Blogbeitrag

2008 Sankt Petersburg Rente aufbessern

Vermögen

16. November 2023

Sonntagsbotschaft zum 19. November 2023, dem 33. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A).

Was bringt’s am Ende, in dieser Welt ein gläubiger Christ sein zu wollen? „Reich Gottes“, „Himmelreich“, … ?

Eine Antwort darauf höre ich aus der Bibel im Gottesdienst dieses Sonntags:

In jener Zeit
erzählte Jesus seinen Jüngern das folgende Gleichnis:
Mit dem Himmelreich
ist es wie mit einem Mann, der auf Reisen ging.
Er rief seine Diener
und vertraute ihnen sein Vermögen an.
Dem einen gab er fünf Talente Silbergeld,
einem anderen zwei,
wieder einem anderen eines,
jedem nach seinen Fähigkeiten.
Dann reiste er ab.
Sofort ging der Diener,
der die fünf Talente erhalten hatte, hin,
wirtschaftete mit ihnen
und gewann noch fünf weitere dazu.
Ebenso gewann der, der zwei erhalten hatte,
noch zwei weitere dazu.
Der aber, der das eine Talent erhalten hatte,
ging und grub ein Loch in die Erde
und versteckte das Geld seines Herrn.
Nach langer Zeit
kehrte der Herr jener Diener zurück
und hielt Abrechnung mit ihnen.
Da kam der, der die fünf Talente erhalten hatte,
brachte fünf weitere und sagte:
Herr, fünf Talente hast du mir gegeben;
sieh her, ich habe noch fünf dazugewonnen.
Sein Herr sagte zu ihm:
Sehr gut, du tüchtiger und treuer Diener.
Über Weniges warst du treu,
über Vieles werde ich dich setzen.
Komm, nimm teil am Freudenfest deines Herrn!
Dann kam der Diener,
der zwei Talente erhalten hatte,
und sagte:
Herr, du hast mir zwei Talente gegeben;
sieh her, ich habe noch zwei dazugewonnen.
Sein Herr sagte zu ihm:
Sehr gut, du tüchtiger und treuer Diener.
Über Weniges warst du treu,
über Vieles werde ich dich setzen.
Komm, nimm teil am Freudenfest deines Herrn!
Es kam aber auch der Diener,
der das eine Talent erhalten hatte,
und sagte:
Herr, ich wusste,
dass du ein strenger Mensch bist;
du erntest, wo du nicht gesät hast,
und sammelst, wo du nicht ausgestreut hast;
weil ich Angst hatte,
habe ich dein Geld in der Erde versteckt.
Sieh her, hier hast du das Deine.
Sein Herr antwortete und sprach zu ihm:
Du bist ein schlechter und fauler Diener!
Du hast gewusst,
dass ich ernte, wo ich nicht gesät habe,
und sammle, wo ich nicht ausgestreut habe.
Du hättest mein Geld auf die Bank bringen müssen,
dann hätte ich es bei meiner Rückkehr
mit Zinsen zurückerhalten.
Nehmt ihm also das Talent weg
und gebt es dem, der die zehn Talente hat!

(Matthäus 25,14-30)

Die ersehnte und verheißene Zukunft, wenn Gott die herrschende Kraft ist in allem Miteinander der Menschen, also das „Reich Gottes“, wie das in der Bibel heißt, das „Himmelreich“, wie Jesus es hier im Matthäus-Evangelium nennt, und wie man sich den Weg vorstellen kann, der dorthin führt, das beschreibt Jesus wieder einmal mit einer bildhaften Geschichte, mit einem Gleichnis.

Da geht es um einen reichen Mann. Für die Dauer einer langen Reise vertraut er seinen Angestellten sein Vermögen zur Verwaltung an: Acht Talente Silbergeld. Welchen Wert das darstellt? Ein Talent entsprach damals etwa 20 bis 30 Kilogramm Silber. Ein typisches Segelschiff kostete um ein Talent. Ich habe auch schon mal gelesen, ein Talent habe in der damaligen griechisch-römischen Welt dem gesamten Einkommen einer Lebensarbeitszeit entsprochen.

Wer so viel Geld hat, verfügt nicht nur über eine erhebliche Kaufkraft, sondern damit auch über ein erhebliches Potential an Möglichkeiten. Er vermag damit viel zu bewegen. Mit einem solchen Reichtum verfügt er über ein hohes Vermögen, den Lebensraum in einem Gemeinwesen wirtschaftlich, politisch und sozial zu gestalten und zu verändern.

Wenn wir modernen Menschen eine Geldsumme nennen, steht im Fokus unserer Aufmerksamkeit erst einmal die Möglichkeit, was man damit kaufen kann. Das griechische Wort aber, das hier mit „Vermögen“ übersetzt ist, hat durchaus die viel größere Palette im Blick, die auch im Ursprung des deutschen Wortes „Vermögen“ liegt, nämlich alles das, was Menschen vermögen, wozu sie in der Lage sind, was zu erreichen sie fähig sind, … Das griechische τά υπάρχοντα αυτού heißt: was jemandem zur Verfügung steht, worüber zu verfügen er die Möglichkeit hat.

Und zu der Frage, wie es um die Möglichkeiten der Menschen steht, zu einem Leben zu kommen, wie es die Vision vom „Reich Gottes“ meint, die Vision von einem Leben, in dem Gott mit seiner Menschenliebe herrscht, bestimmt, verfügt, … – zu dieser Frage antwortet Jesus mit seinem Gleichnis:

Gott vertraut sein „Vermögen“, also das, was er vermag, den Menschen an, die ihm als ihrem Herrn und als dem Herrn der Welt dienen wollen. Was für ein Zutrauen! Was für eine Verantwortung! Was für eine Chance!

Das Gleichnis malt dann Bilder davon, wie Menschen das Vermögen einsetzen, das ihnen anvertraut wurde. Die einen arbeiten damit im Sinne dessen, dem sie dieses Vermögen verdanken. Dadurch vermehrt sich sein Wert. Der Einsatz des Vermögens „rentiert“ sich, erweist und bewirkt seinen Nutzen in den Wirklichkeiten. Das Ergebnis ist ein „Freudenfest“.

Da gibt es aber auch den Diener, der das ganz anders sieht: Für ihn ist der „Herr“ der, der sich selber aus dem Staub macht und sich wahrscheinlich irgendwo sorglos amüsiert und bei seiner Rückkehr in sadistischer Willkür die Früchte ihrer Sorge ausbeuten wird. In seiner Angst kennt er nur seine Pflicht, die ihm aufgebürdeten Werte zu bewahren. Die Perspektive eines Freudenfestes kommt ihm gar nicht in den Sinn.

Übrigens – ich bekenne, dass auch ich Jahrzehnte hindurch an diesem mir gut bekannten Gleichnis diesen Aspekt, den Jesus in seinem Gleichnis bringt, eher übersehen habe. Dass hier wieder einmal das „Himmelreich“ mit einem „Freudenfest“ verglichen wird, habe ich wohl vernachlässigt. Vielleicht liegt es ja daran, dass die alte deutsche Einheitsübersetzung von 1980 hier übersetzte „nimm teil an der Freude deines Herrn“. Die neue Version von 2016 berücksichtigt besser, dass nach dem griechischen Original der Mensch „eintreten“, „hineingehen“ soll in die χαρά des Herrn – und „charà“ kann dann ebenso „Freude“ wie „Freudenfest“ heißen – vergleichbar mit „Konzert“, das ebenso eine Komposition meinen kann wie eine Veranstaltung, auf der diese Komposition zu hören ist.

Wohin solche Vernachlässigung führt? Dem dritten Diener in dem Gleichnis wird einfach weggenommen, was er am Ende meinte in der Hand zu haben. Der Lohn für seine Angst ist einfach – nichts. Er steht vor dem Nichts. Es ist die gleiche Haltung wie die des Menschen, der sich zur Teilnahme am königlichen Hochzeitsfest verpflichten lässt, aber sich mit einem Blaumann bekleidet und damit zeigt, was er davon hält.

Diesem Pflichtbewusst-Ängstlichen wird auch an diesem Bibeltext am besten gefallen, was da dem Gleichnis selbst angehängt ist:

… wer hat, dem wird gegeben …
und er wird im Überfluss haben;
wer aber nicht hat,
dem wird auch noch weggenommen,
was er hat.

Das dürfte auch in dem mehr oder weniger christlichen abendländischen Kulturkreis der bekannteste Satz zu diesem Gleichnis sein, der gerne mit genüsslichem Händereiben zitiert wird. Warum? …

In welche Richtung sollten wir dann die Ohren – und das Herz – ausrichten, um zu hören, was uns heute mit diesem Gleichnis gesagt werden und zum „Evangelium unseres Herrn Jesus Christus“ werden will?

Sie verstehen mich sicher sehr gut, wenn ich hier mal wieder kopfschüttelnd beklage, wie in vielen katholischen Gottesdiensten im deutschen Sprachraum damit umgegangen wird:

Da endet, was der Gemeinde verkündet wird, mit den Worten

Werft den nichtsnutzigen Diener hinaus
in die äußerste Finsternis!
Dort wird Heulen und Zähneknirschen sein.

… und der Priester oder Diakon wird dann sagen „Evangelium unseres Herrn Jesus Christus“ und die Gemeinde wird antworten „Lob sei dir, Christus!“

Mich schüttelt das, weil ich das als sadistisch empfinde.

Als „Evangelium“ höre ich aus diesem Gleichnis, dass Jesus Mut macht: Das Zutrauen in unser „Vermögen“, das Gott denen anvertraut hat, die ihm dienen wollen, können, dürfen und sollen wir uns zu eigen machen, so dass der Weg letztendlich zu Gottes großem „Freudenfest“ führt – zu einer Welt in Gerechtigkeit und Frieden!

 

Wie ich vor 3 Jahren die Botschaft dieses Sonntags hörte – mit anderen Akzenten – , findet sich hier unter dem Titel „das Vermögen der Christen“.

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