Blogbeitrag

Arnafjord Schafe mit Hirt (2007)

Hirten, die sie weiden

18. Juli 2024

Sonntagsbotschaft zum 21. Juli 2024, dem 16. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr B).

Weh den Hirten,
die die Schafe meiner Weide
zugrunde richten und zerstreuen!
Spruch des HERRN.

Gott ist zornig. Er leidet mit den „Schafen auf seiner Weide“.

Mit diesem Bild aus einer landwirtschaftlich geprägten Gesellschaft – das spricht das Wort des Propheten ausdrücklich und unmissverständlich aus – ist das Volk gemeint, dem Gott versprochen hatte, bestens für es zu sorgen. Und denen, die das Volk in seinem Auftrag führen sollten, gilt jetzt sein Zorn.

Den Lebensraum, den Gott ihnen bereitgestellt hat, sollten die Menschen gut nutzen und sich darin gut entfalten können. Aber die Verantwortlichen, die sie fördern und schützen sollten, sind nicht nur ihrer Verantwortung nicht nachgekommen, sondern haben aktiv gegen ihre Aufgabe verstoßen!

… Ihr habt meine Schafe
zerstreut und sie versprengt
und habt euch nicht um sie gekümmert.

Stattdessen müssen sie sich fürchten und ängstigen. Es fehlt ihnen an „Sicherheit“, an „Recht und Gerechtigkeit“. Sie werden auseinandergetrieben und „gehen verloren“ (vgl. Vers 4 bis 6).

Konkret aufgezählt hat Jeremia davor eine ganze Reihe von Missständen, gegen die die Verantwortlichen nichts unternommen, ja die sie selber neu verursacht haben:

Den Menschen, die mit Gewalt ausgeplündert wurden, haben sie nicht zu Recht Gerechtigkeit verholfen. Sie haben Fremde, Waisen und Witwen bedrängt und misshandelt, Unschuldige umgebracht. (22,3) Stattliche Paläste haben sie sich gebaut (V. 14), den Arbeitern aber ihren Lohn nicht ausgezahlt. (V. 13) Nur auf ihren eigenen Vorteil schauen sie und gehen mit Bedrückung, Erpressung und Blutvergießen vor. (V. 17) Ihnen haben dann auch noch am Tempel ruchlose Propheten und Priester frevlerisch Bestätigung für solche Bosheit gegeben (23,11): Gott werde keinesfalls deshalb Unheil über sie bringen, sondern das Heil sei ihnen sicher. (23,17)

Und warum sollen wir uns das heute anhören? Was hat das mit uns zu tun?

Die einen sind sehr daran interessiert zu betonen, dass wir in unserer Zeit längst hinausgewachsen seien über derlei Unrecht und Unmenschlichkeit.

Andere allerdings sind da der ganz anderen Meinung, auch heute und wieder zunehmend gehen Reiche und Mächtige mit Fokus aufs eigene Interesse auch über Leichen.

„Blutschuld“ nennt es die Bibel. Auschwitz haben wir hinter uns gelassen. Manchen reicht das. Aber – durchaus mit Kenntnis der Zusammenhänge – nehmen wir in Kauf Scharen von Toten, weil andere – ums Verrecken – nicht langsamer fahren wollen; Massen von verhungernden Kindern weltweit; Massen von Flüchtenden, die „bleiben sollen, wo sie herkommen“; immer perfekter umgebrachte Kriegstote; in der zunehmenden Hitze umkommende Junge und Alte und immer mehr Opfer sogenannter Naturkatastrophen; ganz zu schweigen von den Millionen gedemütigter und um ihre Würde gebrachter Menschen. …

Jeremia, der Prophet, dessen Stimme und Botschaft heute weltweit in den Gottesdiensten zu hören ist, legt seine Finger in die vielen Wunden des Volkes, die seine Führenden zu verantworten haben. Natürlich wird er dafür aus dem Verkehr gezogen. Aber er kann einfach nicht anders.

Und natürlich bleibt der Gott, von dem er sich dazu beauftragt weiß, nicht dabei stehen, das Unrecht nur anzuprangern. Gegen alle Widerstände kündigt Jeremia an, was Gott jetzt vorhat:

… Jetzt kümmere ich mich … –
Spruch des HERRN.
Ich selbst … sammle den Rest meiner Schafe …
Ich bringe sie zur
ück auf ihre Weide …
Ich werde f
ür sie Hirten erwecken,
die sie weiden,
und sie werden sich nicht mehr f
ürchten und ängstigen
und nicht mehr verloren gehen –
Spruch des HERRN. …
Tage kommen – Spruch des HERRN -,
da werde ich f
ür David
einen gerechten Spross erwecken.
Er wird als König herrschen
und weise handeln
und Recht und Gerechtigkeit üben im Land.
In seinen Tagen wird Juda gerettet werden,
Israel kann in Sicherheit wohnen.
Man wird ihm den Namen geben:
Der HERR ist unsere Gerechtigkeit.
(Jeremia 23,1-6)

Das Prophetenwort mündet ein in ein scharfes Wortspiel: Der damals aktuelle König heißt Zidkija – übersetzt: „der HERR ist meine Gerechtigkeit“. Und „Der HERR ist unsere Gerechtigkeit“ ist der Name des verheißenen Königs. Zidkija wird also ersetzt werden durch den „gerechten Spross aus dem Haus David“. Dann wird das Volk endlich in Sicherheit leben können und Recht und Gerechtigkeit wird bei ihnen herrschen!

Aber wie lange muss das Volk warten!

600 Jahre später machen sie mit Jesus Erfahrungen, die sie zu dem Bekenntnis veranlassen: Er ist es! Er ist der verheißene Spross aus dem Haus David!

Das Evangelium des Markus bezeugt an diesem Sonntag diese Erfahrung:

Jesus hatte „die Zwölf“ – jeweils zu zweit – in die umliegenden Ortschaften geschickt, damit sie den Menschen erste Erfahrungen mit dem „Reich Gottes“ vermittelten. Jetzt kommen sie zurück und berichten.

Die Apostel versammelten sich wieder bei Jesus
und berichteten ihm alles,
was sie getan und gelehrt hatten.
Da sagte er zu ihnen:
Kommt mit an einen einsamen Ort,
wo wir allein sind,
und ruht ein wenig aus!
Denn sie fanden nicht einmal Zeit zum Essen,
so zahlreich waren die Leute,
die kamen und gingen.
Sie fuhren also mit dem Boot
in eine einsame Gegend,
um allein zu sein.
Aber man sah sie abfahren
und viele erfuhren davon;
sie liefen zu Fuß
aus allen Städten dorthin
und kamen noch vor ihnen an.
Als er ausstieg,
sah er die vielen Menschen
und hatte Mitleid mit ihnen;
denn sie waren wie Schafe,
die keinen Hirten haben. …
(Markus 6,30-34)

Und jetzt hängen sie ihm an den Fersen – ihm und seinen Leuten. Sie merken: Da kümmert sich einer. Und er hat einen ganzen Stab von Mit-Kümmerern. Sind das endlich die versprochenen „Hirten, die sie weiden“?

Und wieder 2000 Jahre später trifft das Wort dieser Botschaft auf unsere Ohren. Das „Wort“ von Gott, das „Fleisch und Blut“ annehmen will in unserer Mitte …

Der HERR ist mein Hirte,
nichts wird mir fehlen.
Er lässt mich lagern auf grünen Auen
und führt mich zum Ruheplatz am Wasser.
Er stillt mein Verlangen.
Er leitet mich auf rechten Pfaden,
treu seinem Namen.
Muss ich auch wandern in finsterer Schlucht,
ich f
ürchte kein Unheil;
denn du bist bei mir,
dein Stock und dein Stab
geben mir Zuversicht.
Du deckst mir den Tisch
vor den Augen meiner Feinde.
Du salbst mein Haupt mit
Öl,
du füllst mir reichlich den Becher.
Lauter G
üte und Huld
werden mir folgen mein Leben lang
und im Haus des Herrn
darf ich wohnen für lange Zeit.
(Psalm 23)

Hier können Sie meinen Beitrag weiter empfehlen: