Blogbeitrag

Google-Suche 'Bürgergeld'

Option für den Menschen

24. Oktober 2024

Sonntagsbotschaft zum 27. Oktober 2024, dem 30. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr B). 

Immer wieder gibt es Menschen, die auf der Strecke bleiben. Mit eigenen Mitteln können sie sich nicht aus dem Sumpf ziehen. Von den Erfolgreichen sehen sie sich hängen gelassen. Manchmal wird ihnen auch noch vorgeworfen, sie spekulierten missbräuchlich auf solidarischen Beistand.

Wie verhält sich dazu die sie umgebende Gesellschaft?

Eine verbreitete Option plädiert für einen Appell an die Eigenverantwortlichkeit.

Dem stellt der Jesus der Bibel Gottes Option gegenüber. Von einem drastischen Beispiel erzählt das Evangelium dieses Sonntags:

Jesus ist mit seinen Jüngern auf dem Weg. Von Galiläa, der Provinz mit den Dörfern um den See Genezareth, ziehen sie nach Jerusalem. Gerade sind sie aus der Stadt Jericho wieder aufgebrochen. Da sitzt am Weg ein Bettler. Alles was er hat, ist sein Mantel. Der ist sein letzter Rest an Selbstschutz. Warum bettelt er, statt etwas zu arbeiten? Er ist blind. Er kann nicht für sich selber sorgen. Er kann nur betteln. Elende Not in einer Gesellschaft, die noch nicht das Menschenrecht auch von Menschen mit Behinderungen gesetzlich verbrieft hat und noch nicht entsprechende Hilfestellungen der öffentlichen Hand für sie bereithält. Wehe, da ist einer ohne eine Familie, die ihn hält und trägt und auffängt!

Da sitzt er, bettelnd um ein barmherziges Almosen, einer von vielen, gedemütigt vom Schicksal, total abhängig von den Zufälligkeiten menschlichen Wohlwollens derer, die vorbeigehen.

Als Jesus mit seinen Jüngern
und einer großen Menschenmenge
Jericho verließ,
saß am Weg ein blinder Bettler,
Bartimäus, der Sohn des Timäus.
Sobald er hörte,
dass es Jesus von Nazaret war,
rief er laut:
Sohn Davids, Jesus,
hab Erbarmen mit mir!
Viele befahlen ihm zu schweigen.
Er aber schrie noch viel lauter:
Sohn Davids,
hab Erbarmen mit mir!
Jesus blieb stehen
und sagte: Ruft ihn her!
Sie riefen den Blinden
und sagten zu ihm: Hab nur Mut,
steh auf, er ruft dich.
Da warf er seinen Mantel weg,
sprang auf
und lief auf Jesus zu.
Und Jesus fragte ihn:
Was willst du, dass ich dir tue?
Der Blinde antwortete:
Rabbuni, ich möchte sehen können.
Da sagte Jesus zu ihm: Geh!
Dein Glaube hat dich gerettet.
Im gleichen Augenblick
konnte er sehen
und er folgte Jesus auf seinem Weg nach.
(Markus 10,46b-52)

Bartimäus hört, dass da so viele Leute vorbeigehen, weil sie sich für Jesus interessieren, der gerade die Stadt verlässt. Anscheinend hat er schon von Jesus gehört, dass der für die Menschen viel Gutes tut. Also ruft er laut nach ihm.

Was erwartet er sich davon? Wahrscheinlich ein barmherziges Almosen, vielleicht etwas mehr als von anderen Leuten. Er muss schließlich jede Chance nutzen. Aber er scheint irgendwie noch mehr Hoffnung mit Jesus zu verbinden; in seinem lauten Rufen und Schreien nennt er ihn ja „Sohn Davids“. Das ist die alte Hoffnung des Volkes Israel, dass dem abgestorbenen Stammbaum des Königshauses David gerade in Zeiten der größten Not ein neuer Spross entstammen wird, der in Gottes Kraft das Volk befreit zu einem guten Leben.

Und mit diesem hell sehenden, politisch brisanten Namen „Sohn Davids“ ruft der blinde Bettler Jesus um Hilfe!

Der vorbeigehenden Menschenmenge geht er damit auf die Nerven. Was in ihnen wirklich vorgeht, kann man nur ahnen: Ist er ihnen einfach lästig mit seinem Lärm? Macht er ihnen ein schlechtes Gewissen, weil sie ihm nichts geben? Wollen sie den verehrten Jesus vor der Belästigung abschirmen? Fürchten sie, von der römischen Polizei als aufrührerische Demonstranten behandelt zu werden? Ein Spross aus dem davidischen Königshaus, also Selbstbestimmung für das Volk Israel?!

Und wie verhält sich Jesus?

„Jesus blieb stehen“, heißt es. Der ganze Zug kommt ins Stocken. Wegen diesem blinden Bettler! Jesus lenkt die Aufmerksamkeit der Leute auf ihn: „Ruft ihn her!“

Bartimäus wird zum Mittelpunkt. Als er merkt, dass Jesus auf seinen Hilferuf einzugehen bereit ist, tut er Seltsames: Er wirft seinen Mantel weg – seinen letzten Rest an Selbstschutz! Und er springt auf und läuft auf Jesus zu – ein Blinder! Und die Leute sind plötzlich wie verwandelt: „Hab nur Mut! Er ruft dich!“ Ich sehe geradezu, wie sie ihn stützen und zu Jesus hin schleusen.

Und dann das Verblüffendste: Jesus greift nicht in den Geldbeutel für eine großzügige Spende. Vielmehr fragt er ihn: „Was willst du, dass ich dir tue?“ Jesus weiß, dass der Mann Geld braucht. Seine Frage an ihn geht weit darüber hinaus. Jesus begnügt sich nicht mit dem Kurieren von Symptomen. Mit seiner Frage konstelliert er den Dialog auf Augenhöhe, stellt die Würde des Menschen wieder her, der nun selbst geltend macht, woran es ihm wesentlich mangelt: „Ich möchte sehen können!“

Erschreckend – diese Unverschämtheit!

Jesus nennt das „dein Glaube“ und sagt ihm: „Dein Glaube hat dich gerettet.“

Hier können Sie meinen Beitrag weiter empfehlen: