Sonntagsbotschaft zum 12. Januar 2025, dem Fest der Taufe Christi. –
Im Focus des öffentlichen Bewusstseins steht als Wesentliches von Weihnachten die Geburt von Jesus. Auch kirchenoffiziell heißt das Fest „Hochfest der Geburt des Herrn“.
Allerdings ist die Geburt ein Geschehen im Leben eines jeden Menschen. Der sogenannte „Geburts-Tag“ eines erwachsenen oder gar schon verstorbenen Menschen ist immer nur für diejenigen ein Anlass zum Feiern, die eine frohe oder dankbare Wertschätzung für diese Person zum Ausdruck bringen wollen – etwa in der humorigen Art des Liedes „Wie schön, dass du geboren bist; wir hätten dich sonst sehr vermisst!“ oder in der Art eines Konzerts mit der hochgeschätzten Musik eines längst verstorbenen Komponisten.
Was aber macht für Menschen von heute zum Anlass, die Geburt des Jesus von Nazareth mit einem Fest zu feiern?
Manchmal entsteht der Eindruck, besonders ungewöhnliche Umstände seiner Geburt seien der Anlass und der Inhalt des Festes: seine Geburt von einer jungfräulichen Mutter; die ärmlichen und ausgrenzenden Rahmenbedingungen einer Futterkrippe für Tiere als Wiege für das neugeborene Kind; oder der Umstand der durch eine politische Unterdrückungsmaßnahme erzwungenen mühsamen Reise …
In anderen Fällen, wenn auch nach Jahrhunderten noch der Geburtstag einer bedeutsamen Persönlichkeit gefeiert wird, geht es um die Bedeutsamkeit des für gewichtig erachteten Persönlichkeitsprofils oder um die Bedeutsamkeit von dem, was jemand bewirkt oder hinterlassen hat: Bachs Geburtstag zum Beispiel wird wegen seiner gewichtigen Musik begangen. Ist das bei Jesus nicht so?
Menschen, auch kleinere Gruppen oder auch sehr große Gemeinschaften, die mit ihm die Erfahrung gemacht haben, gerettet, befreit, getröstet, geheilt, aufgerichtet worden zu sein oder endlich zu ihrem Recht gekommen zu sein; Menschen, die solche Erfahrungen ihm zuschreiben; auch Menschen, die aus irgendeinem Grund sich solche Erfahrungen von ihm erhoffen, – sie werden natürlich ihre gemeinsame dankbare Freude darüber aus eigener Bestrebung in ein gemeinsam gefeiertes Fest gießen wollen.
Kein Wunder, dass sie in der Geschichte nach und mit Jesus bald angefangen haben, ihn immer wieder zu feiern. Wenn sie sich dabei inne wurden und sich vergewisserten, was er für ihr jeweils aktuelles Leben bedeutete, dann benannten sie natürlich die Gründe für ihre Freude und für ihre Hoffnung.
Im Zentrum ihres immer wieder größten Staunens stand dabei die Erkenntnis: In diesem Jesus wirkt und lebt Gott selber mitten unter uns! Und er ist jetzt einer von uns Menschen! Aus einer perfekt-vollendet friedlich-harmonischen Distanz des „Himmels“ wollte er lieber bei uns sein in all dieser begrenzten und oft leidvollen, finsteren Welt von uns Menschen mit all ihrer Gewalt, Not, Krankheit und ihren ungelösten Problemen! Ja, er ist einer von uns geworden: Gott wird Mensch! Er kommt zur Welt, um Schritt für Schritt und nacheinander alles immer wieder gut zu machen! Und ihn, der dieses Leben einfühlsam und solidarisch mit uns teilt und der in allem mit uns gleich ist, ihn beseelt nur Gottes eigener heiliger Geist, der alles Gute immer wieder neu herbeiführt: Frieden und Gerechtigkeit, Freiheit und Anerkennung der Menschenwürde! Diese Erfahrung und diese Einsicht, diese Hoffnung in unerschütterlicher Gewissheit – das alles bringt mit sich der in der Person von Jesus Mensch gewordene Gott!
Und alle, die das bezeugen, bringen mit ihrer Botschaft vom Himmel Licht in alle Finsternis dieser Welt – Evangelium!
Und an diesem Sonntag, der aus der Weihnachtszeit überleitet in den Alltag des Jahreskreises, stellt das Evangelium nach Lukas noch einmal dar, worum es in diesem zum Feiern eines Festes anregenden Geschehen geht:
Er, Jesus, ordnet sich ein, fügt sich ein in das Volk, das, fremdbestimmt und arm gemacht und seiner gemeinsamen Erfahrung mit Gott beraubt, sich nur noch dem Gesetz fremder Mächtiger gezwungen unterwirft. Er fügt sich ein in das Volk, aus dessen Mitte jetzt aber einer mit Namen Johannes sie neu zusammenbringt zu einer Umkehr zur Hoffnung auf ihren Gott, der ihnen das Leben erneuert – in Freiheit und Gerechtigkeit, in Frieden und Sicherheit – in Selbstbestimmung ihres Gemeinwesens und unter der Leitung von einem aus ihrer eigenen Mitte – wie seinerzeit der von Gott geschenkte König David, jetzt aber noch viel herrlicher: aus Gottes eigener Kraft und Vollmacht!
Jesus unterwirft sich der gemeinschaftlichen Umkehr aus allem, was die Menschen sich und einander und Gott entfremdet. Er wird zum Modell für die Erneuerung der Welt. In all dem, was er jetzt anfangen wird, kommt Gott selber zur Welt als Retter des Menschen und seiner verlorenen Welt. Aus der Kraft der lebendigen Verbindung mit Gott, zu der er das Volk neu animiert, wirkt Gottes Geist jetzt in diesen Menschen und durch sie – in neuer kollektiver Selbstbestimmung!
„Subsidiarität“ wird das eine spätere Zeit nennen. Neue Kultur eines Selbstbewusstseins, das sich im Einfügen ins Gemeinsame verwirklicht! Da geht „der Himmel auf“ und es wird klar: Das gefällt Gott! So hat er die Erschaffung des Menschen gemeint. Und der, der in diesem Geist in alles Geschehen in seinem Volk hineinwirkt, mit dem ist er eins.
So zeigt sich das dem Volk, das seine Lebenserfüllung darin findet, sich von ihm leiten zu lassen! Da wird alle Gewalt entmachtet und die Erniedrigten leben auf. Viele, die so gemeinsam dazu beitragen, dass Gott sichtbar in die Welt kommt mit seiner menschenfreundlichen Zuwendung, sie werden – wie er selber – sogar ihr Leben dafür einsetzen.
Natürlich werden alle, über denen so „der Himmel aufgegangen“ ist, überall davon erzählen und jubelnd besingen, was sie gesehen und erlebt haben, was sie als Quelle von Licht und Leben, von Kraft und Hoffnung neu verstanden haben.
Sie erinnern sich an das verheißungsvolle Wort des Propheten:
So spricht Gott, der Herr:
Seht, das ist mein Knecht, den ich stütze;
das ist mein Erwählter,
an ihm finde ich Gefallen.
Ich habe meinen Geist auf ihn gelegt,
er bringt den Völkern das Recht. …
ja, er bringt wirklich das Recht.
Er kommt, um …
… blinde Augen zu öffnen,
Gefangene aus dem Kerker zu holen
und alle, die im Dunkel sitzen,
aus ihrer Haft zu befreien.
(Jesaja 42, 5a.1-4.6-7)
Und dann bezeugen sie selber das Evangelium:
Zusammen mit dem ganzen Volk
ließ auch Jesus sich taufen.
Und während er betete,
öffnete sich der Himmel,
und der Heilige Geist kam sichtbar
in Gestalt einer Taube auf ihn herab,
und eine Stimme aus dem Himmel sprach:
„Du bist mein geliebter Sohn,
an dir habe ich Gefallen gefunden.“
(Lukas 3, 15-16.21-22)
„Der Himmel geht über allen auf!“
(Kanon von Peter Janssens, 1974)
„Lobt Gott, ihr Christen, alle gleich, in seinem höchsten Thron, der heut schließt auf sein Himmelreich und schenkt uns seinen Sohn … Heut schließt er wieder auf die Tür … Gott sei Lob, Ehr‘ und Preis!“
(aus dem Lied von Nikolaus Hermann, um 1560)
Gott fügt sich ein. Er fügt sich ein in eine Menschheit, die Mensch werden will. So kommt er zur Welt!
„Gott sei Lob, Ehr‘ und Preis!“