Sonntagsbotschaft zum 5. Januar 2025, dem 2. Sonntag der Weihnachtszeit.
Vielleicht waren Sie an Weihnachten in der Kirche.
Aus der Bibel gibt es da meistens die Erzählung aus dem Lukas-Evangelium zu hören – die Geschichte um die Geburt des Jesus-Kindes in Betlehem.
Weniger vertraut – auch den meisten Christen – ist ein anderer Text, der zwar ganz andere Motive bringt, aber die gleiche Botschaft zum Inhalt hat: die erlösend-rettende Befreiung, die mit Jesus in die Welt von uns Menschen kommt – als Geschenk des Himmels.
An Stelle der Gefühligkeit, mit der wir uns das Hören der Erzählung aus dem Lukas-Evangelium angewöhnt haben, spricht das Weihnachts-Evangelium nach Johannes, das für die Feiern am Weihnachts-Tag vorgesehen ist, in einer anderen Weise an.
Manche empfinden es als anstrengend oder als „kopf“-zentriert. Mir allerdings begegnet dieser Text, mit dem ja Johannes seine Evangeliums-Schrift überhaupt beginnt, auf einer ganz anderen Ebene: Da erlebe ich mich ganz frei von den in unserer Gesellschaft überhandnehmenden pseudo-weihnachtlichen Konsumzwängen, die sich als unterhaltsam anbieten oder aufdrängen.
Wenn ich mir wirklich die Zeit gönne, einfach ich selber und da zu sein im Vertrauen darauf, Gott zu begegnen, dann eröffnet sich mir mit diesem sogenannten „Johannes-Prolog“ eine neue Dimension:
„Aufmerksam“ bin ich da weniger im Sinne einer „Geistes“-Gegenwart; eher in der Weise, selber ganz gegenwärtig zu sein – vergleichbar vielleicht mit der Haltung, in der ich mich dem Hören einer starken Musik hingebe oder auch mich vertrauend öffne für einen lyrischen Text samt dem, was in ihm zwischen den Worten und den Zeilen zu mir rüberkommen will.
Die wissenschaftlichen Bibelausleger ordnen den Johannes-Prolog seiner Text-Form nach als „Hymnus“ ein, als liturgischen Lobgesang, dessen knappe inhaltliche Aussage dann im gesamten Evangelium des Johannes nachvollziehbar ausgefaltet und rational begründet wird.
Festliche Weihnachtsliturgie auch unserer Zeit verkündet daher diesen Hymnus gerne singend und regt damit an, ihn ganz elementar menschlich im eigenen Bewusstsein ankommen zu lassen, so dass er alles Mögliche in mir auslösen kann:
Im Anfang war das Wort …
„Im Anfang“ eines jeden Weges, der wichtig wird, schöpferisch, erfolgreich … – auch im Anfang eines Weges, der aufbaut für eine demokratische Wahl und Regierungsbildung …
„das Wort“ – Sinn und Ziel dieses Weges; das Wesentliche dabei; die Logik, worauf es ankommt – in der Sicht dessen, der es ausspricht, die er damit rüberbringen will …
Im Anfang das Wort, mit dem jemand benennt, was die Wesensart eines Geschehens oder eines Gegenstandes sei …
Etwa wenn ich einen Baum als „Eiche“ bestimme … oder wenn ich ein Lebewesen als „Mensch“ bestimme … wenn ich etwas aus Holz Gestaltetes als „Tisch“ bestimme oder als „Stuhl“ …
Dann hat das Folgen daraufhin, wie ich mich und meine Umwelt dazu in Beziehung setze und wie ich mich in Beziehung dazu verhalte …
Ich denke an den Kampf von Bartolomé de las Casas bei König Karl V. um die Anerkennung der Indigenen im neu entdeckten Amerika als Menschen, die daher nicht als Dinge oder wie Tiere behandelt werden dürfen! …
Am Anfang aller weiteren Planungen und Entscheidungen und Aktivitäten gibt „das Wort“ das Maß.
Und wenn nun dieser Johannes-Prolog, dieser Hymnus – sozusagen als Überschrift am Anfang des Johannes-Evangeliums – vorgibt, wie, auf welchem Hintergrund, nach welcher Logik Sinn und Ziel und Wesen des darin Bezeugten zu deuten ist, – worum geht es dann hier?
… und das Wort war bei Gott …
Wer nach diesem „Wort“ fragt, findet es bei Gott, dem Ursprung und Ziel von allem. Und was ich da finde und entdecke, darauf kann ich mich verlassen. Wenn einer seine Aussage betont mit einem „bei Gott!“ oder schwört „beim Leben meiner Mutter!“, ist das ja eine nachdrückliche Vergewisserung, dass das Wort dem Anspruch genügt, ver-ant-wort-lich zu sein und anerkannt zu werden.
…und das Wort war Gott.
In ihm selber, da es sich mitteilt, begegnet sinn-gebende, maß-gebliche Instanz, Autorität, zuverlässige Urheberschaft für alles, was sich aus ihm ergibt. Das ist eine wesentliche Eigenschaft von Gott! Dieses „Wort“ gehört zu ihm, ist seine Aktivität.
Nachdem so „das Wort“ vorgestellt wurde, besingt der Hymnus seine Geschichte, das Wesentliche, das das „Wort“ geschaffen und bewirkt hat:
Dieses war im Anfang bei Gott.
Alles ist durch das Wort geworden
und ohne es wurde nichts,
was geworden ist.
In ihm war Leben
und das Leben war das Licht der Menschen.
Und das Licht leuchtet in der Finsternis
und die Finsternis hat es nicht erfasst.
Aus der Zugehörigkeit und Nähe zu Gott von Anfang an teilt es sich selber mit und bringt so „Leben“, Sinn und Erfüllung unter die Menschen.
Da geschieht, was immer geschieht, wenn in eine Finsternis hinein ein Licht gebracht wird: Alle Finsternis mit dem Grauen und dem Chaos, das ihr zu eigen ist, muss schwinden, muss sich verwandeln in eine erhellende Übersichtlichkeit, in der Orientierung möglich wird. In diesem Licht kann Leben werden! Wo dieses „Wort“ hingelangt und identifiziert wird als Gottes Selbstmitteilung, da entfaltet es seine Relevanz für das Leben und für das Menschsein des Menschen in der Welt.
Alle Wirklichkeit, in der dieses maßgebliche „Wort“ „ankommt“, wird zum Inbegriff von „Leben“. In alle sogenannte „Finsternis“, Inbegriff von mangelndem Leben, kommt „Licht“, das keine Finsternis verdunkeln kann.
Das wahre Licht,
das jeden Menschen erleuchtet,
kam in die Welt.
Er war in der Welt
und die Welt ist durch ihn geworden, …
„Das Wort“, das von Gott ausgeht, wird selbst zum Du für mich und für dich. Der Hymnus bezeugt die Erfahrung mit ihm, mit dem Du und nennt ihn hier erstmalig „Er“.
Da der Name in der Antike noch viel stärker als bei uns das Wesen seines Trägers bezeichnet, benennt der Hymnus den, der hier besungen wird, als „das Wort“. Das Wesen dessen, dessen Wirken Johannes in seinem Evangelium bezeugt – Jesus von Nazareth – sein Wesen ist es, samt allem, was er tut und sagt, was er darstellt, sein ganzer Weg ist „Wort“, Botschaft für die Welt!
Also zielt der Blick des Hymnus mit seinen letzten Versen in die „Welt“, so wie wir sie kennen und in der wir leben – in eine Welt, die mit allem, was in ihr geschieht, beileibe nicht nur „Licht“ ist!
Da geht es um das Drama der Auseinandersetzung, an deren Ende der „Tod“ steht beziehungsweise – je nach Stellungnahme zu dieser Botschaft – die „Auferstehung“ steht:
…aber die Welt erkannte ihn nicht.
… erkannte ihn nicht an als das „Leben“, als das „Licht“!
Er kam in sein Eigentum,
aber die Seinen
nahmen ihn nicht auf.
Ja, das ist die eine Seite des Ergebnisses. Die eine Seite, auf der Menschen lieber an anderen Orientierungen Maß nehmen bei der Sicht auf die Dinge und die Wirklichkeiten, beim Blick auf den Fortgang des eigenen Lebens, auf die Beziehung zu anderen Menschen, auch auf den Weg zu einer demokratischen Wahl und Regierungsbildung …
Allen aber, die ihn aufnahmen,
gab er Macht,
Kinder Gottes zu werden, …
Was für ein Potential! Von ihm gezeugt, von seiner Art? Lebend, im Licht, sehend!
… allen, die an seinen Namen glauben, …
die seinem Wesen trauen …
die nicht aus dem Blut,
nicht aus dem Willen des Fleisches,
nicht aus dem Willen des Mannes, …
die sich nicht vordergründig-triebhaft bestimmen lassen
… sondern aus Gott geboren sind.
… deren Wesensart, von Gott bestimmt, sich an ihm orientiert und sich von ihm bestimmen lässt.
Solches Selbstverständnis als „Kinder Gottes“ verändert alles!
Und das Wort ist Fleisch geworden
und hat unter uns gewohnt …
Einer von uns ist er
und inmitten von uns!
… und wir haben seine Herrlichkeit geschaut,
die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater,
voll Gnade und Wahrheit.
Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen,
Gnade über Gnade.
(Johannes 1,1-5.9-14.16
= „Kurzfassung“ + Vers 16)
Wir haben es erlebt und bezeugen es! Alles reines Geschenk! Weihnachten!
… Fleisch geworden ist das Wort
und in diesem Geheimnis
erstrahlt dem Auge unseres Geistes
das neue Licht deiner Herrlichkeit.
In der sichtbaren Gestalt des Erlösers
lässt du uns den unsichtbaren Gott erkennen,
um in uns die Liebe zu entflammen
zu dem, was kein Auge geschaut hat. …
(aus der „Präfation“ zum Eucharistie-Gebet an Weihnachten)
Wo immer Menschen sich dem Segen öffnen, den die Botschaft von Weihnachten ausschüttet, wird Leben neu aufblühen und wachsen. Wo Gott als Mensch gesehen wird, wird auch der Mensch als Mensch gesehen werden – im persönlichen Leben wie auch im gesellschaftlichen Miteinander im Jahr 2025 – auch im aktuellen Wahlkampf.
Auf ein gutes!
(Gesungenes Evangelium und aus der gesungenen Präfation zum Eucharistiegebet aus dem Festgottesdienst in Herz Jesu Frankfurt-Fechenheim am Weihnachtstag 2003)