: Und ihr,
für wen haltet ihr mich?
Simon Petrus antwortete ihm:
Du bist der Christus!

„Der Christus.“ Welche Funktion, welchen Stellenwert, welchen Ort hat „der Christus“ in den heutigen Strukturen der Politik oder der Kirche oder in meiner Welt heute?

Doch er gebot ihnen,
niemandem etwas über ihn zu sagen.

Schleierhaft bleibt das. Warum sollen sie nicht einfach weitersagen, dass er „der Christus“ ist? Jedenfalls damals haben doch viele ihn ersehnt und erwartet: den verheißenen „Messias“-König, der endlich Gottes Herrschaft bringt!

Aber die Leute – damals wie in unserer Zeit – denken dabei ja gleich an einen Gottesstaat – christliches „Kalifat“ oder so. Und davon halten sie ja zum Glück nichts.

Da muss Jesus erst einmal bei seinen Anhängern, seinen Jüngern, den Christen damit anfangen, ihre Vorstellungen zu korrigieren. Also beginnt er, …

… sie darüber zu belehren:
Der Menschensohn muss vieles erleiden
und von den Ältesten,
den Hohepriestern und den Schriftgelehrten
verworfen werden;
er muss getötet werden …

Und so Gottes Herrschaft aufrichten?

… und nach drei Tagen auferstehen.

Ist das nach seiner Auferstehung hier eingefügt worden? Jesus, „der Christus“, ganz Mensch, mit dem Gottes Herrschaft beginnt – er verwirklicht seinen Lebensweg durch heftigste Konflikte hindurch. Bis zum Tod und ohne vorab von seiner Auferstehung zu wissen!

Unsereins allerdings liegt die Versuchung nahe zu sagen: „Wenn er hinterher aufersteht, ist ja alles halb so schlimm“.

Petrus allerdings, der mit „Auferstehung“ sowieso nichts anzufangen weiß, kann ihm da nur widersprechen!

… Da nahm ihn Petrus beiseite
und begann, ihn zurechtzuweisen.
Jesus aber wandte sich um,
sah seine Jünger an
und wies Petrus mit den Worten zurecht:
Tritt hinter mich, du Satan!
Denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will,
sondern was die Menschen wollen.

„Was Gott will“ und „was die Menschen wollen“. Der Unterschied liegt ja vielleicht vor allem in der Art und Weise, wie das erreicht werden soll – im Weg: Gott will nicht mit Gewalt ein noch so wertvolles humanes Miteinander durchsetzen. Mit Liebe wirbt er dafür, dass die Menschen das selber wollen und dann – sozusagen demokratisch – auch wirklich ein glückendes humanes Miteinander leben.

Wenn dann Menschen in Jesus „den Christus“ erkennen, der sich so hingibt, wird sein Geist die stärkstmögliche Überzeugungskraft ausstrahlen, aus der man dann nur noch anbetend sich mit ihm und seinem Tun identifizieren kann. So dass „sein Name“ wirklich „geheiligt wird“, sein Wille maximal geschieht und das Reich Gottes Gegenwart wird: ein gut gelingendes, glückendes Leben der Menschen – mit dem Wissen, dass Gott in seine geschenkte Vollendung hineinführt!

Und Jesus „weiß“: Er muss jetzt bis zur letzten Konsequenz Gottes Willen offenkundig machen – und, dass er dazu voll und ganz steht – mit seinem Leben! Damit die Menschen endlich sich darauf einlassen und die neue Welt beginnen kann!

Deswegen ruft er …

… die Volksmenge und seine Jünger zu sich
und sagt:
Wenn einer hinter mir hergehen will,
verleugne er sich selbst,

dann stelle auch er sein eigenes vitales „Interesse“ hinten an

nehme sein Kreuz auf sich   

mache sich das also zu eigen – Gottes Ziel eines glückenden menschlichen Lebens für alle –

und folge mir nach.

– im neuen Selbstverständnis gemeinsam mit Jesus.

Denn wer sein Leben retten will,
wird es verlieren;

Bei einem Festhalten am Vorrang des eigenen Interesses wird alles beim Alten bleiben!

wer aber sein Leben
um meinetwillen
und um des Evangeliums willen
verliert,
wird es retten.
(Markus 8,27-35)

– wird über sich selber hinaus sich als eins erfahren mit dem, der alle und alles rettet.

Als Christ sein Jünger sein? Das Wort „Jünger“, das griechische „μαθητής“ (mathetés), heißt „Lehrling, Schüler, Anhänger, …“, auf Neudeutsch „follower“. Ihm nachfolgen? Mit dieser Perspektive mein Leben „verlieren“ – und zugleich es „retten“??

Eine praktische Vorstellung, wie so etwas aussehen kann, illustriert der 20-minütige Film „Parable“ – „Parabel“, ein modernes Gleichnis – aus dem Jahre 1964. Fasziniert habe ich ihn 1970 oder 1971 kennengelernt – gemeinsam mit dem Ökumenischen Gesprächskreis Weizen in Südbaden bei einem Besuch in der Baptisten-Gemeinde Schaffhausen. Immer wieder habe ich den Film die Jahrzehnte hindurch in der Gemeindepastoral eingesetzt, was bei vielen anregende Eindrücke hinterlassen hat.

Hier von mir daraus, auf 3 Minuten eingedampft und kommentiert:

Die Welt – ein Zirkus. Gott mit uns?
Tägliche Maloche. Die Elefanten brauchen Wasser. Das muss er heranschleppen. Egal, ob er noch kann. Der Zirkus muss laufen!

An ihm arbeiten sie alle ihre Menschenverachtung ab. Mit dem kann man sich ja den Spaß erlauben.

Eingesperrt im Kasten. Den Schwertstößen muss sie geschickt ausweichen. Damit der Macker sich beweisen kann.

Lebende Marionetten. Und der Chef vom Zirkus zieht die Fäden, lässt die Puppen tanzen, macht sich einen Spaß draus.

Und mitten in dem Zirkus lebt ein Anderer, sieht ihr Elend. Nimmt es auf sich. Sie kommen frei und staunen. Er hört nicht auf. Gibt alles dafür.

Der Chef vom Zirkus – jetzt machtlos – steigt vom Thron, macht es ihm jetzt gleich. Das wird ein anderer Zirkus werden.

(Von Rainer Petrak geschnittene und kommentierte Film-„Zitate“ aus: 1964 The Protestant Council oft the City of New York, „Parable“ von Rolf Forsberg [1925-2017], amerikanischer Dramatiker. Der Film erhielt künstlerische Auszeichnungen bei seiner Premiere im protestantischen Pavillon auf der New Yorker Weltausstellung 1964. In den folgenden Jahren gewann „Parable“ zahlreiche Preise, darunter einen Goldenen Löwen von den Internationalen Filmfestspielen von Venedig, einen Hugo vom Internationalen Filmfestival in Chicago und ein Zitat aus Cannes.)

Hier können Sie meinen Beitrag weiter empfehlen: