Blogbeitrag

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größer als groß

19. September 2024

Sonntagsbotschaft zum 22. September 2024, dem 25. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr B).

Manche Lebensthemen ziehen sich durch die Jahrhunderte. Ihre Gestalt ändern sie, weil sie sich auf veränderte Situationen beziehen. Aber in ihrem Wesen sind sie zeitlos. Um ein solches Thema geht es an diesem Sonntag.

Mein Eindruck ist: Was ich vor drei Jahren zu diesem Abschnitt aus dem Markus-Evangelium verstanden und als „Sonntagsbotschaft“ hier mit Ihnen und euch geteilt habe, das ist heute genauso aktuell. Also bringe ich es hier noch einmal:

Manchmal sprechen wir anerkennend von der Größe eines Menschen. Andere Male belächeln wir, wie einer sich groß macht. „Großen“ Künstlern gilt unsere Bewunderung. Auf Abstand gehen wir, wenn jemand „groß“ sein will. Was heißt eigentlich „groß sein“?

Vielen Personen aus der Geschichte der Menschheit bis heute ist die anerkannte Eigenschaft „groß“ zum Namensbestandteil geworden:

Alexander der Große, im 4. Jahrhundert vor Christus Herrscher über ein Riesen-Imperium von Griechenland bis ins heutige Pakistan.

Gregor der Große, Papst.

Friedrich der Große, König von Preußen.

Katharina die Große, Kaiserin von Russland, eine der ganz wenigen Frauen, denen die rückblickende Geschichte dieses Attribut zuerkannt hat.

Menschen wurde auch schon zu Lebzeiten „Größe“ zugeschrieben. Zu Hitler sagte sein Generalfeldmarschall Keitel 1942: „Mein Führer, Sie sind der größte Feldherr aller Zeiten.“

Der Schwergewichts-Boxer Cassius Clay, später Muhammad Ali, brüstete sich 1964 vor dem Kampf mit seinem Herausforderer: „I am the greatest“. Möglicherweise hat er das taktisch-selbstironisch gesagt, um als harmlos-ungefährlicher Spinner dazustehen, vor dem sein Gegner im Kampf nicht auf der Hut sein müsste. Laut SPIEGEL soll er später als Dreifach-Weltmeister von sich gesagt haben: „Es ist schwer, bescheiden zu sein, wenn man so großartig ist wie ich.“

Donald Trump bezeichnete sich selber 2019 in einem Tweet als „greatest of all presidents“.

Immer wieder wollten und wollen Menschen gerne zu den „Größten“ gehören, ohne sich selber großspurig so zu bezeichnen:

Als Jürgen Dormann 1994 Vorstands-Chef der Hoechst AG wurde, wollte er erreichen, dass der Konzern auch auf dem US-Chemiemarkt zu den Größten gehörte. Um die dafür nötigen Milliarden aufzubringen, hat er in Deutschland eine Menge Arbeitsplätze „eingespart“ und wertvolle Teile des Konzerns verkauft wie etwa die Fechenheimer Kosmetik-Firma Jade. Was ihm von vielen gar nicht als „Größe“ anerkannt wurde.

Wen nennen Sie auf die Frage nach den größten Menschen in der Geschichte oder in Ihrem Leben, von denen Sie gelesen oder die Sie selber erlebt haben? Vielleicht Mahatma Gandhi? Johann Sebastian Bach? Bartolomé de las Casas? Oscar Romero? Maximilian Kolbe? … Oder Ihre eigene Mutter? … Ich gestehe, ich freue mich immer noch über das Bärchen mit der Aufschrift „Opa ist der Beste“.

Was die „Größe“ eines Menschen ausmacht, war schon immer ein umstrittenes Thema. Der Bundestags-Wahlkampf, der jetzt in seine letzten Tage geht, zeigt die Vielfalt der Menschenbilder auf.

Jesus zeigt seine Größe darin, dass er sein eigenes Leben selbstlos investiert. Sein Ziel: Allen Menschen, auch den für am geringsten erachteten, soll endlich die wahre Größe ihrer ihnen eigenen Menschenwürde anerkannt werden. Seine Anhänger haben sich von Anfang an damit schwergetan. Auch die auf dem gemeinsamen Weg mit ihm. Davon spricht der Abschnitt aus dem Markus-Evangelium, der an diesem Sonntag für uns zur wegweisenden Botschaft werden will:

Jesus und seine Jünger
zogen durch Galiläa.
Jesus wollte aber nicht,
dass jemand davon erfuhr;
denn er belehrte seine Jünger
und sagte zu ihnen:
Der Menschensohn
wird in die Hände von Menschen ausgeliefert
und sie werden ihn töten;
doch drei Tage nach seinem Tod
wird er auferstehen.
Aber sie verstanden das Wort nicht,
fürchteten sich jedoch, ihn zu fragen.
Sie kamen nach Kafarnaum.
Als er dann im Haus war,
fragte er sie:
Worüber habt ihr unterwegs gesprochen?
Sie schwiegen,
denn sie hatten auf dem Weg
miteinander darüber gesprochen,
wer der Größte sei.
Da setzte er sich, rief die Zwölf
und sagte zu ihnen:
Wer der Erste sein will,
soll der Letzte von allen
und der Diener aller sein.

Wer der Erste sein will, – so wie ich, dem ihr doch nachfolgt, – soll der Letzte von allen und der Diener aller sein.

Er will ihnen zum Beispiel werden. Sie haben immer wieder erlebt, wie er sich Menschen zuwendet und worauf er hinaus will mit all seinen Worten und Taten in der Öffentlichkeit: Da besteht immer sein Interesse darin, dass er dem Leben der Menschen dient.

In seinen letzten Tagen setzt er bei seinen Anhängern zum Endspurt an. Am letzten Abend mit ihnen sagt er: „Begreift ihr?“ Wenn doch die, die an ihn glauben, begreifen würden, dass er das Muster schlechthin ist für ein glückendes, gelingendes Leben aller Menschen! Denn dann werden sie ihre Freude daran haben, in ihrem Miteinander das zu leben, was er meint mit seinen Worten der Bergpredigt: „Selig seid ihr, …“

Aber sie sind noch alle auf dem Weg. Wir sind noch auf dem Weg. Noch können wir dazulernen, unsere Persönlichkeit wie auch unsere Politik weiterbilden, unsere Humanität weiterentwickeln, uns selber und das Miteinander mit allen verändern. Da sind wir eigentlich in der gleichen Situation wie die Jünger damals, die mit Jesus auf dem Weg waren.

Er ist der „Erste“, der Herr und Meister darin, dem Leben aller Menschen zu dienen – noch mehr als ein Sklave: Er sogar, auch wenn es ihn das Leben kostet! Er wirbt um ihre Stimme, kämpft um ihr Herz. Werden sie ihn wählen?

Er wäscht ihnen die Füße. „Begreift ihr?“ Sie erkennen in ihm Gott selber. Den Größten! Und er macht sich zum Kleinsten. Damit sie ihre eigene Größe erkennen und nicht mehr darum kämpfen müssen.

Aber so bringt er sie ganz schön durcheinander. Der Erste, Größte, Beste sein wollen – oder müssen – alles Quatsch? Wettbewerb, Konkurrenz – der größte Quatsch?

Aber das sitzt doch ganz tief in uns drinnen – nicht nur in Sport und Marktwirtschaft!

Brutale Machtkämpfe in allen Lebensbereichen entstehen daraus!

Jesus macht den Menschen nicht streitig, „Erste“ sein zu wollen. Aufrüttelnd ist sein Wort für eine Neuorientierung der Aufmerksamkeit, worin wir Erste, Größte, Beste werden wollen; wonach unser ganzes Streben sich ausrichtet in unserm Denken, Fühlen, Reden, Handeln:

Wer der Erste sein will,
soll der Letzte von allen
und der Diener aller sein.
(Markus 9,30-37)

An ihm selber, dem Muster, dem Beispiel, wird deutlich, wie riskant und konfliktreich eine solche Erneuerung ist. Eine wahrhaft große Transformation aller Lebenskultur hin zur Freude an echter Menschlichkeit!

Und wer als Initiator und Energiequelle für diesen Kurswechsel Gott erkennt, den Schöpfer des Universums, für den wird das alles zum Zeichen und transparent auf eine Vollendung hin, in die Jesus im Namen dieses Gottes führt: Da wandelt sich Ausgrenzung in Zugehörigkeit, Lähmung in Beweglichkeit, Demütigung in Anerkennung, Erniedrigung in Erhöhung, Tod in Leben!

Dein Wille geschehe! Nicht erst im Himmel – bitte schön, jetzt schon, auf dieser Erde!

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