Blogbeitrag

2011-09-17 Frankfurter Kreuzweg 7. Station

Endlich Entlastung!

6. Juli 2023

Sonntagsbotschaft zum 9. Juli 2023, dem 14. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A). 

Wenige wohltuende Sätze der Bibel haben sich so im Gedächtnis der Menschen eingebrannt wie das Wort von Jesus „Kommt alle zu mir, die ihr …“ Sie erinnern sich, wie der Satz weitergeht? Aber erinnern Sie sich auch, in welchen Situationen Ihres Lebens dieses Wort Ihnen wirklich Entlastung verschafft hat? Könnten Sie davon erzählen? Oft bleiben ja solche im kollektiven Gedächtnis abgespeicherten Worte pure Klischees ohne jede Wirkung. Da hilft nur: von neuem hinhören, als sei es das erste Mal.

Vor dem Abschnitt, der an diesem Sonntag vorgesehen ist, war es im Matthäus-Evangelium in einem längeren Abschnitt um „Gefährdung und Ermutigung der Jünger“ gegangen. Jetzt setzt das Evangelium nach Matthäus neu an, ohne Bezug zu nehmen auf das, was davor gesagt war. Oder hat der Evangelist vielleicht seine Erzählungen von Jesus bewusst so sortiert, dass nach der Darlegung, wie riskant, gefährlich und unangenehm das Christsein werden kann, jetzt besonders deutlich werden soll, wie viel ermutigende Kraft darin enthalten ist?

Das fängt mit sehr unkonkreten Aussagen an. Es klingt wie eine neue Überschrift, die das Wesentliche benennen will, was mit dem hier beginnenden Teil des Evangeliums rübergebracht werden soll. Umso wichtiger ist es mir, neu gut hinzuhören – möglichst frei von irgendwelchen vorgegebenen oder vorgenommenen Festlegungen.

In jener Zeit sprach Jesus:
Ich preise dich, Vater,
Herr des Himmels und der Erde,
weil du das
vor den Weisen und Klugen verborgen
und es den Unmündigen offenbart hast.

Worauf bezieht sich das „das“? Bezieht es sich auf das Ganze, auf das schlechthin, was Jesus unter die Menschen bringt? Und das hat Gott, der Vater, „vor den Weisen und Klugen verborgen“?

Sind da mit „Weisen und Klugen“ bestimmte Menschen gemeint? Vielleicht die Menschen, die sich selber als weise oder als klug einschätzen oder aufblasen? Oder die, die als weise und klug anerkannt werden? Nach welchen Maßstäben?

Und was für Menschen sind – im Kontrast dazu – mit den „Unmündigen“ gemeint? Kinder? Oder zur Mündigkeit Unfähige? An Demenz Erkrankte? Oder unmündig Gemachte oder Gehaltene? durch soziale Rollen oder Gesetze oder Rahmenbedingungen? Oder einfach Menschen, die als „unmündig“ gelten?

Und welche Vorgänge meinen „verborgen“ und „offenbart“? Beide sind anscheinend als einander entgegengesetzt gemeint. Beide sind aktive Tätigkeiten von Gott. Und was ist dabei der Sinn, das Ziel, der Grund oder der Zweck von Gottes Tun? Warum oder wozu hat er „das“ den einen vorenthalten und den anderen gewährt? Welchen Vorteil oder Vorrang gesteht er den „Unmündigen“ zu vor den „Weisen und Klugen“?

Und wie kommt mir das vor? Wie stehe ich dazu?

Die einzige Antwort – und in der Tat: eine klare, wenn auch nur eine Ahnung – spüre ich in meinem „Bauch“: Da regt sich meine Erinnerung an „Oh, ich bin klug und weise, und mich betrügt man nicht.“ In der komischen Oper „Zar und Zimmermann“ von Albert Lortzing singt das einer, der seine eigenen Qualitäten bei der Führung seines Amtes grotesk überschätzt und der sich das nur leisten kann, weil die eigene Machtposition ihn schützt.

Beim Hören spüre ich da so etwas wie Häme oder Schadenfreude. Und halte gleich Ausschau, ob ich in der heutigen Welt, in der ich lebe, auch solche Menschen kenne – in meiner kleinen Umgebung oder auch in Kirche oder Politik. Und natürlich muss ich mich fragen, ob ich – im kleineren Maßstab – manchmal auch so einer bin.

Jedenfalls freue ich mich bei dem Gedanken, Jesus könnte das auch so oder so ähnlich meinen.

Dann frage ich mich: Worin unterscheiden sich von denen diejenigen, die im Bibeltext „die Unmündigen“ genannt sind? Rein sprachlich: Wer nicht mündig ist, dem fehlt die Kompetenz und das Recht, mit ausreichend überblickender Einsicht volle Verantwortung zu übernehmen – für irgendein Geschäft, für zuverlässig bindende Vereinbarungen, für Handlungen oder Entscheidungen. Wer nicht mündig ist, bekommt einen Vormund zugeteilt. Von dessen Entscheidungen ist er als sein Mündel abhängig und auf sein Wohlwollen angewiesen – auch wenn der seine Qualitäten grotesk überschätzen sollte.

Wer sich in seinem sozialen Umfeld so erfährt, kann sich dadurch – zum Beispiel als Kind – geborgen und geschützt fühlen und von Verantwortung angenehm entlastet. Erwachsene Menschen, auch heranwachsende, werden das aber eher als Einschränkung ihrer Würde als Person erleben.

Und solchen Menschen, denen Anerkennung ihrer Würde vorenthalten wird, wendet Jesus sich ja generell mit Vorliebe zu. Dürfen sie auch in diesen Worten von Jesus eine „gute Nachricht“ erkennen und sich deshalb in froher Neugierde aufrichten? Das, was Jesus von Gott her unter die Menschen bringt, ist ja immer etwas Heilendes, Rettendes, Befreiendes …

Das allerdings bleibt im Wesentlichen denen verborgen und erscheint denen nur verdächtig, die in selbstherrlicher Überschätzung ihrer Kompetenzen meinen, mehr Macht haben zu dürfen als andere. Ist es das, worum es Jesus auch hier geht?

Das Matthäus-Evangelium setzt die Worte von Jesus fort. Was er weiter sagt, schafft das mehr Klarheit in diesen Fragen?

Ja, Vater,
so hat es dir gefallen.
Alles ist mir von meinem Vater übergeben worden;
niemand kennt den Sohn,
nur der Vater,
und niemand kennt den Vater,
nur der Sohn
und der, dem es der Sohn offenbaren will.

Wie meint Jesus diese Worte? Erinnert er damit an eine allgemeine Lebenserfahrung über die Einsicht in die Beziehung zwischen Söhnen und Vätern? Ja, wenn ich an meine Beziehung zu meinem Vater denke, dann ist mir schon klar, dass da für die Augen auch naher Verwandter Wesentliches verborgen blieb.

Aber eher vermute ich: Jesus will hier etwas sagen, was speziell für seine Beziehung zu Gott gilt, der ihm „Vater“ ist: Zugang dazu kann nur finden, wer anerkennt, dass durch ihn, durch sein Wort und durch sein Tun Gott sich in seinem Wesen offen zeigt und mitteilt.

Dann sind die folgenden Worte vielleicht eine Zusammenfassung von diesem Wesentlichen – eben dieses „das“, was den Klugen und Weisen verborgen bleibt, was er aber den Unmündigen offenbart:

Kommt alle zu mir,
die ihr mühselig und beladen seid!
Ich will euch erquicken.
Nehmt mein Joch auf euch
und lernt von mir;
denn ich bin gütig
und von Herzen demütig;
und ihr werdet Ruhe finden für eure Seele.
Denn mein Joch ist sanft
und meine Last ist leicht.
(Matthäus 11,25-30)

Ihr, die ihr euch mit dem Leben abquält; denen die herrschenden Rahmenbedingungen unerträgliche Lasten aufbürden; ihr alle, die ihr euch abhängig seht von Kräften, die euch Würde und Mündigkeit schmerzhaft einschränken; kommt zu mir, vertraut euch meiner Führung an!

Er wirbt um sie und nennt als Begründung: Ich bin gütig. Und: Ich bin „von Herzen demütig“, ohne den sadistischen Hochmut der selbsternannten „Klugen und Weisen“.

Die Belastungen, die auch dann zu eurem Leben gehören, wenn ihr euch mir anvertraut, das sogenannte „Joch“, in das ihr auch dann eingespannt seid; das ist nicht mit eurem jetzigen zu vergleichen: Es ist „leicht“ und „sanft“; es entspricht euren Kräften und Fähigkeiten und führt euch zu einem sinnerfüllten Leben!

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