Blogbeitrag

Engel-Chor an der Krippe

Fest der Sehnsucht

24. Dezember 2020

Fest der Sehnsucht

alternative Weihnachtsfeier – Dauer ca. 45 Minuten

Elemente und Abfolge

1 Video – Dauer: 2’47
Einstimmung (Rainer Petrak)

2 Text
diese Übersicht: Elemente und Abfolge

3 Video – Dauer: 1’45
Lied: „Lobt Gott, ihr Christen alle gleich“ mit Bildern

4 Audio – Dauer: 9’20

Lesung: Jesaja 9,1-6
Antwortpsalm – Kehrvers: „Heute ist uns …“ (GL 635,3) und Verse aus Psalm 96
Lesung: Titus 2,11-14
Ruf vor dem Evangelium – Kehrvers: „Halleluja“ (GL 175,4) und Vers aus Lukas 2
Evangelium: Lukas 2,1-14 mit Echo-Rufen

5 Audio – Dauer: 18’16

Predigt „Fest der Sehnsucht“

6 Text der Predigt zum (Mit-)Lesen (Nachschrift der Tonaufnahme)

7 Video – Dauer: 10’02    

Lied: „Gloria – Ich lobe meinen Gott …“ mit Bildern
Lied-Kombination: „Stille Nacht“ (GL 249) und „Komm, lass diese Nacht nicht enden“ – mit Bildern
Segen

zum (Mit-)Lesen
Predigt „Fest der Sehnsucht“

(Nachschrift von der Tonaufnahme)

Wollen wir da hingehen – nach Betlehem?
Menschen verstehen: Gott nimmt Raum.
Nach den üblichen Regeln menschlichen Verstehens geschieht da gar kein Verstehen. Es geschieht nach einer ganz anderen Logik – bei ganz wenigen, bei den Hirten.
Und Gott nimmt Raum ein? Nach den Regeln dieser Welt bekommt er keinen Raum! Raum nimmt er ein nach einer ganz anderen Logik. Menschen verstehen.

Also erst einmal: Wenn es darum geht, diese Bibeltexte zu verstehen, die das Herzstück dieses Weihnachtsfestes darstellen, und wenn ich mich bemühe, sie recht zu verstehen, nicht im Glanze der gängigen Klischees, dann höre ich: Das sind ja alles so politische Texte!

Es geht um Politik: Es geht um einen herrschenden Kaiser, es geht um ein Volk, das im Dunkeln lebt. Es geht um Gewalt, Tragholz, drückendes Joch, Unterdrückung, Stock des Treibers, Ausbeutung.

Und dann – eine Politik Gottes wird dann benannt, dass er einen neuen König auf den Thron setzt, und der bringt dann Recht und Gerechtigkeit. Und zwar: Der leidenschaftliche Eifer Gottes wird das vollbringen.

In der 2. Lesung ging es mit der gleichen Weise weiter: Da ist zwar die Gnade Gottes angesprochen. Und wenn ich da klischeehaft weiterhöre, dann höre ich nicht, dass dann die Rede ist von der Rettung aller Menschen – und zwar durch ein Volk, das Gott sich schafft als besonderes Eigentum und das dann voll Eifer danach strebt, dieses Gute – die Rettung der Menschen – auch wirklich zu tun. Um Gottes Willen!

Im Evangelium geht es weiter: Kaiser – Randgruppe der damaligen Gesellschaft: die Hirten; Leute, die nur machen müssen, was der Kaiser befiehlt, Strapazen auf sich nehmen müssen – und das auch noch, damit ihnen der letzte Heller aus dem Säckel gezogen wird!

Und das passt Gott nicht! Gott will eine andere Politik.

Und jetzt machen wir Menschen üblicherweise von den Bibeltexten her weg einen ganz großen Sprung ganz woandershin. Ja, einige Bischöfe dürfen zwar von Politik reden und die tun das dann auch ausgiebig an Weihnachten – mancher Pfarrer gelegentlich auch. Aber wir wollen eigentlich an Weihnachten was ganz Anderes. Und das, was wir da wollen, wonach wir uns sehnen, was wir da erwarten, lässt sich eigentlich – wenn man sich nicht scheut, so was ganz Einfaches ganz normal auszusprechen – sagen: Wir wollen unsere Harmonie, wir wollen es einfach wenigstens an Weihnachten mal schön haben. Eigentlich ist Weihnachten dann so was wie ein Ventil – wahrscheinlich für die Enttäuschung über die Politik: Es sollen wenigstens an Weihnachten die Waffen schweigen, und es soll wenigstens an Weihnachten kein Streit in der Familie sein, und so weiter.

Und wie kriegen wir das jetzt zusammen – die Botschaft der Bibeltexte und unsere Einstellung, die anscheinend unausrottbar ist? – Ich gehe davon aus: Hinter der oft geschmähten bundesdeutschen Einstellung zu Weihnachten steckt etwas ganz Anderes noch dahinter: Es steckt eine mächtige Sehnsucht dahinter. Und wenn ich mich frage, was steckt denn hinter der anderen Politik Gottes, die er als Alternative so gerne durchsetzen möchte in der Welt – wenn es denn seine Methode wäre, etwas mit Gewalt durchzusetzen – was da dahintersteckt, seine Ziele, auf die es ihm eigentlich ankommt, – dann kommen wir ziemlich schnell zusammen. Denn das, was Gott will, was alle Bibeltexte dieses Festes sagen, ist doch, dass die Menschen, in deren Leben es finster zugeht, dass es ihnen hell wird; dass die, die belastet sind, das Joch abgenommen bekommen; dass die, die Opfer von Unrecht geworden sind, dass sie zu ihrem Recht kommen; dass alle Menschen gerettet werden; und so weiter. Etwa auch dann, dass auch „Hirten“ mal einen Anlass finden, sich zu freuen in ihrem freudlosen Dasein. Ganz einfach: Gott will doch, dass der Mensch – und zwar nicht die Gattung Mensch, von der wir Exemplare einer Spezies seien, sondern jeder einzelne Mensch – dass es ihm gut geht! Und ist das nicht ganz dicht bei dem, was wohl unsere tief in uns schlummernde – oft nur schlummernde – Sehnsucht ist: Wir möchten so gern, dass es uns gut geht?!

Gott bekommt mit seiner Politik keinen Raum eingeräumt in dieser Welt mit der laufenden Politik. Kein Platz! Der muss ans Kreuz! Kein Platz! Für einen solchen Stil menschlichen Miteinanders – um das Wort „Politik“ zu vermeiden. Kein Platz! So einen können wir nicht brauchen; der bringt ja alles durcheinander! Wenn doch Krankheit Gottes Strafe ist, dann sollen die Kranken gefälligst krank bleiben. Und wenn Armut auf mangelnde eigene Leistung zurückgeht, dann sollen bitt’ schön die, die nix leisten, auch arm bleiben. Und so weiter usw. Nein nein, wo kommen wir denn da hin, wenn hier Ausgleich betrieben wird: denen im Finstern mehr Licht – und das durch ein Volk, wo Menschen über Licht verfügen, die das dann mit denen teilen sollen – voller leidenschaftlicher Eifer aus ihrem Glauben – nein nein!

Aber Gott hatte ja eigentlich – der Gottessohn – einen guten Platz, nicht wahr, einen guten Platz – bei Gott im Himmel. Das biblische Zeugnis spricht aber davon, dass er auf den besten Platz verzichtet hat! Er wollte lieber bei denen sein, denen kein Platz eingeräumt wird – einfach dabei sein erst mal. Oder – am Ende jedenfalls soll klar werden: Er will einfach dabei sein; keiner soll einsam, im Unfrieden, unterdrückt und überlastet dahinvegetieren müssen, sondern der Mensch soll Raum finden und soll einen Platz zugebilligt bekommen, weil es die mindeste Regel eines menschenwürdigen Rechtes ist, dass jeder Mensch – unabhängig von Vorleistungen – als von Gott geliebtes Geschöpf, als Abbild Gottes selber, als Mensch – leben darf, da sein darf, da sein darf! Ich möcht’ manchmal einfach gern nur einfach da sein dürfen, nicht wahr? Einfach nur da sein dürfen! Aber für Menschen, die einfach nur da sein möchten – und sei es ja auch nur zu bestimmten Phasen des Tages oder des Jahres – nur einfach da sein dürfen – für solche Menschen gibt es in unserer Welt häufig keinen Platz!

Und nun gibt es eine Botschaft in dieser Nacht. Und die Botschaft lautet: Heute – heute! – ist uns – uns! logisch, nicht wahr, denn alles, was Gott tut, tut er für uns, für uns! – also heute ist uns der Heiland geboren!

Mir?? Was heißt hier „uns“? „Uns“ kann wirklich nur „uns“ sein, wenn jeder von uns auch sagen darf: „mir“. Und jetzt ist dann die Frage: Wie gehe ich mit dieser Botschaft um? Mit der Botschaft, die ja im Endeffekt lautet: Dieser Sohn Gottes wollte unbedingt einer von uns Menschen sein, damit er ist wie ich. Und er hat dann in Kauf genommen, meinetwegen in Kauf genommen, dass er dafür hingerichtet wird – für seine Art, bei mir sein zu wollen! Also im Endeffekt: Jesus ist für mich gestorben, und jetzt kann ich endlich leben! Es ist die Frage: Kann ich eine solche Botschaft zulassen? Oder verbietet es mir die Logik des modernen Menschen und die Gesetzmäßigkeiten, denen ich mich einfach einzufügen habe, – die mich versklaven? Es könnte ja sein, wenn ich die mich versklavenden Regeln akzeptiere und nicht dagegen mich auflehne, dass ich dann mit weniger Schmerzen davonkomme, also besser und ruhiger und friedvoller und harmonischer und angepasster und so weiter – und dass ich es deswegen es mir verbiete, mich zu sehnen nach einem Platz für mich – mir verbiete, mich danach zu sehnen, dass ich gelte – und zwar ohne unbedingt mich allen verständlich machen zu müssen, sondern einfach weil ich Ich bin! – Es ist riskant, so die eigene Würde zur Geltung kommen zu lassen. Aber die Botschaft dieser Nacht und der Bibeltexte, die es da gibt, heißt doch: Der, der vom Himmel kommt, der will unbedingt bei mir sein – eben. Er nimmt in Kauf, keinen Platz beanspruchen zu dürfen in dieser Welt, und macht sich solidarisch mit mir, wenn es mir genauso geht. Wie gut ist das, jemanden an meiner Seite zu wissen, dem ich wirklich vertrauen kann – so wie keinem Anderen. Das ist Gottes in die Niedrigkeit menschlich-irdischer Existenz gekommene Solidarität. Da darf sogar der Verbrecher am Kreuz neben Jesus sich von ihm sagen lassen: Er wird heute noch einen Platz im Paradies bekommen – mit ihm zusammen! (Lukas 23,43) Das ist das, was wir vorhin im Lied gesungen haben: „Heute schließt er wieder auf die Tür zum schönen Paradeis“, also Paradies. Zum Paradies – ja! Vernünftige Menschen verbieten einander und sich selber, so zu reden. „Paradies auf Erden“, wo gibt es denn so was!

Ich bin versucht, den vielen Definitionen von Weihnachten eine neue hinzuzufügen: Weihnachten entsteht da, wo Menschen ihre eigene Sehnsucht zulassen und deshalb solidarisch werden mit allen, die sich ebenso sehnen. So kann dann Gott die Sehnsucht erfüllen. Und das will heute sein. Nur eins ist wichtig dafür, und nur eines ist die Voraussetzung, dass es gelingt: es mir sagen lassen – und dem, der mich so liebt, den Widerstand bleiben zu lassen. Es wird der Anfang einer neuen Phase meines Lebens sein – davon auszugehen: alles für mich.

Und wenn ich in eine Lebensphase komme oder drinnen bin – ich hoffe, viele von uns sind’s – in der Belastungsfaktoren keine Rolle spielen – die können dann ja mehr den Blick auf die anderen richten und staunend sehen: Dieser Mensch und jener Mensch und diese Frau und jener Mann – oh: ein Mensch, von Gott so sehr geliebt, dass er unbedingt dabei sein will, damit es ihm besser geht! Und dann kann ich mich ja in dieses Volk eingegliedert wissen, das voll leidenschaftlichem Eifer das Gute tut. Und dann geschieht auch Weihnachten – das ganze Jahr hindurch!

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