Sonntagsbotschaft zum 31. Juli 2022, dem 18. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr C).
„Habt ihr schon geerbt – oder redet ihr noch miteinander?“ Ja, leider wiederholt habe ich es erlebt: Der letzte Elternteil ist gestorben. Wie werden sich jetzt die Geschwister einigen, wer welchen Anteil erhält am hinterlassenen Elternhaus?
Da sieht es manchmal tatsächlich so aus, als hinge der Sinn meines Lebens einzig und allein davon ab, dass ich jedenfalls bekomme, was ich mir vorstelle.
„Will haben!“, heißt das in der Sprache der Kleinkinder. Wer mir das streitig machen und nicht hören will, der muss halt fühlen – auch wenn er mir Bruder oder Schwester ist.
In einen solchen Streit sah eines Tages Jesus sich hineingezogen:
In jener Zeit
bat einer aus der Volksmenge Jesus:
Meister, sag meinem Bruder,
er soll das Erbe mit mir teilen!
Er erwiderte ihm:
Mensch, wer hat mich
zum Richter oder Erbteiler bei euch eingesetzt?
Ja, in einer solchen Situation greift man manchmal zu jeder verfügbaren Autorität, um sie fürs Durchsetzen der eigenen Vorstellung dienstbar zu machen.
Dann sagte er zu den Leuten:
Gebt Acht, hütet euch
vor jeder Art von Habgier!
Denn das Leben eines Menschen besteht nicht darin,
dass einer im Überfluss seines Besitzes lebt.
„Haben wollen“ – oder – dieselbe „Kultur“ in Erwachsenen-Sprache übersetzt: „Haste was, dann biste was!“ – und „wer oder was sein“ will man natürlich.
Trifft Jesus ins Schwarze, wenn er meint, manche Menschen sehen den Sinn ihres Lebens darin, ihre Habgier zu befriedigen, und das sei so verbreitet, dass man sich davor hüten muss?
Und er erzählte ihnen folgendes Gleichnis:
Auf den Feldern eines reichen Mannes
stand eine gute Ernte.
Da überlegte er bei sich selbst:
Was soll ich tun?
Ich habe keinen Platz,
wo ich meine Ernte unterbringen könnte.
Schließlich sagte er:
So will ich es machen:
Ich werde meine Scheunen abreißen
und größere bauen;
dort werde ich mein ganzes Getreide
und meine Vorräte unterbringen.
Dann werde ich zu meiner Seele sagen:
Seele, nun hast du einen großen Vorrat,
der für viele Jahre reicht.
Ruh dich aus, iss und trink
und freue dich!
Das klingt doch eigentlich nicht unvernünftig. Oder?
Da sprach Gott zu ihm:
Du Narr!
Noch in dieser Nacht
wird man dein Leben von dir zurückfordern.
Wem wird dann das gehören,
was du angehäuft hast?
So geht es einem,
der nur für sich selbst Schätze sammelt,
aber bei Gott nicht reich ist.
(Lukas 12,13-21)
Was am Verhalten des reichen Mannes macht ihn in den Augen von Jesus zu einem Narren? Jesus könnte doch auch sagen: Der Mann hat Pech, wenn ein plötzlicher Tod ihm seine Pläne durchkreuzt. Jesus charakterisiert die Situation so:
Auf den Feldern des reichen Mannes – er hatte also eine Reihe davon – steht eine gute Ernte. Mit einem solchen Glücksfall hat er nicht gerechnet; das überfordert alle seine bisherigen Planungen für eine eventuelle gute Ernte. Das macht ihn erst mal ratlos und er überlegt hin und her. Aus der Vielfalt der sich ihm ergebenden Möglichkeiten trifft er am Ende eine Entscheidung, die sich ausschließlich am eigenen Interesse misst und an der so ermöglichten Ruhe vor jeglichen Anforderungen aus den Interessen anderer Menschen.
Mit dieser Beispielgeschichte macht Jesus „die Leute“ aufmerksam auf die Kurzsichtigkeit, in der Menschen immer wieder Zerwürfnisse und Unfrieden riskieren, nur um sich eine materielle Besserstellung zu sichern.
„Habgier“ nennt er das.
Mit seiner Geschichte zeigt er, wie kontraproduktiv und total sinnlos eine solche Einstellung sich auswirken kann.
Und warum regt Jesus sich da so auf und warum ist dem Lukas diese Begegnung so wichtig, dass er sie in sein Evangelium aufnimmt?
Jesus meint anscheinend, diese Einstellung ist so verbreitet, dass sie für viele geradezu den Sinn des Lebens ausmacht, nämlich: wie mit Scheuklappen nur darauf aus zu sein, aufgrund eines möglichst großen Vermögens im Überfluss zu leben.
Ist das so? Hauptsache ein eigenes wirtschaftlich sorgloses Dasein für alle, die die Möglichkeiten dazu haben, und ansonsten: Lasst uns mit allem in Ruhe?
Als Pole, zwischen denen sich ein Gestaltungsspielraum des Lebens abspielt, benennt Jesus einerseits „für sich selber Schätze sammeln“ und andererseits „vor Gott reich sein“.
Was meint er mit „vor Gott“ oder „bei Gott“, wie es in der neuen Einheitsübersetzung heißt?
Wenn er das als entgegengesetzte Pole hinstellt, welche konkreten Wirklichkeiten meint er da in der Geschichte und in der Situation, die ihn zu der Geschichte veranlasst?
Der reiche Mann, dem der plötzliche Tod dazwischenkommt, kann das alles gar nicht nutzen. Es bleibt an ihn nur die Erinnerung, dass er ein habsüchtiger Egoist war. Das wünscht Gott keinem Menschen. In seinen Augen sollte das Leben eines jeden Menschen reich sein an Wertschätzung und Liebe. Entsprechend sollte Eintracht und Frieden unter den Menschen nicht auf dem Altar der Habgier geopfert werden.
Mit dieser Begegnung möchte Jesus offensichtlich – so gut er kann – auf ein besser glückendes Miteinander der Menschen hin wirken.
Insbesondere Menschen, die ihn als „unsern Herrn“ bekennen, tun gut daran, sich voller Vertrauen von ihm erinnern zu lassen:
Nicht nur – wie er gesagt hat – das Gesetz ist für den Menschen da, nicht der Mensch für das Gesetz.
Sondern eben auch: Die Wirtschaft ist für den Menschen da, nicht der Mensch für die Wirtschaft.
Auch wenn man sich damit Feinde machen sollte. Jesus selber hat da jedenfalls nicht gekniffen; er hat dafür sogar den Tod riskiert.