Blogbeitrag

Nachhilfe für die Stadtverwaltung

10. Juni 2017

Sonntags-Shopping am 28. Mai 2017 in Bad Homburg findet nur eingeschränkt statt

Die Katholische Arbeitnehmerbewegung (KAB) und die Gewerkschaft ver.di hätten im Eilverfahren gegen die Sonntagsöffnung geklagt. Mit hohen Erfolgsaussichten. Und mit noch größerem Ärger für die Stadt. Um dem zu begegnen, traf die Stadt Bad Homburg eine neue Entscheidung: Sie begrenzte die Möglichkeit zum Sonntagsverkauf auf das Umfeld des Weinfestes in der Innenstadt. Die „Allianz für den freien Sonntag“ beruft sich bei ihrer entsprechenden Forderung auf die von der Verfassung geschützte Sozialkultur. Daraus ergebe sich, dass eine Sonntagsöffnung nur unter klar bestimmten Bedingungen erlaubt wird. „Das Fest, das dafür den Anlass gibt, muss in der öffentlichen Wahrnehmung prägend bleiben für den Tag. Das Shopping darf nicht zur Hauptsache werden.“ So fasst Rainer Petrak, Vertreter der KAB in der „Allianz“, die geltende Rechtsprechung zusammen. Die mache das unter anderem an Lage und Ausdehnung des Gebietes fest, für das die Sonntagsöffnung freigegeben wird.

Nach der Intervention der Allianz für den freien Sonntag berichtete am Freitag und am Samstag die „Taunus-Zeitung“. Petrak bekam dabei gehörig sein Fett weg. Nun wollte er es wissen. Sein Ausflug zum Weinfest führte ihn schnurstracks zum neu eröffneten schmucken „Möbelland“. Unversehens liefen sich Petrak und Braum direkt in die Arme und ins Gespräch. Es war nicht zu übersehen: Der Verkauf war im vollen Gang. Obwohl das Geschäft weit außerhalb des genehmigten Gebietes liegt.

„Ein ganzes Jahr lang habe ich alles darauf vorbereitet!“ sagte der Firmen-Inhaber. Und das erste Signal der Stadt, dass er das in den Wind schreiben müsse, kam am Freitag.

„Erlaubt“ wäre das ja eigentlich auch nach der Absprache mit den Kirchen gewesen. Aber die Stadt sah sich gezwungen, anders zu entscheiden. Im demokratischen Rechtsstaat hat solche Kungelei eben keinen Platz. Armer Möbel-Braum! Petrak: „Wenn wir das auch zur Anzeige bringen werden, Verständnis für ihn bringe ich sehr wohl auf: Wann wird endlich mal ein geschädigter Einzelhändler bei der Stadt Schadensersatz geltend machen! Ob eine Genehmigung zur Sonntagsöffnung legal ist oder illegal, darf nicht weiterhin ‚scheiß-egal’ sein! Die vom Verfassungsschutz seinerzeit verfolgte Devise der Alt-68er darf doch nicht für das amtliche Handeln einer heutigen Stadtverwaltung zum Maßstab werden!“ Oder ob der Oberbürgermeister vielleicht sagen wolle, er habe das Recht nicht gekannt, das er bei der Freigabe des Sonntagsverkaufs zu befolgen hatte?

Braum stimmte „voll und ganz“ der Argumentation von Petrak zu, die dieser ihm auf der Linie der höchstrichterlichen Rechtsprechung mit Blick auf „Gemeinwohl“ und „Menschenwürde-nahe Grundrechte“ darlegte. Und Petrak klärte, dass der Einzelhandel für die „Allianz“ nicht „die Bösen“ seien. Natürlich sei es recht und billig, wenn ein Unternehmer sein wirtschaftliches Interesse verfolgt. Dass das nicht auf Kosten des Gemeinwohls gehe und weder zu Lasten von Beschäftigten noch von Kunden und zu keiner Verzerrung des Wettbewerbs führe, dafür gebe es Regeln, die den Rahmen abstecken. Und dass die in der Praxis eingehalten werden, darauf müsse die Stadt achten, statt selbst gegen die Regeln zu verstoßen.

Petrak hat sich beim Weinfest umgeschaut. Sein Fazit: „Für ein solches Fest eine rechtmäßige Freigabe der Sonntagsöffnung zu verfügen, wäre nun wirklich kein Kunststück gewesen. Warum nur kriegt die Stadt das aus eigener Kraft nicht hin?“ Da helfe es nicht, die zu beschimpfen und zu verleumden, die das Einhalten der Amtspflichten durch die Verantwortlichen einfordern.

Und Petrak wies darauf hin: Die Parteien wissen sehr wohl, warum sie auf den FDP-Zug nicht aufspringen, das Gesetz müsse geändert werden. Den letzten Verfechtern dieser „Idee“ hat am 17. Mai das Bundesverwaltungsgericht den Wind aus den Segeln genommen: Ein Landesgesetz mag vier Sonntagsöffnungen im Jahr ohne die Voraussetzung eines ausdrücklichen außerordentlichen „Anlasses“ ermöglichen. Doch das ändere nichts: Auch dann müssen in jedem Einzelfall die verfassungsrechtlich gebotenen Merkmale eines gewichtigen „Sachgrunds“ gegeben sein! Das hat das Bundesverwaltungsgericht gerade am 17. Mai im Urteil wegen des rheinland-pfälzischen Ladenöffnungsgesetzes von neuem betont. Ein Ausweg besteht also nur darin, dass Stadtverwaltungen sich an geltendes Recht halten.

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