Blogbeitrag

Gedanken (und mehr als das) in der Weihnacht (2014)

25. Dezember 2013

Was wird’s geben?

Weihnachten. Endlich?
Was haben Sie sich in den letzten Wochen von Weihnachten erwartet?
Und was erwarten Sie sich jetzt?
Und würden Sie sagen: Ja, realistisch gesehen, darf ich das auch erwarten?
Und jetzt, mitten drin, geschieht das jetzt auch?

Viele, die Weihnachten christlich meinen, das Fest also auf die Geburt von Jesus beziehen, sehen sich schon am Weihnachtsabend der Krippe mit dem Kind gegenüber. Entspricht das der Botschaft dieser Nacht?

Das, was in dieser Nacht zu hören ist, gipfelt in der Botschaft der Engel an die Hirten. Und es endet auch damit. Wie die Hirten reagieren und ob sie nach Betlehem gehen werden, bleibt da zunächst offen. (Lukas 2,1-14)

Die Botschaft der Engel kündigt an. Es geht um Gottes Wort, das jetzt real menschlich erlebbar werden soll: Jetzt geht’s los. Heute ist Er geboren.

Logisch: Wenn einer, der mal als erwachsener Mann der Retter sein wird, eben gerade geboren wird, dann gilt es zu warten. Aber immerhin: Das Warten wird überschaubar; jetzt ist er schon mal geboren!

Was dürfen wir dann von dieser Weihnachtsnacht erwarten?

Die Botschaft, ja. Das Wort, das uns heute geschenkt und für heute gesagt wird.

Nämlich?

Dieses Jahr wieder freute ich mich bei der Laudes, dem „offiziellen“ Morgengebet, am 1. Adventsonntag und dann noch mal am 3. Adventsonntag über die Worte, mit denen das (kirchenamtliche!) „Stundenbuch“ das Warten des Advent beschreibt: „Du schenkst uns die Gnade, das Erscheinen unseres Herrn Jesus Christus zu erwarten.“ Viele Jahre damit vertraut, weiß ich ja schon, was dann als Ziel des Wartens am Fest der Erscheinung, also am 6. Januar, aufgezählt wird: Da, wo Jesus zu wirken anfängt, wird alles „Wasser“ zu „Wein“ (siehe die Hochzeit zu Kana – Johannes 2,1-12), da geht der Himmel auf (siehe Seine Taufe im Jordan – Markus 1,7-11), und das erkennen sogar die klügsten Männer aus dem fernsten Osten! (Matthäus 2,1-12) Wo Jesus zu wirken anfängt. Darum geht’s. Das dürfen wir erwarten.

Heute?

Zu jeder Zeit dürfen die Menschen das für ihre Zeit erwarten. Wir für unsere Zeit. Denn heute von neuem ist er zu uns gekommen, uns zu Ohren gekommen. Er selber: das Wort, von dem es am Weihnachts-Tag heißen wird: Das „Wort“ war schon von Anfang an, und jetzt ist es Mensch geworden. Und Seine „Herrlichkeit“ hat sich uns gezeigt. Haben wir gesehen.

Wenn das auch für unsere Zeit gilt, dann heißt das doch: Alles, was uns beschäftigt, ist gemeint: dieser schreckliche Rassenhass, diese barbarische Gewalt, die Fremdenangst, die um sich greift, machtbesessene Habgier, die immer mehr herrschende Kraft in unserer Welt ist, …! Der Prophet Jesaja fasst es einfach zusammen mit dem Wort „das Volk, das im Dunkeln lebt, … die im Land der Finsternis wohnen“. (Jesaja 9,1-6) Oder nehmen wir das persönliche, individuelle Geschick von so vielen von uns: Krankheit, Enttäuschung, Trauer, Elend, um uns herum Armut, Flüchtlingsnot, ausgeschlossen werden, … Darauf bezieht sich heute die Botschaft dieser Nacht. Und es ist schon erstaunlich, mit welcher Klarheit hier große Freude und lauter Jubel angekündigt wird – wovon die Träger der Botschaft jetzt schon erfüllt sind.

Also ehrlich gesagt: mir fällt es schon schwer, das zu glauben. Ihnen wahrscheinlich auch: Dass alles dieses Elend, das uns bedrückt – egal ob persönlich oder weltpolitisch – dass alles das jetzt sich verwandeln wird.

Nur – die Botschaft der Bibel spricht da eine Sprache, die überhaupt keinen Zweifel offen lässt: Das ist ganz klar, das ist von höchster Zuverlässigkeit. Wenn auch in heftigstem Widerspruch zu dem, was unsereins so erlebt. Das stellt unsern Glauben schon sehr auf die Probe.

Allerdings wird ja auch gesagt: Das geschieht all denen, die sich das von ihm sagen lassen, man könnte sagen „die das Wort empfangen“ – wie Maria in der Klarheit: Dieses Wort ist nicht von irgendwelchen Menschen gemacht, sondern das ist von Gott empfangen, vom Heiligen Geist.

Und dieses Wort kommt jetzt zur Welt, heute natürlich in die heutige Welt. Sonst hätten wir keinen Grund, das zu feiern. Was sollte uns Grund sein, die Geburt des Jesus von Nazareth zu feiern, wenn sich die Bedeutung dieses Ereignisses auf irgendwelche Dinge von vor 2000 Jahren beschränkt hätte! Den Grund zu so großer Freude überliefern uns mit dieser Botschaft der Bibel tatsächlich ernst zu nehmende Menschen, die ganz genau wussten, wie schlimm es in der Welt zugeht – damals wie heute. Und die Sprache dieser Botschaft atmet eine verwunderliche Gewissheit: Verherrlicht ist jetzt Gott! „Ist“, wird betont. Und: Friede ist jetzt auf der Erde! Und zwar „bei den Menschen seiner Gnade“. Was heißt das?

Wie?

Erwarten Sie etwa von Gott, dass er wie ein großer Zauberer kommt und alles macht, egal wie wir dazu stehen? Nein, das kann der „Zauber“ von Weihnachten nicht sein. Wenn Gott handelt, dann kann er das sich und uns nur mit unserer Zustimmung antun. Bei seinem respektvoll liebenden Verhältnis, das er zu uns hat, kann er versprochenes Großes tun, nur wenn wir zu dem Großen Ja sagen – wie Maria. Da ist unser Glaube auf die Probe gestellt. In der Tat. Da weichen wir gerne aus auf die berühmten „kleinen Schritte“, mit denen wir uns dann zufrieden geben. Kleine Schritte, die es allerdings überall gibt, nicht nur bei Jesus Christus. Nein, Er hat Großes mit uns vor!

Gestern habe ich in einem wunderschönen Adventkalender anderer Art eine Geschichte (von Fritz Vincken) gelesen. Es passiert mir ja nicht oft, dass ich beim Lesen einer Erzählung zu Tränen gerührt werde, aber ich war dicht dran, warum? Und heute Abend, als ich mit der Predigtvorbereitung fertig war und im Fernsehen schaute, ob es da etwas Weihnachtliches gibt, stieß ich unerwartet auf eine Sendung (Bibel-TV), die genau die gestern gelesene Erzählung als Film brachte. Worum ging es da? – Heute vor 70 Jahren. Weihnachten 1944. Amerikanische Soldaten in den Ardennen, mitten im Krieg, fallen in ein Waldhaus ein. In dem lebt eine Mutter mit ihrem 12jährigen Sohn auf der Flucht vor dem Bombardement in Aachen. Und dann geschieht etwas, was man nicht glauben kann: Kurz danach kommt eine Gruppe deutscher Soldaten in dasselbe Haus – mitten im Krieg, natürlich mit ihren Waffen. Da sagt die Frau mit Nachdruck zu den beiden verfeindeten Soldatengruppen: Heute ist Weihnachten. Frieden! Und die lassen sich drauf ein, legen ihre Waffen ab und essen und feiern miteinander Weihnachten. Im Wissen: Morgen schießen wir wieder aufeinander.

Das ist natürlich noch nicht der endgültige, dauerhaft geschlossene Frieden. Aber – Teil der Botschaft dieser Nacht ist ja: Die Hirten – oder auch wir, die die Botschaft hören, – bekommen dazu gesagt: Es gibt für euch ein Zeichen. „Zeichen“. Zeichen, die Mut machen, dass man sie immer wieder sucht und dass man weiß: Oh ja! – wie das staunende Kind: Wow! Das gibt’s doch gar nicht!

Das muss wohl auch so etwas sein wie vor 2500 Jahren, als das Volk Israel im Exil im heutigen Irak dahin vegetierte und das plötzlich unversehens erlebt: Der persische König Kyros, der das Land erobert hat, verkündet – in einem Anfall von Wohltätigkeit – eine neue Religionsfreiheit und verfügt: Das Volk Israel, die Juden dürfen wieder in ihr Land und nach Jerusalem zurück. Unglaublich! Aber wahr! Und der Prophet erzählt dazu, Gott habe den König Kyros als sein Werkzeug benutzt (vgl. z.B. Jesaja 45,1), und so ist das in dieser Welt eigentlich Unmögliche real geschehen.

Vielleicht ist das so etwas Ähnliches wie vor 25 Jahren, als plötzlich klar war: Da hatte sich ein Polit-Funktionär in einer Pressekonferenz verplappert und plötzlich fiel die Mauer!

Mut zum Ja!

Wenn wir in solchen Ereignissen Zeichen sehen und viele andere Zeichen dazu, dann wollen die uns Mut machen, der Botschaft zu trauen und zu Menschen zu werden, die sich wirklich auf Seine unmögliche und unglaubliche Botschaft verlassen und darauf ihr Leben bauen – und die dann deshalb das tun, was die 2. Lesung dieser Nacht nennt: Dann werden sie zusammen ein Volk sein, das voller Eifer dieses Versprochene, das „Gute“ tut. (Titus 2,11-14)

Vielleicht ist das der Weg, ja Er selber, der heute geboren wird und der von sich gesagt hat: Ich bin es, das Wort – und der Weg seiner Verwirklichung! Das zuverlässige Wort Gottes!

Und wenn da Menschen sind wie diese Frau in den Ardennen heute vor 70 Jahren, dann wissen die Soldaten beider Seiten ganz genau: Wenn das herauskommt, dass sie sich auf eine „Verbrüderung“ mit dem Feind eingelassen haben, dann kommen sie vors Kriegsgericht. Und wehe ihnen! Das ist unsere Situation. Wir werden zwar nicht vors Kriegsgericht kommen. Aber wir werden verächtlich für „doof“ oder für weltfremd erklärt, wenn wir unsere Energie darauf verwenden, gemeinsam auf Gott zu hören als Sein Volk.

Der Geist unserer Feier hier will der Geist sein, der uns heute das Wort schenkt, das Mensch wird, damit morgen die Welt sich verändert, was heute seinen Ausgang nimmt. Der Geist unserer Feier hier ist also geprägt vom zauberhaften Gesang der
Engel: Verherrlicht ist jetzt Gott! Und auf Erden gibt’s jetzt Frieden bei den Menschen seiner Gnade – also wo Menschen sind, die sich damit beschenken lassen, die dem zustimmen, die das auch wollen und anstreben, die das zulassen, die das für wichtig nehmen, … Menschen, die ihm den Weg bereiten und sich danach ausstrecken und sich dem verschreiben, was als Gottes „leidenschaftlicher Eifer“ benannt war: Leben in Fülle für alle! Weil Er da mal wieder anfangen kann mit Seinem Wirken. Weihnachten!

(Predigt von Rainer Petrak am 24.12.2014 in Herz Jesu Frankfurt-Fechenheim
nach Tonaufnahme, leicht redigiert)

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