Blogbeitrag

Und es bleibet dabei: Der Sonntag bleibt frei! (2014)

27. November 2014

26.11.2014.

Über Leipzig schien die Sonne. Auch aus dem ziemlich gefüllten großen Saal des Bundesverwaltungsgerichts reichten ihre Strahlen offensichtlich ziemlich weit: Heute, am Tag danach, hörte ich am Telefon geradezu das Aufstrahlen der jungen Mutter: „Wie, muss ich dann auch nicht mehr am Sonntag arbeiten?!“ In der Tat, da sie in einem „Dienstleistungsunternehmen mit Auskunftserteilung und Beratung per Telekommunikation“ arbeitet, kann sie ab sofort sicher sein: Die Zumutung, auch sonntags, statt Zeit mit der Familie zu haben, im Callcenter zu arbeiten, hatte sie der Hessischen Landesregierung zu verdanken; die hatte ja mit dem Erlass der „Bedarfsgewerbeverordnung“ gemeint, das sei nicht so schlimm; schlimmer sei es – ein „erheblicher Schaden“ – , wenn die Info- oder Rat-suchende Person diesen Anruf an einem Werktag erledigen und also vielleicht damit einen Tag warten muss.

Die Menschen in kirchlichen und gewerkschaftlichen Gruppierungen, die die „Hessische Allianz für den freien Sonntag“ bilden, haben ihre Meinung auf den Weg gebracht und nun erreicht, dass auf höchstrichterlicher Ebene – und das nicht nur für Hessen – der ausufernden Sonntagsarbeit ein Riegel vorgeschoben wird. Schön ist es zu sehen, wie umfassend die Medien mit ihrer Berichterstattung über das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. November das Interesse der Bevölkerung widerspiegeln und wie schon am Tag danach im Internet die Freude ihre Wellen schlägt:

  • „Endlich mal wieder ein Zeichen dafür, dass unsereins den egoistischen Gruppen-Interessen von wenigen Geldmächtigen doch nicht schutzlos ausgeliefert ist!“
  • „Ein herzliches Ade der erbarmungslosen Kommerzialisierung meiner Lebenszeit!“
  • „sorry aber wenn ich nicht in der lage bin am samstag mir zu überlegen ob ich sonntag einen film sehen will dann hab ich ganz andere probleme mein leben geplant zu bekommen. gleiches gilt für call center. die kann man auch unter der woche bis spät nachts anrufen.“

Das ist dieselbe Denkrichtung, die auch das Gericht „im Namen des Volkes“ meinte:

  • Da gibt es einmal die am Sonntag nötige Arbeit „für den Sonntag“:
    z.B. wenn ich mit Freunden am Sonntag gemeinsam essen gehen will, dann geht solche lebensdienliche Sonntagsgestaltung eben nicht am Werktag; deswegen darf natürlich in der Gastronomie am Sonntag gearbeitet werden.
  • Und es gibt die am Sonntag nötige Arbeit „trotz des Sonntags“:
    z.B. wenn ich am Sonntag meine Kreditkarte verliere, dann muss ganz einfach sofort – auch wenn gerade Sonntag ist – jermand beim entsprechenden Notdienst meinen Anruf entgegennehmen können.
  • Aber dem Erfordernis, dass jede Sonntagsarbeit an einem Werktag nicht durchgeführt werden könne, wird es halt nicht gerecht, wenn Menschen
    z.B. in Videotheken sonntags arbeiten sollen, nur weil jemand „ein spontan aufgetretenes Freizeitbedürfnis sofort befriedigt haben will“ – so in der mündlichen Verhandlung vom Vorsitzenden Richter gesagt.

Das gilt natürlich unbeschadet aller Wertschätzung für spontan auftretende Freizeitbedürfnisse – die halt auch jene Menschen haben, die durch Sonntagsarbeit an ihrer (sofortigen) Befriedigung gehindert werden!

Ich wurde gefragt, warum ich denn als in der Kirche engagierter Mensch so viel Energie in dieses politische Thema investiere. Ja, warum?

Im Gottesdienst der katholischen Kirche gibt es an Weihnachten an hervorgehobener Stelle ein Gebet, in dem wir Gott mit den Worten preisen: „Du hast den Menschen in seiner Würde wunderbar erschaffen und noch wunderbarer erneuert.“

Die gemeinte Würde und erstrangige Wichtigkeit gilt bei Gott als heilig – ebenso für alle, die ihm anhängen, (übrigens auch für das deutsche Grundgesetz: heilig = unverletzlich). Solcher Vorrang

gilt nicht dem rendite-hungrigen Investor,
gilt nicht dem Top-Manager eines Großunternehmens,
gilt nicht dem unsolidarischen Auf-Teufel-komm-raus-Durchsetzer der eigenen Interessen,
….,
sondern solcher Vorrang gilt dem MENSCHEN –
und das natürlich samt seinen Erfordernissen und Bedürfnissen nach einem menschenwürdigen Leben.
Und das auch noch für alle!
„Gemeinwohl“ nennen wir das.

Und das kann oft durch soziales Engagement oder Nächstenliebe der verbreitet hochgeschätzten individuellen Art nicht ausreichend bewirkt werden. Deswegen gilt verbreitet unter Kirchennahen: „Je mystischer (= je mehr im Glauben mit Gott verbunden), desto politischer!“

Und da letztes Ziel dabei nicht ein von allem Irdischen losgelöster „Gott“ ist, sondern: „Dein Reich komme, dein Wille geschehe …“ (weswegen Gott ja nach christlichem Bekenntnis Mensch in dieser Welt geworden ist), steht „der Mensch“ samt dem Gemeinwohl im Brennpunkt christlicher Blickrichtung.

Offenbar übrigens wohl auch im Brennpunkt von Gottes Blickrichtung. Was anderes sollte der Kern dessen sein, was Christen bald wieder an Weihnachten feiern!

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