Blogbeitrag

Kreuzweg Herz-Jesu-Kirche Fechenheim 12. Station

Anerkennen

18. Mai 2023

Sonntagsbotschaft zum 21. Mai 2023, dem 7. Ostersonntag im Lesejahr A.

Haben Sie schon Ihr Testament gemacht? Sie meinen, das hat noch Zeit? Oder sehen Sie noch nicht klar genug, was Ihnen so wichtig ist, dass Sie das Ihren Erben ans Herz legen wollen? Vielleicht reicht es Ihnen ja nicht, nur festzulegen, wie die Erben Ihren wirtschaftlichen Nachlass unter sich aufteilen sollen.

Ja, wenn jemand gestorben ist, den ein Anliegen ganz erfüllt hat, dann sprechen gerne die, die den Verstorbenen geachtet haben und sein Anliegen mit ihm teilen, vom „Testament“, das er ihnen hinterlassen hat. Sie machen sich das gerne zu ihrer eigenen Perspektive, wissen sich dem Anliegen verpflichtet, weil sie es für sich selber und für ihre Umwelt als wichtig anerkennen. Es kann dann sogar sein, dass sie ihre Haltung dem gegenüber mit dem Wort „Unterwerfung“ beschreiben: „Wir unterwerfen uns diesem Programm“ oder ähnlich. Vielleicht vergleichbar mit dem Ausdruck „Ich unterziehe mich einer ärztlichen Behandlung.“ Eben weil es mir wichtig erscheint – wertvoll.  Das „Testament“ zum Beispiel von Mahatma Ghandi, sein „Vermächtnis“ an die Menschheit ist die Gewaltlosigkeit als Methode, Konflikte zu lösen.

Auch was Jesus beseelt hat in seinem Denken und Tun, in seinem „Geist“, überliefert die Bibel als sein „Testament“ für alle, die ihn „beerben“ und daraus leben wollen.

Lässt sich das mit wenigen Worten zusammenfassend so benennen, dass es Menschen motivieren kann, sich daran zu halten, daran festen Halt zu finden für sich selber und vielleicht für die ganze Welt?

Das Johannes-Evangelium versucht das auf seine Weise. In den Kapiteln 13 bis 17 geht es um den Abschied, den Jesus nimmt – sowohl von seinen Jüngern als auch von seinem Leben als Mensch in dieser Welt:

Zeichenhaft für sein Selbstverständnis, für seine Sicht von seiner Lebensaufgabe, für das Wesen seiner Beziehung zu den Mitmenschen wäscht er ihnen zuerst die Füße, wie es der Hausdiener an den Festgästen tut.

Dann sagt er ihnen einiges, womit er zusammenfasst, was ihm die ganze Zeit so wichtig gewesen ist. Bibelübersetzungen versehen das mit Zwischenüberschriften und benennen es als drei „Abschiedsreden“.

Und als Abschluss fügt der Evangelist Johannes ein längeres Gebet an, mit dem Jesus sein ihn ganz erfüllendes Anliegen dem Vater ans Herz legt – oder denen ans Herz legt, die sich ihm verbunden wissen und ihn anerkennen? Das Evangelium überliefert das Gebet von Jesus mit menschlichen Worten. Entweder wer das so überliefert, hat erlebt, dass Jesus zum Vater betet, und ist sich sicher, worum es ihm dabei geht, weil er überzeugt ist, Jesus gut verstanden zu haben. Oder aber Jesus betet so vor den Ohren seiner Jünger – bewusst und mit der Absicht, dass sie das so miterleben und sich sein Gebet vielleicht zu eigen machen.

Die erste Hälfte seines Gebets will an diesem 7. Sonntag der Osterzeit zum Evangelium werden – für alle, die – wie sie gemeinschaftlich bekunden – in der Hoffnung auf neue Begegnung mit ihm „in Herrlichkeit“ – jetzt „seinen Tod verkünden und seine Auferstehung preisen“:

In jener Zeit
erhob Jesus seine Augen zum Himmel
und sagte:
Vater,
die Stunde ist gekommen.

Jetzt wird er verraten, verhaftet, verurteilt, gefoltert, hingerichtet.

Verherrliche deinen Sohn,
damit der Sohn dich verherrlicht!  

Was für eine Spannung: Elend steht ihm bevor. Er hofft auf Herrlichkeit!

Denn du hast ihm
Macht über alle Menschen gegeben,
damit er allen, die du ihm gegeben hast,
ewiges Leben schenkt.

Alle Macht für das Leben der Menschen?! Wenn sie es sich denn gefallen lassen – ein Leben, das er „ewiges Leben“ nennt.

Das aber ist das ewige Leben:
dass sie dich,
den einzigen wahren Gott,
erkennen
und den du gesandt hast,
Jesus Christus.   

„Erkennen“, anerkennen – als den einzigen, dessen Macht sich anzuvertrauen, sich ihr zu „unterwerfen“ zuverlässig zu menschenwürdigem Leben führt!

Ich habe dich
auf der Erde
verherrlicht
und das Werk zu Ende geführt,
das du mir aufgetragen hast.

Wie herrlich das Leben auf der Erde sein kann, wenn die Menschen Gottes Herrschaft anerkennen, wenn sie sein Reich suchen, das hat er deutlich gemacht.

Jetzt verherrliche du mich, Vater, bei dir
mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte,
bevor die Welt war!

Jetzt mach du deutlich, dass nicht der Tod das letzte Wort hat und dass, wer mir begegnet ist, dich kennengelernt hat.

Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart,
die du mir aus der Welt gegeben hast.
Sie gehörten dir und du hast sie mir gegeben
und sie haben dein Wort bewahrt.
Sie haben jetzt erkannt,
dass alles, was du mir gegeben hast, von dir ist.
Denn die Worte, die du mir gabst,
habe ich ihnen gegeben
und sie haben sie angenommen.
Sie haben wahrhaftig erkannt,
dass ich von dir ausgegangen bin,
und sie sind zu dem Glauben gekommen,
dass du mich gesandt hast.

Jesus sieht die Menschen ganz anders an, als es üblich ist. Er achtet auf die Beziehung zwischen ihnen und der Welt, in der sie leben. Und er spricht sie so an, begegnet ihnen so, dass auch ihr Blick auf ihr Leben in der Welt sich verändert: Sie anerkennen Gottes liebende Berührung in dem, was Jesus ihnen sagt und womit er ihren Blick ausweitet auf einen Horizont, der weiter ist, als es der Tod vorgibt. Dass das weiter und weiter gelingt und diese Sichtweite ihr ganzes Leben umfasst, das ist sein Anliegen, sein Testament.

Für sie bitte ich;
nicht für die Welt bitte ich,
sondern für alle, die du mir gegeben hast;
denn sie gehören dir.
Alles, was mein ist, ist dein,
und was dein ist, ist mein;
in ihnen bin ich verherrlicht.

Für sie alle bittet er den Vater. Um was, braucht er ihm nicht zu sagen. Der Vater wird ihnen beistehen. Mit seinem Geist, den sie atmen werden, werden sie die Spannung aushalten – die Spannung als Voraussetzung, dass der Strom fließt, der Strom des Lebens, die Energie, alles Elend in Herrlichkeit zu verwandeln.

Mit den Menschen, die sich davon gerne beleben lassen, wird es ihm gelingen: In ihnen zeigt sich der Welt, dass nicht ihre vermeintliche Lizenz bis hin zum Töten alles be-herr-scht, sondern dass du, Vater, mich zum Herrn bestellt hast, ver-herr-licht hast.

Ich bin nicht mehr in der Welt,
aber sie sind in der Welt
und ich komme zu dir.
(Johannes 17, 1-11a)

Ein starkes Stück! Das lässt sich nicht so einfach herunterlesen und schnell mal quittieren mit einem „Lob sei dir, Christus!“

Lieber ist mir eine Predigt, die mir diese Worte erschließt und wirklich zum „Evangelium unseres Herrn Jesus Christus“ macht, wofür ich dann – gemeinsam mit den anderen – im anschließenden Hochgebet – von ganzem Herzen, mit „erhobenem Herzen“ – wirklich „danke dem Herrn, unserm Gott“, den ich dann als das Brot, von dem wir „leben“, und als den „Wein, der das Herz des Menschen erfreut“, essen und trinken kann. Das will geschmeckt und gekaut und verdaut, ja gefeiert werden.

So redet Jesus wenige Stunden bevor er verhaftet wird und verurteilt, gefoltert und hingerichtet! Angesichts seines bevorstehenden Leidens redet er von Verherrlichung. Elend und Herrlichkeit – so nah beieinander!

Pilatus wird – ungewollt prophetisch – dieses Testament anerkennen: „Seht, der Mensch!“ (Johannes 19,5)

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