Sonntagsbotschaft zum 13. April 2025, dem Palmsonntag.
Aus dem Kloster der Benediktiner in Chevetogne in Belgien hatte ich vor jetzt sechzig Jahren einen Abdruck dieser Ikone mitgebracht. Die Jahrzehnte hindurch begleitet sie mich. Ein gutes Hilfsmittel der Kommunikation: Er schaut mich an und spricht mich an:
Christus, der aus dem Lichtglanz von drüben und draußen nicht nur hereinschaut, sondern hereinkommt in meine Menschenwelt.
Mit der einen Hand lenkt er den Blick, mit der anderen lenkt er das Gehör. So breitet er den Lichtglanz aus, wo vertrauend das Schauen und das Hören sich von ihm anregen lassen.
Wo Menschen das gefällt und das Öffnen von Augen und Ohren an ihm orientieren, da fällt sein Blick auf Menschen und ihre Nöte, auf die sonst keiner schaut. Und da findet der den Menschen zugewandte Gott endlich Gehör.
Diese Haltung beschreibt die Bibel als für Jesus charakteristisch. Es ist die Haltung, die ihn immer wieder neu in Konflikt bringt mit den überall herrschenden Kräften, die das Leben von Menschen als zweitrangig betrachten und hinter irgendwelchen wie Götter verehrten Interessen zurücktreten lassen. Es ist die Haltung, mit der Jesus beansprucht, Gottes belebenden Geist zu verkörpern, und die seine Gegner zur „Gotteslästerung“ erklären. So wie er – eben „göttlich“! – den Blick neu dem Menschen zuwendet und dabei das Ohr neu dem zuwendet, was Gott sagt, das verträgt sich nicht mit den Regeln, die in dieser Welt die „Stärkeren“ als ihr „Recht“ etabliert haben.
Also jubeln die einen ihm zu und die andern bringen ihn ans Kreuz. Und – wie die Bibel immer wieder am Palmsonntag in Erinnerung ruft – das sind manchmal – oder immer? – dieselben, die am Sonntag „Hosanna!“ rufen und am Freitag danach „ans Kreuz mit ihm!“
Denen der Palmsonntag auch heutzutage ein Anlass zum Feiern wird, die können es eigentlich immer noch nicht fassen, mit welcher beharrlichen Liebe Jesus bei seinem Blick für den Menschen und bei seinem Ohr für Gott geblieben ist, selbst als sie ihn zu Tode brachten.
Die Bibel gibt an diesem Sonntag all denen eine Stimme, die, was sie nicht fassen können, weiterhin umtreibt bei der Suche nach einer lebendigen Beziehung zu ihm.
In dem Prophetenwort aus dem Alten Testament tut sich da ein Blick auf in das Innere, sozusagen in das „Herz“ des „Gottesknechtes“, in dem glaubende Christen von Anfang an Jesus erkennen:
GOTT, der Herr,
gab mir die Zunge von Schülern,
damit ich verstehe,
die Müden zu stärken
durch ein aufmunterndes Wort.
Jeden Morgen weckt er mein Ohr,
damit ich höre, wie Schüler hören.
GOTT, der Herr,
hat mir das Ohr geöffnet.
Ich aber wehrte mich nicht
und wich nicht zurück.
Ich hielt meinen Rücken
denen hin, die mich schlugen,
und meine Wange
denen, die mir den Bart ausrissen.
Mein Gesicht verbarg ich nicht
vor Schmähungen und Speichel.
Und GOTT, der Herr, wird mir helfen;
darum werde ich nicht
in Schande enden.
Deshalb mache ich mein Gesicht
hart wie einen Kiesel;
ich weiß, dass ich nicht
in Schande gerate.
(Jesaja 50,4-7)
Und der Apostel Paulus greift den Hymnus auf, der offensichtlich schon zu seiner Zeit in den Gemeinden kursierte, in denen sie die Lebensperspektive feierten, die Gott ihnen mit Jesus, dem Christus, eröffnet hat:
Christus Jesus war Gott gleich,
hielt aber nicht daran fest,
Gott gleich zu sein,
sondern er entäußerte sich
und wurde wie ein Sklave
und den Menschen gleich.
Sein Leben war das eines Menschen;
er erniedrigte sich
und war gehorsam bis zum Tod,
bis zum Tod am Kreuz.
Darum hat ihn Gott
über alle erhöht
und ihm den Namen verliehen,
der größer ist als alle Namen,
damit alle im Himmel,
auf der Erde
und unter der Erde
ihr Knie beugen
vor dem Namen Jesu
und jeder Mund bekennt:
Jesus Christus ist der Herr
zur Ehre Gottes, des Vaters.
(Philipper 2,6-11)
So vorbereitet, begrüßt die zur Feier des Palmsonntags versammelte Gemeinde den, dessen Leidensgeschichte sie sich dann zu Herzen gehen lässt, mit der entsprechenden anbetenden, verehrenden Haltung:
Christus Sieger,
Christus König,
Christus Herr in Ewigkeit!
Nachbemerkung:
Haben Sie Lust auf mehr?
Im Nachhinein habe ich – neugierig – geschaut, was sich mir im vergangenen Jahr als „Sonntagsbotschaft“ zum Palmsonntag erschlossen hatte: „Da kommen wir durch“.
Ja, das tut mir auch heute noch gut – gleicher Inhalt und zugleich anders dargestellt: https://rainer-petrak.de/da-kommen-wir-durch/
Und mit wieder anderen Aspekten, wie sich mir das vor 2 Jahren dargestellt hat:https://rainer-petrak.de/grosse-transformation/