Blogbeitrag

Rast (2023)

Ich lebe!

15. August 2024

Sonntagsbotschaft zum 18. August 2024, dem 20. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr B).

Am Ende eines dieser Tage mal wieder – alles andere beendet und abgeschaltet – fuhr aus mir der Ruf „Ich lebe!“

Kennst du das? Kannst du das nachfühlen?

Nach einem Moment des Wohlgefühls habe ich mich gefragt: Was ist das denn? Wie kommt es?

In aller Ruhe habe ich mich dieser Frage gestellt – gelassen und dankbar.

Das 6. Kapitel des Johannes-Evangeliums, das mich – gemeinsam mit der Kirche – in diesen Wochen beschäftigt, löste dazu seine Echos in mir aus: Die vielen Fragen um Jesus standen mir im Raum, die Fragen um meine oder unsere Beziehung zu ihm auf dem Weg in eine gelingende Zukunft. Und dazu das gute Bewusstsein „Ich lebe!“ – jetzt und hier.

Da öffnet sich mir die Frage „Und morgen? – Und die Anderen? – Und das Ganze?“

Ich höre hin, was der Evangelist weiter von Jesus verstanden hat und was er mit mir und mit uns teilen will.

In jener Zeit sprach Jesus zu der Menge:
Ich bin das lebendige Brot, …

„Brot“ – was heißt das denn hier? Er ist ja nicht ein Laib Brot, der auf dem Tisch liegt, eine Scheibe Brot auf meinem Brettchen oder ein Brötchen, das man isst, kaut, verdaut …

Sondern? „Brot“ in welchem Sinn?

Alltäglich betrachtet, ist „Brot“ ein Lebensmittel, gebackener Teig aus gemahlenem Getreide – je nach Kulturkreis in sehr unterschiedlicher äußerer Form. In vielen Kulturen ist Brot Grundnahrungsmittel mit hohem Stellenwert, individuell wie politisch. Weil es ein notwendiges Mittel zum Leben ist.

Manchmal bezeichnet man mit dem Wort „Brot“ exemplarisch alles, wonach Menschen begehren gegen den physischen Hunger; was sie zum Überleben brauchen.

Und im Bewusstsein, dass der Mensch nicht nur etwas zum Essen braucht, ist „Brot“ manchmal auch Inbegriff von all dem, was Menschen zu einem sinnvollen, erfüllten, gelingenden Leben brauchen.

Ich bin das lebendige Brot,
das vom Himmel herabgekommen ist.

Was ist „lebendiges“ Brot? Belebendes? Mehr! Das Leben selber?

Und „vom Himmel“?

Jedenfalls nicht aus irdischem Ursprung! Von „anderer“ Art: auf der Erde bisher unbekannt, neu, fremd; unbegrenzt, gut, vollkommen, „heilig“, … Von Gott kommend? Von ihm gewollt, geschickt, gegeben?

Wer von diesem Brot isst, …

„Essen“ kann ja hier nur im übertragenen Sinn gemeint sein – aber betont konkret mit allem, wie das geht: essen, kauen, verschlingen, schlucken, verdauen. „Essen“: in den eigenen Stoffwechsel aufnehmen und darüber hinaus, das alles umfassend, in den ganzheitlich gemeinten Organismus, in die ganze Person, was ihr „Leben“ nährt, speist, voranbringt!

Wer mich so in sich aufnimmt, höre ich Jesus sagen; wer mich so hineinnimmt in sein Denken und Urteilen, in die eigene Art, Wirklichkeit wahrzunehmen und sie mit offenem Ohr und offenem Herzen in wertende Zusammenhänge bringt; wem ich Motor, Getriebe und Treibstoff werden kann; wer mich sich aneignet, zu einem Aspekt von sich selber macht, sich mit mir vereinigt, eins macht, …

Wer von diesem Brot isst,
wird in Ewigkeit leben.

… in dem werde ich mich als das Leben selber erweisen, das jemand in sich aufnimmt: als „lebendiges“ Brot. Das speist das Leben in eine umfassendere Dimension hinein: in die „Ewigkeit“.

Seine zentrale Aussage über das menschliche Leben und seine Möglichkeiten.

Er weiß natürlich: Das klingt in normal herangewachsenen menschlichen Ohren als weltferne Ideologie samt der dazugehörigen Gefahr eines Missbrauchs für bezwingende Machtansprüche.

Aber deswegen ist es ja so wichtig, dass er das Ganze mit dem Essen von Brot vergleicht: Der Mensch isst ja nicht, weil eine unterdrückerische Macht ihn dazu zwingt! Und „Brot“ ist die Chance schlechthin, das Leben zu speisen!

Nun soll aber Jesus nicht in die Schublade eines Möchtegern-Herrschers irdischer Art gesteckt werden. Das, was Jesus mit seinem ganzen Leben als Gottes „Zeichen“ für die Menschheit deutlich gemacht hat, bringt der Evangelist Johannes deshalb in den Zusammenhang mit all dem, was Menschen real mit Jesus erlebt haben. Da sagt Jesus:

Das Brot, das ich geben werde,
ist mein Fleisch
für das Leben der Welt.

Was sagt Jesus da: „Ich werde mein Fleisch geben“ – und das wird sich als „Brot“ erweisen?

Im Zusammenhang des ganzen 6. Kapitels im Johannes-Evangelium und im Zusammenhang mit dem gesamten Lebensweg von Jesus wird deutlich: Was Jesus „gibt“, was sich als „Brot“ erweisen wird, das ist er selber.

„Geben“ – dieses Alltagswort – steht hier für eine ganze Lebenshaltung: „Hin-Gabe“. Alles was er tut und sagt, „gibt“ er von sich für die Menschen, denen er begegnen kann. Mit Herzblut und aller Kraft setzt er sein ganzes Leben ein, damit Menschen leben und aufleben und bleibend leben – mit allen Chancen, mit denen der Schöpfer das Leben gemeint hat. Gegen alle Kräfte, die dieses Leben der Menschen zutiefst verletzen, kämpft er mit einer Zuwendung, die Gottes Liebe zeigt und die Menschheit aufrichtet.

Heftigste Auseinandersetzungen nimmt er dabei auf sich. Voller Hingabe. Nicht nur Anerkennung und Wertschätzung gibt er auf, sondern sein physisches Leben gibt er dafür hin. So zeigt sich den Menschen konkret „das Brot vom Himmel“.

Wer sich aber dieser göttlichen Menschenliebe gegenüber verschließt und auf der Seite anderer in der Welt herrschender Kräfte steht, verdreht solche Worte und ihre Bedeutung:

Da stritten sich die Juden
und sagten:
Wie kann er uns sein Fleisch zu essen geben?

Sie wollen ihn missverstehen: Kannibalismus! Das wirkt grotesk, absurd. Werden sie die Lacher auf ihrer Seite haben?

Jesus, mit dem Risiko, noch mehr Ablehnung zu provozieren, spitzt seine Aussage zu:

Jesus sagte zu ihnen:
Amen, amen, ich sage euch:
Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esst
und sein Blut nicht trinkt,
habt ihr das Leben nicht in euch.

Noch schlimmer: „sein Blut trinken“ – ein Tabu-Bruch! Das Blut – von Mensch und Tier – gilt als Sitz des – von Gott gegebenen – Lebens. Deshalb muss ja auch bis heute im jüdischen wie im muslimischen Brauchtum, wenn Fleisch von einem Tier gegessen wird, beim Töten des Tieres das Fleisch vollständig ausbluten. Frevelhaftes Töten von Menschen wird in unserer Sprache bis heute als „Blutvergießen“ bezeichnet. Blut trinken ist auch bei uns ein Tabu.

Weder Jesus noch dem Evangelisten Johannes geht es um das Tabu. Wenn vom „Blut“ von Jesus die Rede ist, geht es immer um sein am Kreuz vergossenes Blut, um sein „Herzblut“ für den Menschen, um das sie ihn von Anfang an bringen wollten. Es geht um seine „mit Fleisch und Blut“ liebende Hingabe: Sie für sich selber anerkennen und annehmen heißt „leben“.

Wer mein Fleisch isst
und mein Blut trinkt,
hat das ewige Leben
und ich werde ihn auferwecken
am Jüngsten Tag.
… mein Fleisch ist wahrhaft eine Speise
… mein Blut … wahrhaft ein Trank.
Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt,
der bleibt in mir und ich bleibe in ihm.
Wie mich der lebendige Vater gesandt hat
und wie ich durch den Vater lebe,
so wird jeder, der mich isst,
durch mich leben. …
(Johannes 6,51-58)

Ihn ins eigene Leben und in die eigene Welt aufnehmen durch einen Vorgang, der mit Essen und Trinken in Verbindung gebracht wird und mit der Freude an neuem Leben – und zwar im Miteinander derer, die sich das sagen lassen – das stellt das Bild vor Augen, das die Bibel immer wieder malt, wenn es um Gottes Absichten mit den Menschen geht – Gottes Reich, Gottes Ewigkeit, neue Welt, …: das große Festmahl!

Die Weisheit hat ihr Haus gebaut,
ihre sieben Säulen behauen.
Sie hat ihr Vieh geschlachtet,
ihren Wein gemischt
und schon ihren Tisch gedeckt.
Sie hat ihre M
ägde ausgesandt
und l
ädt ein auf der Höhe der Stadtburg:
Wer unerfahren ist,
kehre hier ein.
Zum Unwissenden sagt sie:
Kommt, esst von meinem Mahl
und trinkt vom Wein, den ich mischte!
Lasst ab von der Torheit,
dann bleibt ihr am Leben
und geht auf dem Weg der Einsicht!
(Sprichwörter 9,1-6)

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