Blogbeitrag

Zeitsouverän oder flexibel?

3. Januar 2018

Aktuell tobt ein heftiger Konflikt beim Schutz des arbeits- und shopping-freien Sonntags: schleichende Ausweitung der Sonntagsarbeit, Online-Handel, Call-Center, mehr verkaufsoffene Sonntage.

Rainer Petrak, pensionierter Frankfurter Pfarrer, hat die aktuelle Kontroverse aufgearbeitet. Er engagiert sich in der Hessischen Allianz für den freien Sonntag. Er diskutiert seine Thesen mit Karl-Christian Schelzke, Geschäftsführender Direktor des Hessischen Städte- und Gemeindebundes.

(aus dem Programm der Katholischen Akademie Rabanus Maurus)

Bericht über die Veranstaltung
von Andreas Mengelkamp:

Sonntagsschutz – kontrovers diskutiert

In Berlin ist es schon vorgekommen: ein Politiker, der ein meinungsstarkes Sachbuch geschrieben hat, lässt dies Buch von einem anderen Politiker vorstellen, vom dem bekannt ist, dass er zum Thema des Buchs in vielen Punkten eine ganz andere Meinung hat. Dies Konzept einer Buchvorstellung durch einen politischen Gegner mag wohl Pate gestanden haben für die Soirée im Haus am Dom unter dem Titel: „Zeitsouverän oder flexibel? Solidarische Arbeitszeitpolitik und die Rolle des freien Sonntags“ am 1.3.18.

Der Geschäftsführende Direktor des Hessischen Städte- und Gemeindebundes, Karl-Christian Schelzke, war gekommen, um auf Bitte des emeritierten Pfarrers Rainer Petrak, sein Buch „Menschenwürde und Gemeinwohl statt Geltungssucht und Habgier – Einschätzungen und Forderungen zur Gestaltung des Gemeinwesens am Beispiel Sonntagsschutz“ vorzustellen, und mit ihm über das Thema des Buchs zu diskutieren. Während Pfarrer Petrak sich seit vielen Jahren aktiv als KAB-Vertreter in der Hessischen Allianz für den freien Sonntag für mehr und konsequenteren Sonntagsschutz engagiert, vertritt der von Herrn Schelzke geführte Hessische Städte- und Gemeindebund durchaus auch Städte und Gemeinden vor Gericht, wenn die Allianz für den freien Sonntag ein Gericht angerufen hat, um klären zu lassen, ob die Genehmigung eines verkaufsoffenen Sonntags rechtmäßig ist.

Für Konfliktstoff war also gesorgt – auch deshalb weil es so abgesprochen war, dass sich zunächst Herr Schelzke – als weiter aktiver Strafverteidiger darin geübt – in einem Plädoyer zu dem im letzten Herbst erschienen Buch äußerte bevor Pfarrer Petrak dann ebenfalls 20 Minuten Zeit bekam, um aus seiner Sicht Position zu beziehen, bevor es dann zu einer Diskussion zwischen beiden und schließlich auch mit dem Publikum kam.

Für Diskutanten war das Hessische Ladenöffnungsgesetz und die höchstrichterliche Rechtsprechung der Maßstab, an dem es Maß zu nehmen gilt, will man die Rechtmäßigkeit sonntäglicher Ladenöffnungen überprüfen. Und so entspann sich der Diskurs gar nicht entlang der Frage, ob Gerichte in diesem oder jenem Fall unverständlich oder arg spät geurteilt haben. Schon zu Beginn seiner Ausführungen hatte Herr Schelzke deutlich gemacht, dass für ihn nur eine strikte Gesetzesanwendung in Frage komme. Die Öffnung eines Möbelhaus könne er nicht gutheißen, wenn als Anlass für eine solche Öffnung gerade mal eine Wurstbude und ein Hüpfkissen aufgestellt würden. Aber der Hessische Städte- und Gemeindebund müsse, falls er darum gebeten werde, auch die entsprechende Gemeinde vor Gericht vertreten, auch wenn er persönlich den kreierten Anlass nicht für überzeugend halte. Die weitere Diskussion zeigte zudem kaum wesentliche Unterschiede in der sozial-ethischen Begründung für einen nachhaltigen Sonntagsschutz, wenngleich Pfarrer Petrak diese Zusammenhänge deutlicher herausstellte, etwa den Anspruch auch der VerkäuferInnen, den Sonntag selbstbestimmt zum Ausruhen oder für Begegnungen im Familien- und Freundeskreis ohne Zeitstress nutzen zu können.

Gleichwohl blieb noch genügend an Unterschieden zwischen den Diskutanten, insbes. der von Herrn Schelzke eingebrachte Vorschlag per Gesetz zukünftig zu erlauben, dass Sonntagsöffnungen auch dann erlaubt sein sollen, wenn sich die Bürger zu einem örtlichen Fest treffen und diese Gemeinschaft feiern und vertiefen wollen. Dem wurde von Pfarrer Petrak sogleich entgegengehalten, dass ein solches Fest auch gut gelingen könne, wenn es keine Ladenöffnung gebe. Insbesondere die dann arbeitenden VerkäuferInnen hätten dann keine Möglichkeit, das Fest seinem Zweck gemäß zu nutzen. Für ihn stellen sich bei jedem verkaufsoffenen Sonntag mehrere Fragen: Ist er erforderlich?  Wozu?  Ist er geeignet, um z.B. den lokalen Händlern auch Verdienstmöglichkeiten zu geben, wenn auswärtige Händler der gleichen Branche ihre Waren auf einem Markt anbieten? Sind die Rahmenbedingungen so bemessen, dass die prägende Wirkung im Stadtbild durch das Fest und nicht durch die Sonntagsöffnung gegeben ist?

Gesetzliche Neuregelungen konnten durch solch eine Diskussionsrunde natürlich nicht vereinbart werden. Doch die Diskutanten – auch im Publikum – waren sich am Ende der Veranstaltung einig, dass die jetzt im Hessischen Sozialministerium auf Basis von angeforderten Stellungnahmen aus Fachverbänden vorgenommene Evaluation (= Bewertung) des Hessischen Ladenöffnungsgesetzes zeigen müsse, wo und in welcher Richtung möglichst einvernehmlicher Änderungsbedarf an diesem Gesetz besteht.

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