Blogbeitrag

Bild von Peter H auf Pixabay

Hochspannung

1. Februar 2024

Sonntagsbotschaft zum 4. Februar 2024, dem 5. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr B). 

Ijob, den Mann aus der Bibel, über dem alles Schlag auf Schlag zusammenstürzt, was man sich nur vorstellen kann: Ihm werden die Rinderherde und die Kamele gestohlen und dazu die Knechte erschlagen, seine Schafherde kommt im Gewitter um – samt den Hirten. Ein Sturm zerstört das Haus, in dem seine Söhne und Töchter gemeinsam ein Fest feiern, und begräbt sie alle unter sich. Dazu breiten sich bösartige Geschwüre über seinen ganzen Körper aus – von der Fußsohle bis zum Scheitel.

Eine Krise folgt auf die nächste. Nicht nur bei Ijob.

Wie reagiert Ijob in diesem Kampf?

„Kriegsdienst“ nennt er das. In der ersten Bibellesung dieses Sonntags begegnen wir ihm:

Ijob ergriff das Wort und sprach:
Ist nicht Kriegsdienst
des Menschen Leben auf der Erde?
Sind nicht seine Tage
die eines Tagelöhners?
Wie ein Knecht ist er,
der nach Schatten lechzt,
wie ein Tagelöhner,
der auf seinen Lohn wartet.
So wurden Monde voll Enttäuschung
mein Erbe
und Nächte voller Mühsal
teilte man mir zu.
Lege ich mich nieder,
sage ich: Wann darf ich aufstehn?
Wird es Abend,
bin ich gesättigt mit Unrast,
bis es dämmert.
Schneller als das Weberschiffchen
eilen meine Tage,
sie gehen zu Ende,
ohne Hoffnung.

Ich hoffe, Sie erkennen in solchen Worten nicht ihre eigene Lebenssituation dargestellt.

Was soll ein Mensch denn tun, wenn es ihm so geht?

Die Bibel beschreibt Ijob als Modell: Er steht zu seinem maßlosen Leid. Ja, es ist sehr schlimm, was ihn da alles trifft.

Und dann setzt die Bibel fort. Sie macht deutlich, vor wessen Ohren er so klagt:

Denk daran, dass mein Leben nur ein Hauch ist!
Nie mehr schaut mein Auge Glück.
(Ijob 7, 1-4.6-7)

Dass Gott seine Klage hört, davon geht Ijob aus. Vor ihm benennt er ungeschminkt sein Leid. Trotz der Leute, die sagen: „Jammer nicht! Damit änderst du nichts. – Don’t worry, be happy!“ Oder was sonst noch alles den sogenannten „Freunden“ des Ijob einfällt, um das Elend zu beschwören oder zu beschwichtigen.

Uns, die den Ijob so vor Augen gehalten bekommen, mutet die Liturgie im sich unmittelbar anschließenden Antwortpsalm einen Weitsprung zu bis auf die andere Seite dieses Abgrunds:

Ja, gut ist es, unserem Gott zu singen und zu spielen,
ja, schön und geziemend ist Lobgesang.
Der HERR baut Jerusalem wieder auf,
er sammelt die Versprengten Israels.
Er heilt, die gebrochenen Herzens sind,
er verbindet ihre Wunden. …
Der HERR hilft auf den Gebeugten,
er drückt die Frevler zu Boden.
(Psalm 147, 1-6)

Aus der Physik wissen wir: Je höher die Spannung ist zwischen den Polen, umso stärker fließt der Strom vom Negativen zum Positiven. Und je höher der Abgrund ist, umso mehr Kraft entfaltet das hinunterstürzende Wasser.

Aber nur unter einer Voraussetzung: Der Widerstand, der die Spannung aufrechterhält, darf nicht unendlich sein. Mauern, die das Wasser stauen, müssen geöffnet werden. Die erstrebte Veränderung braucht die offene Verbindung zwischen positiv und negativ, zwischen oben und unten.

Wie aber kommt eine Verbindung zustande zwischen Leid und Glück? Wie wird eine zynisch erscheinende Idee zur heilsamen Wirklichkeit?

Reicht es, dass Ijob seine Probleme – klar benannt – Gott anvertraut und ihn damit konfrontiert?

Was Menschen von Gott neu erlebt und verstanden haben, die Jesus begegnet sind, fasst das Markus-Evangelium an diesem Sonntag so zusammen:

In jener Zeit ging Jesus
zusammen mit Jakobus und Johannes
in das Haus des Simon und Andreas.
Die Schwiegermutter des Simon
lag mit Fieber im Bett.
Sie sprachen sogleich mit Jesus über sie
und er ging zu ihr,
fasste sie an der Hand
und richtete sie auf.
Da wich das Fieber von ihr
und sie diente ihnen.
Am Abend,
als die Sonne untergegangen war,
brachte man alle Kranken und Besessenen zu Jesus.
Die ganze Stadt war vor der Haustür versammelt
und er heilte viele,
die an allen möglichen Krankheiten litten,
und trieb viele Dämonen aus. …
In aller Frühe, als es noch dunkel war,
stand er auf
und ging an einen einsamen Ort, um zu beten.
Simon und seine Begleiter eilten ihm nach,
und als sie ihn fanden, sagten sie zu ihm:
Alle suchen dich.
Er antwortete:
Lasst uns anderswohin gehen,
in die benachbarten Dörfer,
damit ich auch dort verkünde;
denn dazu bin ich gekommen.
Und er zog durch ganz Galiläa,
verkündete in ihren Synagogen
und trieb die Dämonen aus.
(Markus 1,29-39)

Jesus ist die Verbindung, mit der die Veränderung in Gang kommt. Wo er ins Spiel der Kräfte kommen kann, werden Widerstände abgebaut und Mauern geöffnet, so dass der Strom des Lebens fließen kann.

Mit ihm machen Menschen die befreiende Erfahrung, dass alles, was krank macht und was die Menschheit wie besessen zur Zerstörung zwingt, seine Energie verliert.

Gottes Geist der Menschenfreundlichkeit entfaltet sich. Das Leben blüht auf.

„Jesus ist die Verbindung, mit der die Veränderung in Gang kommt.“ So habe ich es in meiner Sprache formuliert. In der Sprache der Bibel: „Du bist der Bund, mit dem die Veränderung in Gang kommt.“ In den Worten des Jesaja-Buches haben Christen von Anfang an Gottes Stimme gehört, die das zu Jesus sagt:

… Ich mache dich zum Bund mit dem Volk,
um das Land aufzurichten
und das verödete Erbe zu verteilen,
den Gefangenen zu sagen: Kommt heraus!
und denen, die in der Finsternis sind: Zeigt euch!

Und was zeigt sich dann, was mit ihm in Gang kommt – mit allen, die sich so verbinden lassen?

An den Wegen weiden sie,
auf allen kahlen Hügeln ist ihre Weide.
Sie leiden weder Hunger noch Durst,
Hitze und Sonnenglut treffen sie nicht.
Denn der sich ihrer erbarmt, leitet sie
und führt sie zu sprudelnden Quellen.

(Jesaja 49,8-10)

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