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Hartes Brot, aber nahrhaft

29. Juni 2023

Sonntagsbotschaft zum 2. Juli 2023, dem 13. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A). 

„Ich habe es wieder drangegeben. Ich kann mit der Bibel nichts anfangen.“ So habe ich immer wieder Menschen klagen hören – auch wenn ehrliche Neugierde oder Sehnsucht sie dazu gebracht hatte, sich um einen persönlichen Zugang zur Bibel zu bemühen.

Als besonders schmerzhaftes Beispiel erinnere ich mich an Regine. Sie war beachtlich engagiert für den sozialen Zusammenhalt im Stadtteil und bekennende Atheistin. Wir hatten in den 80er-Jahren in einer Bürgerinitiative zusammengearbeitet. Durch das vertrauensvolle, solidarische Miteinander mit uns aus der Kirchengemeinde war sie neugierig geworden und kam in die Osternachtfeier. Da allerdings hörte sie aus dem ersten Bibelabschnitt, der verkündet wurde, das Wort von Gott an die Menschen: „Bevölkert die Erde, unterwerft sie euch!“ Unter Protest verließ sie die Kirche. Das war schiefgelaufen.

Zu einem abschreckenden Beispiel eines misslingenden Zugangs könnte auch der Bibeltext werden, der an diesem Sonntag als „Evangelium“ vorgesehen ist – als froh machende Botschaft – und der so anfängt:

Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich,
ist meiner nicht wert.
Und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich,
ist meiner nicht wert.

Was für ein Vergleich! Das klingt ja wie eine allumfassende Rivalität zwischen Jesus und den Anderen in meiner Familie! Das kann doch nicht sein, dass ich meinen Familienangehörigen andauernd unter die Nase reibe, dass ich sie weniger liebe als den Jesus! Oder dass ich mich permanent darum bemühe, mir selber zu vergewissern, dass ich Jesus mehr liebe als meine Eltern oder als meine Kinder! Nein, das kann es wirklich nicht sein: Meine Liebe zu Gott und meine Liebe zu den Menschen, die ich liebe, können sich nur gegenseitig bestärken und begründen, nicht aber sich gegenseitig ausstechen!

Richtet sich da mein Widerspruch gegen Jesus? Dann hätte ich ein Problem mit ihm. Bin ich dann etwa „seiner nicht wert“?!

Es ist schon eine Misere, wie total verkehrt so ein Wort der Bibel ankommen kann – je nachdem, wie ich hinhöre! Wie so oft, ist es auch hier unbedingt notwendig, den Zusammenhang nicht zu vernachlässigen, in dem etwas gesagt ist! Es geht ja hier nicht um eine statistische Vergleichs-Skala, wieviel Liebe jemand für diese und jene Personen aufbringt!

Jesus redet hier von einer bestimmten, schwierigen Lebenssituation: Wenn im Zusammenleben einer Hausgemeinschaft oder einer Lebensgemeinschaft oder unter den Bewohnern eines Ortes ein Konflikt oder gar eine Polarisierung entsteht: Soll da zu einem konkreten Problemthema weiterhin eine etablierte Kultur herrschen, die auf Gewalt, Diskriminierung oder Rücksichtslosigkeit gebaut ist? Oder wollen wir dann lieber zu Gottes anderer Herrschaft beitragen, da die Würde und das Recht, die Sicherheit und die Freiheit aller berücksichtigt werden?

Jesus macht uns bewusst: Wenn wir unter uns Menschen auf Gottes Reich hoffen und zu seinem Geist der Menschenfreundlichkeit beitragen wollen, dann geht das nicht ohne Konflikte – bis dahin, dass wir uns manchmal wie mitten unter die Wölfe gesendete Schafe vorkommen.

Wenn wir dann nicht „unsere Seele verkaufen“ wollen, müssen wir uns entscheiden – hoffentlich ohne Furcht voreinander; das war sein Akzent am letzten Sonntag.

Er will uns dazu bestärken, in einer solchen Situation – unbeschadet der Liebe, Achtung und Wertschätzung füreinander – den anstehenden Entscheidungen nicht auszuweichen. Er macht Mut, mir klar zu machen, was mir jetzt wichtiger ist: Harmonie bewahren und Streit vermeiden mit den Menschen, mit denen ich zusammenlebe? Oder mich dafür einsetzen, dass das Reich Gottes bei uns wächst – was ja wohl eh nur in gegenseitiger Liebe, Achtung und Wertschätzung geht?

Keine leichte Kost. Aber möglich mit dem Lebensmut, der mit dem Vertrauen zu ihm wächst.

Und dann mutet Jesus denen, die sich selber seinen Jüngern, seinen Christen zurechnen, noch eine Steigerung zu:

Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt
und mir nachfolgt,
ist meiner nicht wert.

In der Polarisierung, zu der sich der Konflikt zwischen Jesus und seinen Gegnern zuspitzt, bleibt es für ihn am wichtigsten, anzufangen mit Gottes Herrschaft der befreienden Liebe zu allen. Das ist ihm wichtiger, als ein ruhiges äußeres Einvernehmen mit allen aufrechtzuerhalten. Sinnerfüllt leben zählt für ihn mehr, als die eigene Haut zu retten, aber dafür die eigene Seele zu verkaufen.

Er hofft, die, die zu ihm Vertrauen gewonnen haben, damit anstecken zu können:

Wer das Leben findet,
wird es verlieren;
wer aber das Leben um meinetwillen verliert,
wird es finden.

Mit dem Wort „Leben“ spricht er natürlich das an, was Menschen als ihre Vorstellung vom Leben entwickelt haben. Wer nur darauf bedacht ist, seine eigene Vorstellung vom eigenen Leben zu verwirklichen, wird wirklich erfülltes Leben verpassen. Wer aber dafür aufgeschlossen ist, auf mein Wort hin und im Vertrauen auf mich seine Vorstellungen vom Leben zu relativieren und zu verändern, der wird wirklich erfülltes Leben finden.

Wem das nicht ein zu hartes Brot ist, wen das nicht abschreckt, was Jesus da sagt, sondern wen das lockt, es auszuprobieren, wird natürlich fragen: Wie geht das? Was ist dann wichtig, wenn es Chancen haben soll, dass die, die das probieren, auch bei der Stange bleiben und nicht bei Widerständen zurückweichen?

Jesus nennt hier ein paar mögliche Schritte, konkrete Beispiele:

Wer euch aufnimmt,
der nimmt mich auf,
und wer mich aufnimmt,
nimmt den auf, der mich gesandt hat.
Wer einen Propheten aufnimmt,
weil es ein Prophet ist,
wird den Lohn eines Propheten erhalten.
Wer einen Gerechten aufnimmt,
weil es ein Gerechter ist,
wird den Lohn eines Gerechten erhalten.
Und wer einem von diesen Kleinen
auch nur einen Becher frisches Wasser zu trinken gibt,
weil es ein Jünger ist –
Amen, ich sage euch:
Er wird gewiss nicht um seinen Lohn kommen.
(Matthäus 10,37-42)

Beispiele, mit denen er alle die ermutigt, die diesen Weg mit ihm gehen wollen. Beispiele, die alle einladen zum solidarischen Zusammenstehen, in dem man sich in der Kraft des Heiligen Geistes gegenseitig bestärkt und so entdeckt, wie nahrhaft dieses Brot für das Leben ist!

Eben doch „Evangelium unseres Herrn Jesus Christus“!

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