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Ob da Beten hilft?

21. Juli 2022

Sonntagsbotschaft zum 24. Juli 2022, dem 17. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr C) – etwas länger als sonst, aber vielleicht passend als Start-Impuls für die Ferienzeit. 

„Da hilft nur noch Beten“, sagen Menschen manchmal. Vor allem dann, wenn sie mit all ihrer Kunst am Ende sind. Gott soll’s dann „richten“.

Wieder andere Menschen halten das für einen verzweifelten und realitätsfernen Rückfall in eine unreife Verweigerung, noch brach liegende eigene Kräfte zu mobilisieren.

Durchaus salonfähig und vor Spott ziemlich sicher ist aber, wer bei passender Gelegenheit und mit einem Anflug von Humor den Spruch verwendet „Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand.“

Und wie stehen wohl wirklich die Chancen, wenn ich nicht weiter weiß und mich damit an Gott wende?

Allerdings dürfte das schon eine eher fortgeschrittene Fragestellung sein. Denn davor steht die verbreitete Ratlosigkeit, die sagt: „Ich wüsste gar nicht, wie ich das dann machen sollte – ‚beten‘.“

Beten – wie und wann und warum und ob überhaupt – das war wahrscheinlich zu allen Zeiten eine große Frage.

Auch die Männer und Frauen, die sogenannten „Jünger“, die mit Jesus gingen und schon in einem gewissen Maß mit ihm vertraut waren, trugen diese Frage mit sich herum. Mit Jesus haben sie erlebt, dass er immer wieder betet und wie sein Beten ihn verändert. Er verbringt Zeiten in enger Gemeinschaft mit Gott. Und daraus schöpft er, den Alltag in Gottes Sinn zu leben. Sie selber hätten das anscheinend gerne auch so gehalten wie er. Aber sie waren sich darin offensichtlich unsicher.

Eines Tages – so erzählt das Lukas-Evangelium – sprachen sie ihn darauf an:

Jesus betete einmal an einem Ort;
als er das Gebet beendet hatte,
sagte einer seiner Jünger zu ihm:
Herr, lehre uns beten,
wie auch Johannes seine Jünger beten gelehrt hat!

Leider gibt der Text keine näheren Informationen, welche Vorstellungen seine Jünger mit dem Beten verbanden. Warum oder wofür war es ihnen wichtig zu beten – und zu beten wie Jesus? Was konnte ihnen Anlass zum Beten werden? Die Gewohnheit bestimmter Zeiten? Oder irgendwelche Geschehnisse? Oder einfach weil es sich so gehört? In ihrer religiösen Umgebung jüdischer Tradition gab es ja ein reichhaltiges Brauchtum des Betens. Ich würde gerne wissen, was eigentlich sie zu ihrer Frage oder Bitte an Jesus veranlasst.

Jesus lässt sich auf ihre Bitte ein. Das Lukas-Evangelium überliefert seine Antwort – ja, wie soll ich sagen? – etwas unübersichtlich in mehreren Teilen.

Als erstes steht seine Aufforderung:

Da sagte er zu ihnen:
Wenn ihr betet, so sprecht: …

Geht er davon aus, dass die Frage seiner Jünger nur eine Frage ist, mit welchen Worten sie beten sollten, also die Frage nach einem feststehenden Gebet, das sie sprechen sollen? Dann wäre das Folgende eine Art Ur-Version des Gebets, das wir als das „Vaterunser“ kennen – vielleicht eine Art Alternative zu dem damals verbreiteten Achtzehn-Bitten-Gebet, nur viel knapper. Allerdings verwundert mich dann, dass das Matthäus-Evangelium einen anderen Wortlaut dieses Gebetes überliefert als Lukas.

Oder will Jesus seine Jünger einfach ausdrücklich ermutigen, sich jedenfalls mit ausgesprochenen Worten an Gott zu wenden, wenn sie zu ihm beten wollen? Für den Apostel Paulus allerdings gehört zu seiner Vorstellung vom Beten auch, dass „der Geist“ – wenn unsereins keine Worte mehr findet – in uns „mit unaussprechlichen Seufzern“ betet, also ohne Worte. Vielleicht will Jesus hier aber gerade dazu bewegen, die Anliegen, mit denen Menschen sich betend an Gott wenden, mit Worten klar zu benennen, also sich selber auch klar zu machen, worum es ihnen bei ihrem Gebet wirklich geht?

Oder ist das, was sich für unsere Ohren wie ein festliegender Gebetstext anhört, lediglich eine Aufzählung von „Themen oder Grundanliegen“, zu denen Jesus anregen will, dass sie Inhalt unseres Betens sein sollten? Für eine solche Vermutung könnte sprechen, dass das Matthäus-Evangelium in seiner Erzählung die Antwort von Jesus an seine Jünger zwar mit derselben Grundausrichtung überliefert, dafür aber andere Worte verwendet.

Jedenfalls lohnt es sich, die „Themen oder Grundanliegen“ zur Kenntnis zu nehmen, die Jesus mit seiner knappen Antwort empfiehlt, wie seine Jünger beten sollen:

Vater, geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.

Was für eine Anrede! Ein so vertrauensvolles Du gegenüber dem Schöpfer des Universums, gegenüber dem Herrn der Welt? Das ist alles andere als selbstverständlich! Natürlich spricht das Wort „Vater“ eine große Vielfalt an menschlichen Erfahrungen mit Vätern an und eine geschichtliche Vielfalt an Vorstellungen von der Rolle eines „Vaters“ in Familie und Gemeinwesen. Aber diese Form der Anrede – selbst in herrschaftlich-patriarchalischen Zusammenhängen – die Anrede als „du Vater“ – damit meint Jesus höchstwahrscheinlich vor allem eine liebenswerte Vertrauenswürdigkeit des so angesprochenen Du – einen Vater, wie man ihn sich nur ersehnen kann und dem man sich gerne anvertraut.

Eine entsprechende Haltung eines der Liebe gewissen Vertrauens atmen auch die nächsten Worte: Das ist die Sehnsucht, dass doch in all den Herausforderungen des Lebens vor allem anderen seine Stimme, sein Wort, sein Tun und Wesen – eben sein Name – in liebender Hochschätzung heiliggehalten werde; die Sehnsucht danach, dass doch in all den ungelösten Problemen und Aufgaben der Zeit seine Liebe zu allen Menschen zur alles bestimmenden, herrschenden Kraft werde: „Dein Reich komme!“

Eine solche Haltung möge unser Beten prägen und erfüllen. Dieses Grundanliegen möchte Jesus offensichtlich seinen Jüngern für ihr Beten nahelegen.

Und dann nennt er drei Themen, die wohl zu allen Zeiten der Menschheit nach einer Lösung schreien, die aber – in der genannten Grundhaltung angegangen – neue Chancen gewinnen:

Gib uns täglich das Brot, das wir brauchen!

Was Menschen zum Leben brauchen, das muss bitte auch bei allen ankommen! Und wo immer das Menschen vorenthalten und verweigert wird, braucht es die Kraft, das zu ändern! Wenn Menschen das wirklich wollen und von ihrem Gott wissen, dass er das auch will, und wenn sie dann diesen gemeinsamen Willen Gott in Erinnerung rufen, ja danach zu ihm schreien und offen sind für das, was er ihnen darauf sagen wird, … – eine völlig neue Perspektive!

Das nächste Thema, das Jesus denen ans Herz legt, die sich von ihm das Beten lehren lassen wollen:

Und erlass uns unsere Sünden;
denn auch wir erlassen jedem, was er uns schuldig ist.

Also – so zu beten, das finde ich ja gewagt bis frech. Ich gestehe: Wenn ich das Vaterunser bete, meine ich diese Bitte schon seit vielen Jahren so – in zwei Teilen: Ich bitte ihn zunächst, er möge doch mir und uns und allen unsere Schuld vergeben und uns von ihren schlimmen Folgen frei machen. Und die Worte „wie auch wir …“ meine ich als zweiten Teil meiner Bitte an ihn, er möge doch bitte ebenso auch dafür sorgen, dass „auch wir vergeben unseren Schuldnern“.

Ich halte in der Tat das Thema Schuld für ein umfassendes Problem, das die Menschheit auf ihrem Weg in eine gute Zukunft völlig blockiert und das deswegen unbedingt vordringlich gelöst werden muss.

Will Jesus etwa alle die, die von ihm das Beten lernen wollen, dazu provozieren, dass sie erst dann diese Bitte um Vergebung der eigenen Schuld Gott vortragen, wenn sie selber bereit sind, anderen zu vergeben, und also ehrlich sagen können „wie auch wir vergeben“?

Egal wie man das sieht, jedenfalls legt Jesus das Thema Schuld allen Betenden ans Herz.

Und führe uns nicht in Versuchung!

Dieses dritte Thema, das Jesus uns für unser Beten nahelegt, muss man natürlich erst mal von der Fixierung auf das Thema Sex lösen, um die umfassende menschliche Problematik überhaupt in den Blick zu bekommen, durch die das Thema für ein fruchtbares Beten so wichtig wird.

„Versuchung“ – die damit gemeinte Problematik wird sehr deutlich in der biblischen Erzählung von den Versuchungen, denen Jesus ausgesetzt war: die Versuchung der Lust an der eigenen Macht über andere Menschen, wenn man sich bemüht, Hass und Gewalt, Unrecht und Unterdrückung zu bekämpfen. Ein Teufelskreis, der alles Böse nur verstärkt – ein Widerspruch zwischen dem eigenen Verhalten und den eigenen Überzeugungen. Gott bewahre vor dieser Versuchung, die allen erfolgreich Engagierten droht: Die Autorität einer entfalteten Kraft zum Guten darf sich nie an meine Person binden – bei aller Freude, wenn mein Beitrag dazu gelungen ist – ; sie bleibt immer Gott vorbehalten, der Quelle von allem Guten.

Wenn ich versuche, mich in die Jünger hineinzuversetzen, denen Jesus so geantwortet hat auf ihre Bitte, sie ein sinnvolles und fruchtbares Beten zu lehren, dann spüre ich in mir das Bedenken:

Wenn ich – in so vollem Problembewusstsein – das vor dir ausgesprochen habe, was uns belastet und was wir ersehnen, – warum sollte ich jetzt davon ausgehen können, dass du, Vater, Gott, Herr der Welt, dich mit deinen Möglichkeiten dieser Anliegen annehmen solltest?!

Überraschend passgenau dazu folgt dann der nächste Teil der Antwort, die Jesus seinen Jüngern gibt, die von ihm das Beten lernen wollen:

Dann sagte er zu ihnen:
Wenn einer von euch einen Freund hat
und um Mitternacht zu ihm geht
und sagt: Freund, leih mir drei Brote;
denn einer meiner Freunde, der auf Reisen ist,
ist zu mir gekommen
und ich habe ihm nichts anzubieten!,
wird dann der Mann drinnen antworten:
Lass mich in Ruhe,
die Tür ist schon verschlossen
und meine Kinder schlafen bei mir;
ich kann nicht aufstehen und dir etwas geben?
Ich sage euch:
Wenn er schon nicht deswegen aufsteht
und ihm etwas gibt, weil er sein Freund ist,
so wird er doch wegen seiner Zudringlichkeit aufstehen
und ihm geben, was er braucht.

Auch wenn ich fürchten muss, mit meiner aufdringlichen Bitte zu unpassendem Zeitpunkt dir sehr lästig zu werden, – aber ich brauche deine Hilfe; ich muss doch meinem Besuch zu essen geben! Und ich wende mich damit vertrauensvoll an dich, weil ich doch dein Freund bin!

Was will Jesus damit sagen?

Dem drängenden Anliegen seines Freundes kann Gott sich nicht verweigern! Selbstverständliche Voraussetzung ist, dass meine Bitte mir ein wichtiges Anliegen ist. Falls ich ihm da nur etwas aus einem Buch vorgelesen haben sollte, wozu ich selber gar nicht authentisch stehe, – wenn er das mitkriegt, riskiere ich, dass er mich zum Teufel jagt. Nein, das Vertrauen zum Freund darf ich so nicht missbrauchen! Wenn er aber merkt, dass mit meinem vorgebrachten Anliegen ich selber mit meiner ganzen Person vor ihm stehe, dann wird er nicht Nein sagen. Nein, Gott jedenfalls nicht!

Und Jesus fährt fort:

Darum sage ich euch:
Bittet
und es wird euch gegeben;
sucht
und ihr werdet finden;
klopft an
und es wird euch geöffnet.

Denn
wer bittet,
der empfängt;
wer sucht,
der findet;
und wer anklopft,
dem wird geöffnet.

Spüren Sie den Nachdruck, mit dem Jesus hier darum wirbt, sich Gott so anzuvertrauen? Er lässt es auch nicht dabei bleiben, sondern der Evangelist Lukas, dem solches Liebeswerben von Jesus offensichtlich wichtig ist, fügt das Argument an, mit dem Jesus das alles unterstreicht:

Oder welcher Vater unter euch,
den der Sohn um einen Fisch bittet,
gibt ihm statt eines Fisches eine Schlange
oder einen Skorpion, wenn er um ein Ei bittet?
Wenn nun ihr,
die ihr böse seid,
euren Kindern gute Gaben zu geben wisst,
wie viel mehr wird der Vater im Himmel
den Heiligen Geist denen geben, die ihn bitten.
(Lukas 11, 1-13)

Oh! Also doch Stein statt Brot? Den Heiligen Geist statt Ende des Krieges? Was macht Jesus da mit seinen Jüngern, die von ihm das Beten lernen wollen? Was macht er da mit uns? Denen, die ihn um alles Mögliche bitten: um Brot, um Hilfe für andere, um was weiß ich was, – denen wird er stattdessen „den Heiligen Geist“ geben?

Es braucht einen nachdrücklichen Willen, von Jesus das Beten zu lernen, um hier nicht vorschnell abzuschalten: „Wusste ich es doch, dass er meine Bitten nicht erhören wird!“

Bei ausdauerndem Nachdruck in meinem Willen zu einer erfüllten betenden Beziehung zu Gott bleibe ich am Ball und lasse nicht locker. Ich hoffe auf Licht für meine dunkle Ahnung, dass die Zusage des „Heiligen Geistes“ eine Erfüllung enthält, die ich aus der Verpackung lösen muss, um sie nutzen zu können:

Immerhin – im Matthäus-Evangelium bekräftigt Jesus an dieser Stelle, Gott werde denen, die ihn darum bitten, „Gutes“ geben! Der Heilige Geist also das Gute, um das wir bitten? Wie soll das gehen?

Ich taste mich heran:

Eines Tages im Frühjahr 1996 entfuhr mir ein heftiges Stoßgebet der Ungeduld mit mir selber: „Gott, jetzt hilf mir doch endlich, dass ich loskomme von dieser Sucht!“ Ich rauchte seit Jahren täglich um die 40 Zigaretten. Sofort nach meinem Stoßgebet hörte ich in mir die Antwort: „Du willst doch noch gar nicht wirklich aufhören!“ Verblüfft, fühlte ich mich ertappt und konnte nur laut lachen. Ja, ich musste zugeben und mir leuchtete ein: Ich wollte eigentlich von ihm nur einen irgendwie magischen Eingriff, ohne selber die entsprechende Willensanstrengung aufzubringen. Das war wohl einer der ersten Atemzüge des „Heiligen Geistes“ in mir, denen ich es zu verdanken habe, dass ich ein Jahr später so weit war.

Ein anderes Beispiel: Wir hatten in den Gottesdiensten der Gemeinde immer wieder Fürbitte gehalten für die Menschen ohne Wohnung. Im Zusammenhang der Fragestellung, zu welchen Menschen denn Jesus „uns 72“ aussenden wollte (vgl. Sonntagsbotschaft zum 03.07.2022 „Neue Stadt“), sahen wir uns dann veranlasst, uns zu beraten über die Lebenssituation dieser Menschen, die uns oft lästig wurden und die wir in der Alltagssprache damals oft noch „Penner“ nannten. Ein eher „Heiliger Geist“ wandelte unsere Einstellung ihnen gegenüber und führte zu einem dreifachen Projekt, mit dem wir uns schließlich „in Gottes Namen“ ihnen zuwandten:

  • ein Schild am Straßenrand mit der Einladung
    „hier belegte Brote für Durchreisende“,
  • das sozialarbeiterisch begleitete Angebot
    von Übergangswohnungen in Wohnwagen auf dem Kirchengelände
  • und ein jährliches „Sommerfest mit Wohnsitzlosen“ –

mit einer nicht zu vernachlässigenden Wirkung auf die gesamte Stimmung im Stadtteil gegenüber diesem Personenkreis.

„Wenn nun schon ihr euren Kindern gute Gaben zu geben wisst, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist denen geben, die ihn bitten.“ Was sagt Jesus damit? Und worauf kommt es ihm da an?

Ich verstehe es so: Gott nimmt sich der im Gebet vorgebrachten Anliegen an, indem er den Betenden seinen Heiligen Geist eingibt! Erst einmal spüren sie die Übereinstimmung mit Gottes Willen, und das bestärkt sie in ihrem Anliegen. Sie erfahren sich dann befähigt und berufen, zur Erfüllung ihrer Bitte beizutragen – in gegenseitiger Abstimmung der Möglichkeiten aller Einzelnen in ihrem Miteinander. Dazu erinnert er immer wieder an sein erlösendes, wegweisendes Wort – jedenfalls alle die, die sich gerne von ihm leiten lassen wollen.

Er ist nicht ein Gott, der mit Gewalt eingreift in Zusammenhänge von Kräften und in Dynamiken von Ursachen und Wirkungen oder wie ein Magier. Er entmündigt nicht die Menschen zu Marionetten seines Handelns, sondern gibt ihnen Anteil an seiner Würde. Er bringt nicht die natürlichen Abläufe durcheinander, in denen die Menschen sich orientieren und Gestaltungsmöglichkeiten entwickeln. Er gibt ihnen – wenn sie nicht widerstreben – seinen Geist und regt sie aus ihrem Inneren heraus zum Handeln an! Und wahrscheinlich ergänzt er das unauffällig durch dezente, aber effektive Eingriffe, die wir meistens als Zufall oder als Streuräume der Wahrscheinlichkeit betrachten.

Die Frage, ob Beten hilft, besteht aus vielen Fragen. Auch aus Fragen, die er an uns hat.

Zum Beispiel wenn wir ihn um Frieden bitten und dabei sehr konkrete Vorstellungen meinen, dann müssen wir uns schon von ihm sagen lassen: Ja, ich habe euch ja den Frieden versprochen. Und habe dazu gesagt: nicht so wie die Welt ihn gibt und ihn sich vorstellt! Aber ihr meint, ihr könnt mich auf eure Vorstellungen festlegen? Damit hindert ihr mich natürlich, meine Zusagen wahr zu machen. Ihr müsst halt im Gespräch mit mir bleiben und euch etwas von mir sagen lassen – und nicht immer nur auf eure Herrschaften hören!

Ja, von der wirklichen Erfüllung unserer Sehnsüchte, die wir in unseren betenden Bitten ihm sagen, hat er oft andere Vorstellungen als wir.

Der Dissident im Gefängnis, für dessen Befreiung er selbst und viele andere beten, entwickelt dann vielleicht sogar ein Bewusstsein von innerer Freiheit, wie er es außerhalb der Gefängnismauern nie bewusst erlebt hat.

Der Apostel Paulus geht da sehr weit, wenn er in einem Anflug von sozusagen unverletzlicher Souveränität des Glaubenden ausruft: „Was könnte uns denn trennen von der Erfahrung der Liebe, die Christus für uns hat! Etwa Hunger oder Krankheit oder Schwertgewalt oder Verleumdung oder ein Flugzeugabsturz …?! Selbst nicht der Tod!“ (vgl. Römer 8,35-39)

Wenn das so ist, muss ich nicht mehr im Voraus wissen, auf welche Weise Gott mein Beten erhören wird. Hauptsache, ich vertraue mich ihm an mit dem, was mich erfüllt!

In einem Gespräch darüber sagte der 37jährige D. im Ergebnis lachend: „Nicht verzweifeln! Mit Gott hadern!“ Und meine Bitte für ihn beschließe ich mit den Worten: „Du wirst schon wissen, wie du auf sein Leben einwirken kannst, ohne dass es auffällt.“

Als Abschluss füge ich hier noch eine Tonaufnahme an von der Lesung aus dem Buch Genesis, die in der kirchlichen Leseordnung dem Evangelium dieses Sonntags zugeordnet ist. Die Art, wie der Lektor (Robert Kretz) das damals (am 13.07.1989 in Herz Jesu Frankfurt-Fechenheim) verkündet hat, macht das beeindruckende Beispiel nachvollziehbar, wie Abraham mit seinem drängenden Anliegen sich im Gebet an Gott wendet:

In jenen Tagen
sprach der HERR zu Abraham:
Das Klagegeschrei über Sodom und Gomorra,
ja, das ist angeschwollen
und ihre Sünde, ja, die ist schwer.
Ich will hinabsteigen
und sehen, ob ihr verderbliches Tun
wirklich dem Klagegeschrei entspricht,
das zu mir gedrungen ist, oder nicht.
Ich will es wissen.
Die Männer wandten sich ab von dort und gingen auf Sodom zu.

Abraham aber stand noch immer vor dem HERRN.
Abraham trat näher
und sagte:
Willst du auch den Gerechten mit den Ruchlosen wegraffen?
Vielleicht gibt es fünfzig Gerechte in der Stadt:
Willst du auch sie wegraffen
und nicht doch dem Ort vergeben
wegen der fünfzig Gerechten in ihrer Mitte?
Fern sei es von dir, so etwas zu tun:
den Gerechten zusammen mit dem Frevler töten.
Dann ginge es ja dem Gerechten wie dem Frevler.
Das sei fern von dir.
Sollte der Richter der ganzen Erde nicht Recht üben?
Da sprach der Herr:
Wenn ich in Sodom fünfzig Gerechte in der Stadt finde,
werde ich ihretwegen dem ganzen Ort vergeben.

Abraham antwortete
und sprach:
Siehe, ich habe es unternommen,
mit meinem Herrn zu reden, obwohl ich Staub und Asche bin.
Vielleicht fehlen an den fünfzig Gerechten fünf.
Wirst du wegen der fünf die ganze Stadt vernichten?
Nein, sagte er,
ich werde sie nicht vernichten,
wenn ich dort fünfundvierzig finde.

Er fuhr fort, zu ihm zu reden:
Vielleicht finden sich dort nur vierzig.
Da sprach er:
Ich werde es der vierzig wegen nicht tun.

Da sagte er:
Mein Herr zürne nicht, wenn ich weiterrede.
Vielleicht finden sich dort nur dreißig.
Er entgegnete:
Ich werde es nicht tun, wenn ich dort dreißig finde.

Darauf sagte er:
Siehe, ich habe es unternommen, mit meinem Herrn zu reden.
Vielleicht finden sich dort nur zwanzig.
Er antwortete:
Ich werde sie nicht vernichten um der zwanzig willen.

Und nochmals sagte er:
Mein Herr zürne nicht,
wenn ich nur noch einmal das Wort ergreife.
Vielleicht finden sich dort nur zehn.
Er sprach: Ich werde sie nicht vernichten um der zehn willen.
(Genesis 18,20-32)

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