Blogbeitrag

Wunderbare Brotvermehrung – aktueller Impuls

1. August 2018

nach Johannes 6, 1-15
im Sonntags-Gottesdienst am 29. Juli 2018
von Rainer Petrak

„Als die Menschen das Zeichen sahen, das er getan hatte, …“ Und am Anfang des Abschnitts hatte es geheißen: „Eine große Menschenmenge folgte ihm, weil sie die Zeichen sahen, die er an den Kranken tat.“

Was ist das, was Jesus getan hatte – auf dem Berg abseits, wo er diese vielen Menschen sah, die ihm folgten?

Das Pascha-Fest im fernen Jerusalem steht bevor; Menschen in der Mitte der Gesellschaft sollten sich eigentlich dorthin auf den Weg machen, statt diesem Wanderprediger hinterherzulaufen.

… und davor – in der Begegnung mit kranken Menschen, – was hatte Jesus da getan?

Man wusste doch: Wer krank ist, ist halt selber schuld; auch wenn er fragt „Womit hab‘ ich das verdient?“ Wenn Gott einen straft, muss man das doch demütig hinnehmen!

Was hatten diese Menschen gesehen, was hier im Evangelium „Zeichen“ genannt wird?

Und wofür ist das ein Zeichen?

Das sind doch fromme Leute; sonst wären sie nicht da. Die wissen doch schon, worauf es  ankommt. Was will er ihnen denn Neues zeigen, was so wichtig sein soll!

Und als ich eben als Fazit zu dieser Erzählung hinterher betonte „Evangelium unseres Herrn Jesus Christus!“, da haben Sie sofort geantwortet – wie wenn diese Erzählung Sie bereits vom Hocker gerissen hätte: „Lob sei dir, Christus!“ Wenn wir das wirklich so meinen, muss doch da etwas drinnen stecken, das bei uns ankommen zu lassen sich lohnt! Anscheinend will doch der Gott, den wir hier an diesem Sonntag feiern, auch uns ein Zeichen geben, weil er einen Blick für uns viele Menschen hat!

Das Erste, was uns von Jesus und seinem Tun hier erzählt wird, ist: Ausdrücklich und bewusst macht Jesus aufmerksam, dass „diese Leute zu essen“ brauchen und dass er und alle, die auch sonst mit ihm gehen, dabei eine Verantwortung haben: „Wo sollen wir Brot kaufen, damit diese Leute zu essen haben?“ So veranlasst er Philippus und Andreas, das Problem anzugehen, das sie gemeinsam herausfordert.

Angesichts ihrer bisherigen Lebenserfahrung und angesichts dieser Menschenmenge – der Text betont: Allein an Männern sind es 5000! – angesichts dessen können sie eine Lösung allerdings nicht erkennen.

In der so umrissenen Situation – die in diversen Varianten bis heute alltäglich vorkommt – tut Jesus ein Zweites: Obwohl panische Hektik oder auch Resignation nahe liegen würde, leitet er zu Vertrauen und Ruhe an. „Lasst die Leute sich setzen!“ sagt er. – Und auch Sie sitzen hier jetzt schon mal. – Und dann: Vor den Augen der Menschen beginnt er mit fünf Broten und zwei Fischen, die er von einem in der Menge anwesenden Jungen hat. Mit Dank an Gott, der für die Menschen sorgt, fängt er lediglich an auszuteilen. Klar: Das ist für alle gemeint. Und alle bekamen, „so viel sie wollten“!

Anscheinend verteilt Jesus mit dem Brot und den Fischen zugleich sein dankbares Gottvertrauen, das jetzt eine ganze Bewegung in Gang setzt: Da ist offensichtlich nicht nur der kleine Junge, der den Vorrat dabei hat. Da sind auch andere, die anscheinend Freude daran finden, das von Gott Gegebene aus ihren Taschen auch mit anderen zu teilen.

Mehr tut Jesus nicht. So erzählt es das Evangelium.

Nur am Ende macht er die Menschen noch einmal aufmerksam auf das Ergebnis: Auch heute sollen sie alle, wenn sie satt geworden sind – entsprechend der jüdischen Tischsitte – alle essbaren Reste einsammeln und zusammenbringen. Das Ergebnis können sie sehen. Sehr verwunderlich: Die Zahl der gefüllten zwölf Körbe mit Übriggebliebenem steht für die Gesamtheit der zwölf Stämme Israels. Für das ganze Volk also – das soll deutlich werden – reichen sogar die Reste von dem, wovon es am Anfang aussah, als müssten sie alle verhungern! Und dazu heißt es dann im Text: „Als die Menschen das Zeichen sahen, das er getan hatte, …“ Eigentlich hatten sie selber fast alles getan. Wesentlich ist: Sie haben sich von Jesus dazu in Bewegung setzen lassen. Sie haben auf ihn gehört und haben sich von ihm zeigen lassen, wie Gott wirkt und wie wir mitwirken können!

Traditionell ist diese bekannte Erzählung immer wieder „die Wunder-bare Brotvermehrung“ genannt worden. Menschen haben da also nicht ein „Zeichen“ gesehen, sondern ein „Wunder“.

Was ist der Unterschied? – Und, den Unterschied zu betonen, ist das nicht Haarspalterei? – Immerhin sagt Jesus in der Fortsetzung des Gehörten (6,21): „Ihr sucht mich nicht, weil ihr Zeichen gesehen habt, sondern weil ihr von den Broten gegessen habt und satt geworden seid.“

Oder: Woran wir uns beim Stichwort „Hochzeit zu Kana“ erinnern, das ist das „Wunder“ – wie wir sagen – , dass Jesus Wasser in Wein verwandelt hat. Obwohl dort im Evangelium die Erzählung zusammengefasst wird mit den Worten „So tat Jesus sein erstes Zeichen“.

Im gleichen Stil resümiert das Evangelium die Erzählung vom königlichen Beamten, dessen Sohn im Sterben lag und der einfach dem Wort von Jesus glaubte „Geh, dein Sohn lebt!“: „So tat Jesus sein zweites Zeichen“ (4,54), sagt die Bibel dazu.

Und immer wieder lohnt es sich zu schauen, was denn da erzählt wird, was Jesus konkret tut – zum Beispiel bei den so genannten Zeichen, die sie sahen, die er an den Kranken tat, weswegen heute diese große Menschenmenge ihm folgte: Das zuletzt davor genannte bestand darin, dass Jesus an einer von vielen Kranken frequentierten Heilquelle einen hilflosen Gelähmten  provozierend fragt: „Willst du gesund werden?“ Und als der sich daraufhin zu seiner Sehnsucht bekennt, tut Jesus nichts Weiteres, als ihm zu sagen: „Steh auf, nimm deine Bahre und geh!“ Und statt dass dieser Mensch sich auf den Arm genommen fühlt, weiß er sich ernst genommen, lässt sich deshalb auf das Wort von Jesus ein und tut, was der ihm sagt. – Grundmuster der „Zeichen“, die Jesus tut.

Auch die Erzählung von der Heilung des Blindgeborenen nennt das Evangelium ein „Zeichen“ (9,16); „das Wirken Gottes soll an ihm offenbar werden“ (9,3). An diesem Beispiel sollen also die Menschen sehen können, wie Gott wirkt, sagt Jesus.

Und wenn Sie sagen sollten, worin denn bei der Auferweckung des Lazarus das „Wunder“ bestand, würden sie Ihre Bibelkenntnis sofort unter Beweis stellen und sagen: „Na, dass Jesus den toten Lazarus wieder ins Leben zurückgeholt hat.“ – Obwohl ja Jesus, der dabei mit Blick zum Himmel in Freude ausbricht „Vater, ich danke dir, dass du mich erhört hast!“, obwohl er diese Worte schon vorher ausruft, nämlich als er merkt, sie folgen tatsächlich seiner Aufforderung: „Da nahmen sie den Stein weg.“ Dass da Menschen auf ihn hören und das anscheinend Verrückte tun, das ist für Jesus zum Wundern. Das Evangelium selbst bezeichnet die Erzählung als ein „Zeichen“ (12,18).

Und „noch viele andere Zeichen“ habe Jesus vor den Augen seiner Jünger getan, heißt es am Ende des Johannes-Evangeliums. (20,30) Und seine Gegner beklagen sich „Dieser Mensch tut viele Zeichen. Wenn wir ihn gewähren lassen, werden alle an ihn glauben.“ (11,47f) – Und dann verändert sich die Welt! – Um Gottes willen!

Er darf den Leuten nicht „zeigen“, wohin es führt, wenn sie auf ihn hören und sich von ihm führen lassen, wenn sie in ihrem persönlichen wie im politischen Handeln an ihm Maß nehmen. Nein nein, die Leute sollen vielmehr weiterhin anerkennen, dass das Maß von ihnen, den Mächtigen, vorgegeben wird. Wenn die Leute sich unbedingt an Gott orientieren wollen, sollen sie das gefälligst in ihrer privaten Moral berücksichtigen und ihr religiöses Bedürfnis dadurch stillen, dass sie eben die „göttliche Macht“ in dem erkennen, der so tolle Wunder tut, dass man ihn doch eigentlich nur unterwürfig und mit stets erneuertem schlechtem Gewissen anerkennen kann.

Von der Anspielung im Evangelium können wir uns heute sagen lassen: Ja, das Pascha, das Festmahl der Befreiung aus der Unterdrückung in Ägypten, ist nahe. Ostern, diese Neuauflage mit Jesus, ist sogar das Nächstliegende und wirklich Maß-geblich für ein gelingendes Leben, wie es Gottes Wille für uns ist. Es lohnt sich, uns ihm anzuvertrauen und uns zeigen zu lassen: „Seht: Das ‚Lamm‘, das Gott hingegeben hat! Es schon vorab feiernd miteinander zu teilen und sich einzuverleiben, das befreit aus der ‚Sünde‘, in die diese Welt uns einbinden will.“

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