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Davon kann man leben

28. April 2022

Sonntagsbotschaft zum 1. Mai 2022, dem 3. Ostersonntag (Lesejahr C). 

Ostern. Dritter Sonntag. Den Auferstandenen feiern. Weil es der Kalender so sagt? Oder weil es mich drängt? So vieles spricht dagegen: „Gekreuzigt, gestorben und begraben“! Das Evangelium des Sonntags lädt ein. Gottes Stimme? Sein Wort?

In jener Zeit
offenbarte sich Jesus den Jüngern noch einmal,
am See von Tiberias,
und er offenbarte sich in folgender Weise.

Er „offenbart“ sich? Was heißt das? Er erscheint ihnen? Zeigt sich ihnen, macht deutlich, was an ihm – nach allem und trotz allem, was geschehen ist – was an ihm das Wesentliche ist?

Der „See von Tiberias“, also der See Genesareth – das ist ihr alter, gewohnter Lebensraum als Fischer, bevor alles mit ihm angefangen hatte. Knüpfen sie jetzt daran wieder an? Als sei alles dazwischen gar nicht gewesen? Sie sind halt Fischer. Darin kennen sie sich aus. Oder? Im Prinzip kann man davon leben. Oder?

Simon Petrus, Thomas, genannt Didymus,
Natanaël aus Kana in Galiläa,
die Söhne des Zebedäus
und zwei andere von seinen Jüngern
waren zusammen.
Simon Petrus sagte zu ihnen: „Ich gehe fischen.“
Sie sagten zu ihm: „Wir kommen auch mit.“
Sie gingen hinaus und stiegen in das Boot.
Aber in dieser Nacht fingen sie nichts.

Und am Morgen kommen sie ans Ufer zurück. Frustriert. Davon kann man doch nicht leben. Und dann steht da noch so ein Fremder.

Als es schon Morgen wurde, stand Jesus am Ufer.
Doch die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war.
Jesus sagte zu ihnen:
„Meine Kinder, habt ihr keinen Fisch zu essen?“
Sie antworteten ihm: „Nein.“
Er aber sagte zu ihnen:
„Werft das Netz auf der rechten Seite des Bootes aus
und ihr werdet etwas finden.“

Was dann in diesen Fischern vorgegangen ist, darüber schweigt sich die Erzählung total aus. Was hat sie dazu gebracht, sich auf die Idee des Fremden einzulassen? Haben sie miteinander beraten? Und was für ein Argument war bei ihrer Beratschlagung ausschlaggebend? Hat keiner gespottet, sich lustig gemacht über diese Idee? Kennt der sich überhaupt aus mit der Fischerei?

Dem erzählenden Evangelisten erscheint das offensichtlich völlig unwichtig. Ich würde das aber gerne wissen. Was hat sie veranlasst, nicht auf die Stimme ihrer eigenen Kompetenz und Profi-Erfahrung zu hören, sondern auf seine Stimme? Sie haben ihn ja noch nicht erkannt, er ist für sie also weder eine Autorität noch irgendwie vertrauenswürdig – weder als Freund noch als Herr oder klerikale Amtsperson oder durch Wahl oder irgendwie Beauftragter. Das sieht ganz nach Willkür aus, nach Bauchgefühl oder einer Art „intuitiver Gewissheit“. Oder ist es der Verzweiflungsakt von Hungernden „Dann versuchen wir es eben noch mal!“? Wo bleibt der „gesunde Menschenverstand“?! Kein Argument wird genannt für ihre Entscheidung. Sie entscheiden sich einfach, das zu tun, was er sagt:

Sie warfen das Netz aus
und konnten es nicht wieder einholen,
so voller Fische war es.
Da sagte der Jünger, den Jesus liebte, zu Petrus:
„Es ist der Herr!“

Wie kommt er dazu, IHN zu erkennen?! Ich ahne zu hören: Wenn wir als alles entscheidenden Maßstab noch über die eigene Urteilsfähigkeit hinaus wichtig nehmen, was er sagt, dann mag kommen, was will; dann werden wir „leben“!

Als Simon Petrus hörte, dass es der Herr sei,
gürtete er sich das Obergewand um, weil er nackt war,
und sprang in den See.

Eigentlich verrückt: Wenn ich ins Wasser springe, ziehe ich mich doch nicht an; eher ziehe ich mich aus! Keine Ahnung, warum er sich den Mantel anzieht und warum der Evangelist das nicht als unwichtig weglässt. Ich kann diese Bemerkung nur links liegen lassen oder bestenfalls so verstehen, dass für Simon Petrus durch diese Begegnung eben alle bisher gewohnten Maßstäbe total durcheinander geraten.

Dann kamen die anderen Jünger mit dem Boot
– sie waren nämlich nicht weit vom Land entfernt,
nur etwa zweihundert Ellen –
und zogen das Netz mit den Fischen hinter sich her.
Als sie an Land gingen,
sahen sie am Boden ein Kohlenfeuer
und darauf Fisch und Brot liegen.
Jesus sagte zu ihnen:
„Bringt von den Fischen, die ihr gerade gefangen habt.“
Da stieg Simon Petrus ans Ufer
und zog das Netz an Land.
Es war mit hundertdreiundfünfzig großen Fischen gefüllt, …

Man sagte damals, im See gebe es 153 Arten von Fischen. In ihrem Netz sammelt sich also die Fülle des Lebens. Ohne ein Wort von ihm handeln – das bringt nichts. Handeln auf sein Wort hin – das bringt die Fülle!

… und obwohl es so viele waren,
zerriss das Netz nicht.
Jesus sagte zu ihnen: „Kommt her und esst!“
Keiner von den Jüngern wagte ihn zu befragen: Wer bist du?
Denn sie wussten, dass es der Herr war.

Das kann kein Zufall sein; das ist der Herr! „Kommt her und lebt!“ Und alles was sie jetzt erleben, wird ihnen zur Bestätigung: Er ist es!

Jesus trat heran,
nahm das Brot und gab es ihnen,
ebenso den Fisch.

Davon kann man leben!

Dies war schon das dritte Mal,
dass Jesus sich den Jüngern offenbarte,
seit er von den Toten auferstanden war.
(Johannes 21,1-14)

Im Jahr 2001 haben wir an diesem 3. Ostersonntag im Lesejahr C eine Reihe von Kindern – mit ihrer Erstkommunion – in die sakramentale Eucharistie-Gemeinschaft der Kirche aufgenommen. Der Gottesdienst wurde ein wenig „speziell“. Der Hintergrund dafür war wohl, dass einige der Familien eine Beteiligung am Leben und Glauben der Gemeinde in ihr Leben integriert hatten und auch vertraut waren mit den Bemühungen der amtlichen und gewählten Gemeindeleitung um eine fruchtbare Gestaltung der Erstkommunion und ihrer Vorbereitung. Das war nun zusammengekommen mit ihrer Absicht, die Kinder auf die Feier der Erstkommunion vorzubereiten.

Im Nachhinein wurde mir immer klarer, dass in diesem Gottesdienst das zeichenhaft geschehen ist, was Inhalt der Botschaft dieses Sonntags ist.

Bei den Fragen, wie wir den Weg der Kinder zur vollen Mitfeier der Eucharistie sinnvoll und fruchtbar gestalten sollten, waren viele Stimmen zusammengekommen: Was vom volkskirchlichen Brauchtum her selbstverständlich schien, wirkte noch nach. Die beteiligten Familien, Eltern und Kinder, hatten ihre Vorstellungen. In ausgiebigen Beratungen hatten die hauptamtlichen Seelsorger gemeinsam mit einer Kommission des Pfarrgemeinderats danach gesucht, vielfältige Anregungen aus der Gesamtkirche zu berücksichtigen und zugleich der veränderten Situation der Menschen und der Kirche in der heutigen Zeit gerecht zu werden. Welche der Stimmen nun Jesus zuzuordnen sei – und ob überhaupt, das konnten wir nicht im Konsens klären.

Jedenfalls hatte sich auf dem Weg der Vorbereitung so einiges getan. Zum Beispiel war die Predigt in dieser Feier kein Monolog des Pfarrers, sondern die Eltern beteiligten sich aktiv – wie schon bei der gesamten Gestaltung der Vorbereitung. Anscheinend hatten wir alle ein offenes Ohr für das, was Jesus seinen Jüngern sagt, so dass das Ergebnis unseres Miteinanders, von seinem Geist geprägt, eine verblüffende Gestalt annahm. Der Rückblick auf die Gruppenstunden der Kinder machte das deutlich:

Also – die erste Gruppenstunde hat so begonnen, dass wir die Kinder gefragt haben: Warum geht ihr denn eigentlich zur Kommunion? – Da kamen dann so Aussagen wie: Wir möchten den Pfarrer näher kennen lernen – oder: Wir möchten gerne ein schönes Fest feiern – oder: Wir möchten endlich mal das Brot probieren und nicht nur gesegnet werden hier an der Kommunionstufe.

Ein weiteres Thema war, dass wir uns in Verbindung mit der Partnerstadt in Brasilien setzen wollten. Dafür haben die Kinder jeweils einen Steckbrief erstellt.

Im Plan, den die Gemeindeleitung entwickelt hatte, waren gar keine Gruppenstunden vorgesehen, lediglich Treffen mit den Eltern, um sie bei der Vorbereitung ihrer Kinder zu unterstützen. Auf diese Einladung hatten die Eltern sich eingelassen, aber dann regten sich in ihnen und unter ihnen weitere Stimmen:

Ich fand’s komisch, dass irgendwann die Kinder sich treffen und sagen: „Ach, du gehst auch zur Kommunion?“ Ich wollte einfach, dass da Gemeinschaft wächst, dass sie zusammenwachsen und miteinander auch etwas erfahren können hier.

Also haben die Eltern – mit Unterstützung durch die Gemeindeleitung – selber eine Serie von Gruppenstunden und gemeinsamen Unternehmungen entwickelt. Sie befolgten dabei Ideen, Einfälle, Stimmen, die oft erst einmal gar nicht zusammenpassten mit den Vorstellungen, die sie mitgebracht hatten. Es war wie am See Tiberias, wo das, was Jesus ihnen nahelegte, gar nicht zu ihren eigenen Vorstellungen passte. Und wie sie erst im Nachhinein ihn erkannten, so meinte auch hier keiner, Jesus selber hätte die Eltern zu diesem oder jenem Tun veranlasst.

Jedenfalls haben sie sich dann gegenseitig so angesteckt, dass alle Eltern mitgemacht haben bei dieser Planung der Gruppenstunden und bei ihrer Durchführung – in eigener Verantwortung. Das war nicht immer einfach. Manchmal entstand auch ein gewisses Erschrecken vor der selbst auferlegten Verantwortung: Wie wird das denn auch gelingen? Es war zu hören: die erste Gruppenstunde war ein wenig chaotisch. Was aber die Eltern sich ausgedacht hatten, erwies sich alles als Schritte auf dem Weg, zu einer Gemeinschaft zu werden, in der der gemeinsame Glaube sich im Leben und im gemeinsamen Tun und Feiern zeigt und bewährt:

Ja, auch wir Väter haben uns drauf eingelassen, eine Gruppenstunde mal vorzubereiten. Wir wollten den Bezug herstellen nach Brasilien und haben gedacht, die Kinder werden ja nicht nur heute hier in Fechenheim zum Mahl zugelassen, sondern auch für die ganze Welt. Und was liegt da näher, als einfach mal bisschen über den Tellerrand zu schauen und ein bisschen was von Brasilien zu erfahren, von unserer Patenaktion?! Wir haben Bilder gezeigt: Wir haben gezeigt, wie die Kirche dort ist. Die Steckbriefe, die in der ersten Gruppenstunde gemacht worden sind, haben wir übersetzt ins Portugiesische und wollten dann mit den Kindern zusammen die Sache nach Brasilien faxen. Was ist dabei ’rausgekommen? ’ne Erfahrung, die wir sicherlich auch vorher alle nicht zusammen gedacht haben, und zwar wird in den nächsten Wochen der – nicht nur der Pfarrer aus Brasilien, sondern auch der Bischof auf seinem Weg nach Rom hier in Frankfurt vorbeikommen, und wir werden also dann zusammen mit den Kindern einen Termin haben, wo er ein wenig über Brasilien, über die Stadt, über das Leben dort erzählt und aber auch gerne wissen möchte, was heute hier an dem Tag mit den Kindern gewesen ist.

Bei dem, wie sich die Eltern darauf eingelassen haben – und zwar ohne die Regie der Gemeindereferentin oder des Pfarrers – , ist mehr entstanden, als sonst üblich und zu erwarten ist. Sollten wir das nicht Gott zuschreiben und seinem Heiligen Geist, den er auf alle so ausgeteilt hat?

Ja, bei unserer Gruppenstunde hatten wir das Thema „Brot“. Gleich zu Anfang der Gruppenstunde haben wir mit den Kindern in der Küche begonnen. Wir haben ein Brot gebacken, und jeder hat sein Teil dazu beigetragen: mischen, abwiegen, formen, verzieren – ja, und was dazu gehört halt.

Ja, und als das Brot dann endlich in dem Backofen landete nach vielem Hin und Her, sind wir dann nach unten gegangen in den Gruppenraum und haben ein Brot-brech-Lied eingeübt, also ein Gabenbereitungslied.

Und zum Abschluss der Gruppenstunde hatten wir eine Agape gefeiert, haben eine schöne Mitte gestaltet, mit unserem selbst gebackenen Brot, Traubensaft, Kerze, und haben dazu noch eine Geschichte gehört, die heißt: Das Brot, das anders schmeckt.

Und es entstand Überraschendes, was über die Gruppenstunden hinaus ging:

Bei einem Elternabend kam unserer Susanne die Idee, wir könnten doch eigentlich alle was gemeinsam machen: ein Wochenende mit den Kommunionkindern wie auch den Geschwistern und den Eltern zusammen. Also – wir haben also die Idee – Susannes Idee – gehabt. Wir haben sie ausgeführt, jetzt fehlte uns natürlich noch Unterkunft: Wo fahren wir hin? Da war Luzia zur Stelle und hat uns eine Unterkunft ausgemacht: in der Jugendherberge Limburg.

Ja, von wegen „drauf einlassen“: Ich hab das gehört, dass es diese Idee gab; auch schon vorher mit den Gruppenstunden. Und es war eigentlich nicht geplant. Ich hab von Hauptamtlichenseite her gedacht, das geht alles viel einfacher und viel – ja, ruhiger und ohne so viel Aufwand, so viel Arbeit. Aber irgendwie – die wollten so viel und dann musste ich auch und dann hab ich halt gemacht, und ich wusste nicht, worauf ich mich einlasse. Aber am Ende ist ein tolles Wochenende dabei herausgekommen. Und als ich gestern Abend noch mal drüber überlegt habe, wie das denn so war, fiel mir ein, dass es eigentlich genau das ist, was wir seit Jahren hier in unserer Gemeinde versuchen, nämlich Eltern bei der Glaubenserziehung ihrer Kinder zu helfen und sie nicht für sie zu übernehmen, weil: Es ist vordringliche Aufgabe der Eltern und ihr Recht, ihre Kinder zu erziehen. Und bei diesem Kommunionkurs war es wirklich so, dass die Eltern ihre Aufgabe voll wahrgenommen haben und haben das so umgesetzt, ja – dass wir von der Gemeindeleitung her das einfach nur noch mitmachen mussten. Das war ganz toll.

Ja, wir haben’s genossen, unser Wochenende. Die Freiheit, mal nichts oder wenig tun zu müssen, bekocht zu werden, dem Alltag ein Stück zu entkommen, das hat gut getan. Und wir haben etwas sehr Wertvolles erfahren, nämlich die Gemeinschaft, die ist nicht selbstverständlich, aber sie war deutlich spürbar zwischen den Kindern, den Jugendlichen, die mitgefahren sind, um die Kinder stundenweise zu betreuen, und den Erwachsenen. Es war keiner ausgeschlossen, wir haben gelacht, zusammen gesungen, uns auf neue Spiele eingelassen, …

Mein Beitrag zur gemeinsamen Predigt in diesem Erstkommunion-Gottesdienst konnte knapp zusammenfassen und deuten: Elterntreffen, Gruppenstunden, gemeinsames Wochenende. – Etappen auf einem Weg; Etappen, auf denen noch gar nicht so deutlich wurde, dass es Jesus ist, der uns anregt und begleitet. Aber da ging es uns ja wie den Leuten damals am See von Tiberias, am See Gennesareth. Da hat er sie auch angesprochen, hat ihnen Ideen oder Einfälle gegeben, und jetzt ging es darum, ob die das annehmen, aufnehmen, aufgreifen, sich drauf einlassen. …

Auf sein Wort hören – davon kann man leben.

Aus den Dörfern und aus Städten, von ganz nah und auch von fern,
mal gespannt, mal eher skeptisch, manche zögernd, viele gern,
folgten sie den Spuren Jesu, folgten sie dem, der sie rief,
und sie wurden selbst zu Boten, dass der Ruf wie Feuer lief:
Kv.: Eingeladen zum Fest des Glaubens,
eingeladen zum Fest des Glaubens.

Und dort lernten sie zu teilen, Brot und Wein und Geld und Zeit;
und dort lernten sie zu heilen, Kranke, Wunden, Schmerz und Leid;
und dort lernten sie zu beten, dass dein Wille, Gott, geschehe;
und sie lernten so zu leben, dass das Leben nicht vergehe:
Kv.: Eingeladen …

Text:         Eugen Eckert
Melodie:    Alejandro Veciana

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