Gedanken von Luzia Goihl (Gemeindereferentin in Herz-Jesu Frankfurt-Fechenheim) am 5. Dezember 2010:
Mein Briefkasten quillt über mit weihnachtlicher Werbung. Ob das die Energieeffizienz meines Hauses betrifft oder das Angebot, mein Auto zu kaufen, überall stecken Lichterketten, Weihnachtsmänner, Engelchen und Sterne dran oder drin.
Das volle Programm an Lichteffekten finden wir auch an allen Fenstern: die volle Weihnachtsdeko mit beleuchteten Christbäumen vom Hessencenter bis hinein in kirchliche Räume. Die Weihnachtsmärkte haben nur noch ganz wenig mit Vorbereitung auf Weihnachten zu tun, aber ganz viel mit Geselligkeit, Kartoffelpuffer und Glühwein.
Und wir hier zünden Sonntag für Sonntag mal grade 1 Kerze mehr an. Sind wir noch im Trend?
Der Advent ist eigentlich eine Fastenzeit, eine Zeit der Besinnung und der Umkehr; Zeit der Vorbereitung auf das Fest der Menschwerdung unseres Gottes.
Mit dem, was uns da so in der Welt begegnet in diesen Tagen, passt eine solche Sichtweise nicht zusammen. Davon ist auf den Straßen, in den Geschäften und Einkaufszentren nicht wirklich was zu spüren.
Und dennoch, etwas haben beide Arten des adventlichen Treibens gemeinsam: Es geht um Licht.
Hier am Kranz um ganz wenig, aber immer mehr werdendes, draußen um die volle Dosis, gleich ganz alles auf einmal.
Aber was ist denn jetzt das richtige oder das wirkliche Leben?
Ich schlage vor, nicht darüber zu streiten, wer Recht hat und wer daneben liegt, sondern ich möchte, dass wir dem nachspüren, was dahinter steckt, bei uns.
Und was vielleicht nicht mehr dahinter steckt bei anderen.
Die Sehnsucht nach Licht, nach Sonne, Wärme, nach Wohlbefinden ist in dieser Jahreszeit besonders stark. Das ist doch auch der Grund, warum wir in dieser Zeit der Wintersonnenwende unseren Gott und sein Erscheinen in der Welt feiern als das sehnsüchtig erwartete Licht der Welt.
Und von dieser allgemeinen Sehnsucht ist bei den Menschen von heute immer noch was übrig, trotz Neonlicht und Zentralheizung.
Und diese Sehnsucht drückt sich aus in dem, was wir eben zur Zeit so wahrnehmen können in der Welt, was sich da – manchmal eben auch im Übermaß oder zur unpassenden Zeit – ausbreitet an Glitzer und Lichterglanz. Vielleicht auch bei dem ein oder anderen von uns.
Was steckt für uns dahinter?
Worauf gründet sich meine Sehnsucht, meine Hoffnung?
Die Worte der Bibel geben uns heute möglicherweise eine Antwort auf diese Frage.
Die Bibel ist ja eigentlich auch schuld an dem ganzen Trubel, denn hätte Lukas nicht so eine Geschichte von diesem kleinen hilflosen Kind im Stall geschrieben und vor allem, hätten wir sie nicht so gnadenlos idyllisch ausgeschmückt, wer weiß, wie wir heute Weihnachten feiern würden, und ob überhaupt?!
Die Texte von heute, vom 2. Adventssonntag, sind allerdings nur bedingt so niedlich. Der Jesaja-Text mit seinem friedlichen Tiergarten mag noch ein wenig herhalten können für Idylle, wenn man nicht so genau hinschaut. Aber Johannes bringt da schon eine härtere Stimme ins Spiel, wenn er die Pharisäer als Schlangenbrut beschimpft.
Aber ok, wo geht’s bei uns lang? Wo stehen wir? Wohin wollen wir kommen? Und vor allem, wie geht das mit dem „Weg bereiten“, wenn wir nicht nur Holzspäne verstreuen wollen, wie hier an unserem Krippenplatz.
Jesaja hat einen Traum, eine Hoffnung. Und die hat er gerade in einer Zeit, in der in Israel alles drunter und drüber geht.
Es müsste einer kommen, der alles wieder gut macht, der viel Geist hat, der für die Armen da ist und der gerecht urteilt. Einer, der Macht hat, aber keine Gewalt anwendet, einer, dem Treue und Gerechtigkeit sozusagen auf den Leib geschrieben sind.
Dann könnte auch mit dieser zerstrittenen Welt alles wieder gut werden.
So in kurzen Sätzen der Traum des Jesaja.
Ich träume auch oft, leider meistens nicht so schön. Eher kommt mir im Traum ins Bewusstsein, was alles schief gehen könnte oder was vergessen wurde.
Aber Grund, zu träumen wie Jesaja, haben wir doch auch.
In unserer Welt heute geht es doch auch drunter und drüber.
Ob das die Kernkraft ist oder der Bahnhofbau in Stuttgart, ob das die Terrorwarnungen sind oder unsere binnenkirchlichen Probleme.
Da könnte uns doch auch so manches einfallen, oder?
Und vielleicht ist ja auch Johannes so zu verstehen:
Kehrt um, hört auf zu jammern und zu schimpfen, fangt an zu träumen!
So macht ihr die Straßen passierbar für unseren Gott. So kann er ankommen. Wenn ihr träumt und wenn ihr auf ihn baut.
Kehrt um von eurem Vorweihnachtsstress.
Kehrt um von eurer Vorstellung, noch ’ne Weihnachtsfeier und noch ein Geschenk mehr und noch ’ne Lichterkette müssten sein.
Kehrt um und träumt in aller Ruhe von dem, der Heil und Segen bringen wird.
Kehrt um und gönnt euch den Luxus der Stille und Besinnung im Advent!
Es ist nicht damit getan, dass wir katholisch sind, getauft und gefirmt.
Es ist nicht damit getan, dass wir sonntags in die Kirche kommen und vor dem Essen beten.
Damit ist es nicht getan, wenn wir meinen, so wird schon alles gut werden. Nein, dann spricht Johannes zu uns wie zu den Pharisäern von Schlangenbrut und er droht auch uns mit dem Gericht.
Denn wenn wir all das „Katholische“ sind und tun, aber ansonsten weiter alles beim Alten lassen und die Hände in den Schoß legen, dann wird der Weg nicht werden. Der Weg, den wir dem Herrn bereiten sollen, so wie es auch als Aufforderung an unserem Krippenplatz steht.
Der Anfang davon, dass der Weg werden kann, ist der Traum vom Weg. Das Bild, das ich mir mache, das Bild, das wir uns machen, der Traum eben, den wir träumen.
Wir!! Das ist ganz wichtig, nicht einer allein. Sie kennen den Spruch: Wenn einer alleine träumt, dann bleibt es ein Traum, aber wenn viele gemeinsam träumen, dann ist das der Beginn einer neuen Wirklichkeit.
Also träumen wir gemeinsam, mit wachen Augen und aufmerksamem Blick für unsere Welt. Malen wir uns aus, wie es wird, wenn ER kommt. Wenn Gott herunter kommt auf unsere Erde, wenn er auf den Wegen geht, die wir ihm bereiten wollen.
Und Menschen, die gemeinsam träumen, die können nicht die Hände in den Schoß legen, die packen an, die bauen mit, die kümmern sich, die schauen hin und die sehen, was Not tut. Und dann geschehen Dinge und Begegnungen, die sind wie Weihnachten.
Freuen wir uns drauf, träumen wir davon, glauben wir daran, vertrauen wir darauf und gehen wir unsere Wege im Lichte des Herrn.