Blogbeitrag

Bild von Stefan Schweihofer auf Pixabay construction-site-2504274

Lebenshaus für alle

27. Februar 2025

Sonntagsbotschaft zum 2. März 2025, dem 8. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr C) – Sonntag nach der Bundestagswahl. 

Ein neues Parlament wählen oder eine neue Regierung bilden – das war natürlich nicht die Situation, von der das Evangelium dieses Sonntags ursprünglich erzählt. Aber auch da geht es um die Vertrauensfrage: Wem übertragen wir die Führungsrolle auf dem Weg aus all diesem Schlamassel in eine bessere und taugliche Zukunft?

Was Jesus da sagt, scheint ihm besonders wichtig zu sein. Eine ganze Nacht hatte er sich auf einen Berg zurückgezogen und im Gebet sich dafür Klarheit und Orientierung geholt. Als es Tag wurde, so erzählt das Lukas-Evangelium, rief er seine Jünger zu sich und ging mit ihnen hinunter in die Ebene. Viele Menschen aus der ganzen Umgebung waren gekommen, um ihn zu hören, so heißt es.

Aus all dem, was Jesus da gesagt hat, war an den letzten beiden Sonntagen zu hören, welche menschenfreundliche und selbstbewusste Haltung sie nach seiner Meinung anstreben sollten, wenn das Miteinander gelingen soll.

Daran schließt er einige Impulse an, worauf sie achten müssen bei der Frage, wem sie vertrauen, sie dabei anzuführen. Er selber hatte unmittelbar davor – noch auf dem Berg – zwölf seiner Jünger als Apostel gewählt. Jetzt spricht er zu den vielen, die ihm zuhören. Vielleicht um keinem auf die Füße zu treten, nennt er weder Personen noch Parteien mit Namen, sondern spricht in allgemein einleuchtenden Bildern, in „Gleichnissen“, wie es heißt:

Kann etwa ein Blinder
einen Blinden führen?
Werden nicht beide in eine Grube fallen?

Auch in den Debatten der letzten Wochen waren öfter Worte zu hören wie „Nehmen Sie endlich die Wirklichkeit zur Kenntnis!“, „Völlig weltfremder Blick auf die Realitäten!“, „In welcher Welt leben Sie eigentlich?!“ …

Der Vorwurf der „Blindheit“ beansprucht Respekt, weil er ja anscheinend verhindert, dass alle in den Abgrund fallen. Das erspart die Auseinandersetzung mit dem für „blind“ Erklärten.

Worauf will Jesus mit seinem Bildwort hinaus?

Er warnt vor einem Missbrauch des Befundes „blind“ und lenkt damit den Blick auf die Wirklichkeiten, die die Menschlichkeit wirklich bedrohen oder – wie nicht nur Zig-Tausende Demonstranten auch heute fürchten – die Demokratie bedrohen.

Und was sagt Jesus als nächstes?

Ein Jünger
steht nicht
über dem Meister;
jeder aber, der alles gelernt hat,
wird wie sein Meister sein.

Bis vor kurzem musste auch bei uns, wer einen Handwerksbetrieb führen will, seinen „Meister“ nachweisen. Die Lockerung dieser Regel geht davon aus, dass auch Menschen ohne den verbrieften Nachweis geeignete Führungsqualitäten entwickelt haben können, und lässt entsprechende Ausnahmen zu.

In einem Miteinander, das einen entsprechenden Vorsprung an Führungsfähigkeiten erweisen will oder muss, können allerdings menschliche Rivalitäten und Kränkungen aufkommen, die Sand ins Getriebe bringen.

Jesus erinnert, dass es Unterschiede gibt. Wenn ein gemeinschaftliches Unternehmen gelingen soll, ist es eben hilfreich, wenn nicht menschliche Animositäten oder Durchsetzungswille über die Führung entscheiden, sondern bessere Fähigkeiten von bestimmten Personen anerkannt und zugetraut werden. Für die Zukunft kann jeder Konkurrent sich ja zum „Meister“ weiterentwickeln.

Sein nächstes Wort:

Warum siehst du den Splitter
im Auge deines Bruders,
aber den Balken in deinem eigenen Auge
bemerkst du nicht?
Wie kannst du zu deinem Bruder sagen:
Bruder, lass mich den Splitter
aus deinem Auge herausziehen!,
w
ährend du selber
den Balken in deinem Auge nicht siehst?
Du Heuchler!
Zieh zuerst den Balken aus deinem Auge;
dann kannst du zusehen,
den Splitter aus dem Auge deines Bruders herauszuziehen.

Gibt es sowas? Und was sagt das Bild eigentlich genau?

Was macht ein „Splitter“ im Auge? Gemeint ist wahrscheinlich ein Holzsplitter, jedenfalls irgendein Fremdkörper, der Schmerzen bereitet und das Hinschauen auf die Realitäten behindert. Meine Aufmerksamkeit wird sich darauf konzentrieren, wie ich den Splitter aus meinem Auge wieder loswerden kann. Bis das gelingt, habe ich kein Auge für irgendetwas.

Wenn ein anderer merkt, dass ein solcher Splitter meine Wahrnehmung durcheinanderbringt, wird er sich vielleicht bemühen, mir mit guten Ideen zu helfen, oder er wird mich aus dem Verkehr begleiten oder mir beim genaueren Lokalisieren des Splitters beistehen.

Mit der Vorstellung, dieser „Helfer“ könnte dabei den Fremdkörper in der Größe eines „Balkens“ übersehen, der ihm im eigenen Auge steckt, sprengt Jesus offensichtlich gewollt grotesk den Rahmen aller realen Möglichkeiten. Wer so tut, muss als „Heuchler“ offengelegt werden!

In die Ebene der Realität übersetzt, heißt dann sein „Gleichnis“: Wie kannst du dir anmaßen, einen anderen unter dem Vorwand der „Ersten Hilfe“ aus dem Verkehr zu ziehen, obwohl du selber noch viel schlimmer daran gehindert bist, eine Wirklichkeit zu sehen! „Du Heuchler!“

Und ein weiteres der Bildworte, die von Jesus überliefert wurden, fügt der Evangelist Lukas hier an:

Es gibt keinen guten Baum,
der schlechte Früchte bringt,
noch einen schlechten Baum,
der gute Früchte bringt.
Denn jeden Baum
erkennt man an seinen Fr
üchten:
Von den Disteln
pfl
ückt man keine Feigen
und vom Dornstrauch
erntet man keine Trauben.

Er selber übersetzt das Bild:

Der gute Mensch
bringt aus dem guten Schatz seines Herzens
das Gute hervor
und der b
öse Mensch
bringt aus dem b
ösen das Böse hervor.
Denn wovon das Herz überfließt,
davon spricht sein Mund.

(Lukas 6,39-45)

Nun sind ja Disteln und Dornsträucher nicht „schlecht“ und ihre Früchte nicht „böse“. Eine solche Beurteilung hängt davon ab, inwieweit sie einer bestimmten Absicht dienen, hier: ob man sie gut essen kann. In der Übersetzung in die Sachebene geht es um die Frage, wie gut oder wie schlecht sich jemand eignet, eine Führungsrolle im Gemeinwesen zu übernehmen.

Im Schlussabschnitt der Rede, der sich in der Bibel hier anschließt, im Gottesdienst aber bereits weggelassen ist, sagt Jesus noch ein Wort, mit dem er vielleicht auf den Punkt bringen will, worauf es ihm mit den verschiedenen Einzelbildern ankommt:

Was sagt ihr zu mir: Herr! Herr!
und tut nicht, was ich sage?

Und er schließt – noch einmal mit einem Bildwort – , indem er an den Grund erinnert, warum das alles so wichtig ist:

Ich will euch zeigen,
wem ein Mensch gleicht,
der zu mir kommt und meine Worte hört
und danach handelt.
Er gleicht einem Mann,
der ein Haus baute
und dabei die Erde tief aushob
und das Fundament
auf einen Felsen stellte.
Als ein Hochwasser kam
und die Flutwelle
gegen jenes Haus prallte,
konnte sie es nicht ersch
üttern,
weil es gut gebaut war.
Wer aber h
ört und nicht danach handelt,
gleicht einem Mann,
der ein Haus
ohne Fundament auf die Erde baute.
Die Flutwelle prallte dagegen
und sofort st
ürzte es ein;
und der Einsturz jenes Hauses
war gewaltig.
(Lukas 6,46-49)

Das Haus des gut geführten Lebens. Das Haus der gut geführten Demokratie.

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