Blogbeitrag

privat: Engelstrompeten (2023)

Definitiv bereit?

9. November 2023

Sonntagsbotschaft zum 12. November 2023, dem 32. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A).

„Wohin führt das?“ Entscheidungen, wie Weichen gestellt werden, nehmen viele Menschen als unausweichliches Schicksal hin.

Wenn ein Vereinsvorstand über so viel Geld verfügt, dass er sich die teuersten Spieler besorgen kann und so seinen Sieg als Weltmeister einkauft, …

Wenn aus begrenzt vorhandenen Ressourcen Millionen von Tonnen Waren produziert und unter einem fatal klimaschädlichen Energieverbrauch über den Globus hin- und herbewegt werden, um dann doch auf dem Müll zu landen, …

Wenn mein Freund – um ein persönliches Beispiel zu nennen, das stellvertretend für viele Tausende von Einzel-„Schicksalen“ steht – chancenlos an einer Krankheit leidet, deren Heilungsmöglichkeiten nur deshalb nicht ausreichend erforscht werden, weil sich das wegen „zu geringer“ Patientenzahlen für die Pharma-Industrie „nicht rechnet“, …

Und wenn wir wissen, dass diese drei hier genannten Herausforderungen als Beispiele stehen für Tausende anderer Problemfelder vergleichbarer Schärfe und die meisten Menschen sie aber als schicksalhaft vorgegeben hinnehmen, …

Wohin führt das am Ende?

Die einen kapitulieren vor dem Leben: Das „endgültige Aus“ für diese oder jene Fußballmannschaft oder für das globale Klima oder für eine Bewahrung der ethnischen Kultur … werfen sie per Rundumschlag allen nennbaren Institutionen vor – und vermiesen sich selbst das Leben.

Andere greifen zu Gewalt, zu Habgier oder Nationalismus, um ihr Gruppeninteresse durchzusetzen. Persönliche oder regionale Erfolge, die sich manchmal dabei ergeben, machen sie blind und gefühllos gegenüber langfristigen zerstörerischen Konsequenzen für sie selbst und für alle.

Eine ganz andere Haltung dazu entfaltet eine Einstellung zum Leben, wie sie in vielgestaltigen Facetten in der Bibel bezeugt ist. Ja, es gibt Menschen, die an einen Gott glauben,

  • dem alle Möglichkeiten zu verdanken sind,
  • der durch die Geschichte hindurch den Menschen seine Führung anbietet
  • und der sie zu einer Perspektive beatmet, in der das Leben sich entfaltet und erfüllt.

Vielen Menschen ist Jesus das Modell, der diese Einstellung lebt und der unsereins dazu anstecken will.

Von ihm ist für Menschen, die sich an diesem Sonntag von ihm anregen lassen wollen, ein Gleichnis zu hören, eine Bildgeschichte, mit der er das illustriert, was für ihn dabei das Entscheidende ist.

Hintergrund und Ausgangspunkt ist ihm ein altorientalisches Brauchtum: Manchmal habe ich bei uns gestaunt, wenn eine arabische Familie – meistens arme Leute – unseren Gemeindesaal gemietet hatte, um mit Hunderten von Verwandten und Freunden eine Hochzeit zu feiern. Aber was in der Zeit von Jesus in Palästina oder Israel abging, wenn eine Hochzeit gefeiert wurde, das war ja ein noch viel größerer Aufwand: Die Feier erstreckte sich über mehrere Tage. Da wurde getanzt, getrunken, gegessen. Und Höhepunkt des Ganzen war der Einzug des Bräutigams mit seiner Braut in sein Vaterhaus zu nächtlicher Stunde.

Bis es soweit war, wartete die Braut in Gesellschaft ihrer Jugendfreundinnen, um den Bräutigam abzuholen und das Brautpaar dann – wir würden sagen „mit einem Fackelzug“ – mit brennenden Öllampen fröhlich und festlich ins neue Heim zu geleiten.

Wann es aber soweit sein würde, war eine spannende Frage. Es konnte stundenlange Verzögerungen geben. Die Familie der Braut und die Familie des Bräutigams mussten sich ja erst mal einigen über den Geldpreis beziehungsweise die Geschenke, die der Bräutigam der Familie der Braut schuldete. Dabei musste gefeilscht und verhandelt werden. Das dauerte. Ein solches oft wildes Feilschen zu unterlassen, hätte als Gleichgültigkeit der Verwandten gegenüber der Braut gegolten. Und für den Bräutigam war es eine Schmeichelei, wenn seine zukünftigen Verwandten auf diese Weise zeigten, dass sie die Braut trotz größten Zögerns an ihn aber fortzugeben bereit waren. Also konnten sich die Verhandlungen ziemlich in die Länge ziehen.

Normalerweise vertrieben sich die Brautjungfern die Zeit des Wartens mit Singen, Spielen, Späßen, … Bei der Warterei sind sie dann zu vorgerückter Stunde auch schon mal eingenickt.

Aber irgendwann ging es dann los. Endlich. Oh, plötzlich! Moment mal …! Die Frisur, der Schleier! „Sie kommen!“ Auf!

Schon verwunderlich – jedenfalls für unsereins, die wir mehr oder weniger kirchlich sozialisiert sind – dass Jesus mit einem solchen „Event“ das vergleicht, was er „das Himmelreich“ nennt, also den ersehnten und verheißenen Zustand, wie es ist, wenn Gott endgültig die herrschende Kraft ist in allem menschlichen Miteinander.

Um uns zu vermitteln, worauf es ihm da ankommt, macht Jesus mit seiner Art der Erzählung transparent, wie es zu der finalen Wendung im Geschehen kommt:

Dann wird es mit dem Himmelreich sein
wie mit zehn Jungfrauen,
die ihre Lampen nahmen
und dem Bräutigam entgegengingen.
Fünf von ihnen waren töricht
und fünf waren klug.
Die törichten nahmen ihre Lampen mit,
aber kein Öl,
die klugen aber nahmen
mit ihren Lampen noch Öl in Krügen mit.
Als nun der Bräutigam lange nicht kam,
wurden sie alle müde und schliefen ein.
Mitten in der Nacht aber erscholl der Ruf:
Siehe, der Bräutigam! Geht ihm entgegen!
Da standen die Jungfrauen alle auf
und machten ihre Lampen zurecht.
Die törichten aber sagten zu den klugen:
Gebt uns von eurem Öl,
sonst gehen unsere Lampen aus!
Die klugen erwiderten ihnen:
Dann reicht es nicht für uns und für euch;
geht lieber zu den Händlern und kauft es euch!
Während sie noch unterwegs waren,
um es zu kaufen,
kam der Bräutigam.
Die Jungfrauen, die bereit waren,
gingen mit ihm in den Hochzeitssaal
und die Tür wurde zugeschlossen.
Später kamen auch die anderen Jungfrauen
und riefen: Herr, Herr, mach uns auf!
Er aber antwortete ihnen und sprach:
Amen, ich sage euch: Ich kenne euch nicht. …
(Matthäus 25,1-13)

Was also ist entscheidend dafür, dass ich Zugang bekomme zu der Erfahrung, wie erfreulich das aussieht, wenn Gott die bestimmende Kraft im Miteinander der Menschen ist? Was sagt Jesus mit diesem Gleichnis zu dieser Frage?

Der angefügte Schlusssatz, den ich hier weggelassen habe, ist der Logik des Gleichnisses fremd: „Seid also wachsam! Denn ihr wisst weder den Tag noch die Stunde.“ (Mt 25,13) Das ignoriert ja, dass Jesus sagt: „Alle wurden sie müde und schliefen ein“, die klugen wie die törichten Jungfrauen.

Dass sie einschlafen, ist für Jesus nicht entscheidend. Im Gegenteil: Unter diesen Umständen ist das völlig normal, gehört dazu. Das ist eines der Risiken in dieser Situation. Darauf kann man sich vorher einstellen, sich dafür bereit machen, jedenfalls wenn man bereit sein will, wenn es so weit ist. Das belehrende Wort „seid also wachsam“ wird wohl irgendwann im Lauf des Prozesses vom Aussprechen durch Jesus bis zur schriftlich vorliegenden Form des Matthäus-Evangeliums aus einem anderen Zusammenhang hier – leider ungeschickt – später eingefügt worden sein.

Worauf macht Jesus aufmerksam, was entscheidend ist?

Behaltet im Blick: Nicht ihr selber seid es ja, die entscheiden, wann in euren Lebenszusammenhängen der Augenblick kommt, der euch herausfordert! Schaut hin in die Realitäten und achtet auf Chancen und Risiken, auf Möglichkeiten und Behinderungen für das, was euch wichtig ist und was ihr anstrebt! Hört hin, nehmt wahr, informiert euch, sorgt für eure Fähigkeit, zeitnah und mit geeigneten Mitteln auf das einzugehen und zu reagieren, was sich abzeichnet.

Achtet auf eure Möglichkeiten, in allem, was da auf euch zu kommt, IHN und Seinen Weg zu erkennen und euch von IHM, eurer Zukunft, leiten zu lassen – wenn denn das die Orientierung für euer Leben sein soll! Damit ihr eure Chancen nicht kaputt macht und damit ihr tatsächlich – entsprechend eurer frei und verantwortlich getroffenen Bestrebung – euch in einer wichtigen Situation angemessen verhalten könnt.

Und kalkuliert dabei ein, dass ihr müde werdet und „einschlaft“, also nicht alle in jedem Moment ausreichend „wach“ seid. Damit ihr euch nicht überfordert oder in Panik geratet, wenn ihr unerwartet merkt: Oh, da will ich doch aber doch mitwirken, mitgestalten, mitbestimmen und einwirken auf das, was da geschieht!

Dafür mache ich mich bereit!

Wie?

Ganz praktisch: Legt euch ausreichend Ölvorrat zu, damit ihr mit ganzer Freude teilhaben könnt an der Feier des Lebens, zu der ihr eingeladen seid!

Was euch an Seele und Leib bedrückt oder ungeduldig macht, wenn Gefahren oder Enttäuschungen sich abzeichnen; was dann bremst, lähmt, hindern und ablenken kann, legt das ab, trennt euch davon, lasst es euch nehmen. Damit ihr bereit seid und frei für den Weg in eine gute Zukunft mit einem gut gelingenden Leben – für euch und für alle.

Und das gilt für alle Momente des persönlichen Lebens wie auch der gesamten Weltpolitik. Und da alles, was geschieht, seine Auswirkungen darauf hat, in welche Richtung und zu welchem Ergebnis die Welt und das Leben führen, gilt diese Herausforderung zur angemessenen Bereitschaft definitiv eben für alle „letzten Dinge“!

In seiner knappen, das Gebet der Mitfeiernden zusammenfassenden Sprache
formuliert es das Tagesgebet des Sonntags so:

Allmächtiger und barmherziger Gott,
wir sind dein Eigentum,
du hast uns in deine Hand geschrieben.
Halte fern von uns, was uns gefährdet,
und nimm weg,
was uns an Seele und Leib bedrückt,
damit wir freien Herzens deinen Willen tun.
Darum bitten wir durch Jesus Christus,
deinen Sohn, unsern Herrn und Gott,
der in der Einheit des Heiligen Geistes
mit dir lebt und herrscht
in alle Ewigkeit.

Mir löst das ein Zwiegespräch aus:

Und der HERR sprach:
Du, Peter, Isabelle, Rainer, du sollst leben!
Und so geschah es.
Und der HERR sah, dass es gut war.
Und es wurde Sommer
und es wurde Winter:
weiteres Lebensjahr.

In deine Hand
hast du unser Leben geschrieben;
wir sind dein Eigentum.
Deine Hand hält mich,
deine Hand hält uns.

An dir hängt mein Herz.
Du wirst von uns fernhalten,
was uns wirklich gefährdet.
Nimm auch von uns weg,
was uns bedrückt – an Leib und Seele.
Mach die ganze Welt frei
von allem, woran sie sich versündigt!

Freien Herzens
werden wir gern
deinen Willen zu tun versuchen.

Jesus, du begleitest mich
auf diesem Weg
und mit dieser Sehnsucht.
Du beatmest uns mit deinem Geist.
Durch dich werden wir ankommen.
Endgültig.
Danke!

Der Apostel Paulus vermittelt in einem seiner Briefe an die Christen in Thessalonich seine Vision von dem, was schließlich definitiv zählt:

Der Herr kommt. „Der Bräutigam kommt!“

Der Engel ruft und die Trompete erschallt.

Alle ruft er zum Leben. Selbst die Toten. Das Leben hat schon gesiegt!
(vgl. 1 Thessalonicher 4,13-18)

(Musik aus „Les Préludes“ von Franz Liszt)

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