Blogbeitrag

2005 Juni Obere Strindenalpe Enzian

Hör-Bar

13. Juli 2023

Sonntagsbotschaft zum 16. Juli 2023, dem 15. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A).

Manche Menschen sagen: „Ich glaube nur, was ich sehe.“ Ist also das Sehen eine besonders zuverlässige Weise der Wahrnehmung? Und was macht das mit mir, was ich sehe? Wenn ich auf dem Weg vor mir eine Pfütze sehe, weiche ich aus und gehe außen rum. In der Tat – was ich sehe, beeinflusst oft mein Verhalten.

Wie steht es um die anderen Sinne?

Was ist mit dem Fühlen? Immerhin der Apostel Thomas – so erzählt es das Johannes-Evangelium – er will nur dann die Auferstehung von Jesus glauben, wenn er die Wunden des gekreuzigten Jesus anfassen kann.

Sogar das Riechen kann wichtig werden, da ja – jedenfalls verbreitet im Tierreich – Muttertiere ihre eigenen Jungen am Geruch zuverlässig zu erkennen glauben.

Und was ist mit dem Hören? Die Redewendung „Das weiß ich nur vom Hörensagen“ betont eher eine Unsicherheit. Allerdings wenn jemand sagt: „Mit eigenen Ohren habe ich gehört, dass XY dies oder das gesagt hat“, dann steht das für ihn oder sie fest!

Dieser Tage hörte ich – in der Einflugschneise des Frankfurter Flughafens – ein Flugzeuggeräusch. Dann aber merkte ich: Nein, es donnert! Und jemand rief mich an, ohne seinen Namen zu nennen. Ich hörte die Stimme und er sprach mich vertraut lachend an, aber ich erkannte nicht, wer es war. Wie zuverlässig ist das Hören?

Nach allem, was ich vom Glauben an Gott meine verstanden zu haben, spielt sich die Beziehung zwischen ihm und mir vor allem in der Weise ab, dass er spricht und ich höre oder auch dass ich zu ihm spreche und er mich hört. Bewusst von ihm etwas sehen oder vielleicht auch fühlen kann ich dann, wenn ich vorher gehört habe, wie er mir sagt „Schau mal …!“ oder so.

Ich erinnere mich gerne an einen Moment vor Jahren, als ich in den Alpen wanderte: Ich blieb stehen, weil da im strahlenden Sonnenschein am Hang ein Büschel kräftig blau blühenden Enzians seine Schönheit mir entgegenstreckte. Unvermittelt ging es durch mich hindurch: „Schau, durch Millionen von Jahren der Evolution hab ich das so werden lassen, um dir jetzt diese Freude zu machen!“ Meine persönliche Fantasie? Ja. Und trotzdem sag ich – froh lachend – : Gott hat mich da angesprochen und ich hab ihn gehört. So hab ich gesehen, wie er mir zuzwinkerte.

Und Jesus, in der Bibel gelegentlich „Mittler“ zwischen Gott und Menschen genannt, ver-mittel-t, indem er spricht – menschlich hörbar, in menschlicher Sprache. Selbst in seinem Handeln spricht Gott sich aus. In dem, was er tut und wie er es tut, ist er Gottes „message“, Gottes Wort in Person, seine Botschaft an uns Menschen, die wir, wenn sie bei uns ankommen soll, hören müssen, um ihn darin zu erkennen.

Wichtig wird dieses Thema in bestimmten Situationen. Etwa wenn es um Weichenstellungen im Leben geht, um Unsicherheiten in der eigenen Existenz, um Entscheidungen in der Politik, … Wenn da Gott ein Wort, eine Botschaft hat, der es zu vertrauen gilt, dann darf das Hören darauf natürlich nicht einer an Willkür grenzenden, naiven Spontaneität überlassen bleiben. Dann stellen sich zwei wichtige Fragen:

Bist du es wirklich, Herr, der da spricht? Wie kann ich das erkennen und von anderen Stimmen unterscheiden? – Und dann die andere Frage: Wenn du es bist, bin ich dann bereit, der Zuverlässigkeit deines Wortes zu trauen und mein Verhalten darauf zu gründen?

Zur ersten Frage fasse ich mich hier kurz. Sie stellt sich ja permanent und es gibt sicher andere Gelegenheiten, in denen sonntägliche Bibeltexte näher darauf eingehen. Hier nur der eine Gedanke, der für mich dabei im Vordergrund steht: Wenn ich mir unsicher bin, ob es Gott ist, von dem ich etwas höre, dann unterscheide ich als erstes, ob es seiner Menschenliebe oder anderen Grundzügen seiner Botschaft entspricht und förderlich ist oder ob es dem entgegensteht. Und dann vergewissere ich mich gerne mit Hilfe eines Gesprächs und Nachdenkens gemeinsam mit anderen, denen ich zutraue, dass es ihnen auch wichtig ist, auf Gott zu hören. Dann reicht mir auch nicht ein „Hörensagen“ über das, was andere dazu meinen oder gelehrt haben. Dann will ich miterleben, wie jemand mit seiner Person tatsächlich zu dem Gehörten steht.

Die andere Frage ist Thema der 1. Lesung und des Evangeliums an diesem Sonntag: Wenn ich erkannt habe: Du, mein Herr und mein Gott, bist es, der mich da anspricht, werde ich dann der Zuverlässigkeit deines Wortes trauen und mein Verhalten darauf gründen?

Offensichtlich auf diese Frage antwortet Gott durch das, was der Prophet ausspricht:

So spricht der Herr:
Wie der Regen und der Schnee vom Himmel fällt
und nicht dorthin zurückkehrt,
ohne die Erde zu tränken
und sie zum Keimen und Sprossen zu bringen,
dass sie dem Sämann Samen gibt und Brot zum Essen,
so ist es auch mit dem Wort, das meinen Mund verlässt:
Es kehrt nicht leer zu mir zurück,
ohne zu bewirken, was ich will,
und das zu erreichen, wozu ich es ausgesandt habe.
(Jesaja 55,10-11)

Das mit dem Regen und was er bewirkt, das kennt ihr ja und ihr verlasst euch total darauf. Wenn er ausbleibt oder nur dort fällt, wo ihr die Erde versiegelt habt, so dass er sofort ins Meer abfließt, ohne einem Wachstum für eure Nahrung zu dienen, dann fehlt euch das sehr!

Und ebenso zuverlässig und wichtig für euch ist das mit meinem Wort, das ich ausspreche und das ihr hört, so dass es bei euch wirken kann!

Im Evangelium dieses Sonntags greift Jesus ein ähnliches Bild auf, das den Menschen der damaligen Agrargesellschaft vertraut war. In dem Abschnitt aus dem Propheten-Buch ist die zuverlässige Wirkung von Gottes Wort verglichen mit dem Regen, der vom Himmel fällt und dann wirkt. Jesus vergleicht hier die Zuverlässigkeit, mit der Gottes Wort wirkt, mit dem Samen, den ein Bauer manuell aussät:

Er sagte: Siehe,
ein Sämann ging hinaus, um zu säen.
Als er säte, fiel ein Teil auf den Weg
und die Vögel kamen und fraßen es.
Ein anderer Teil fiel auf felsigen Boden,
wo es nur wenig Erde gab,
und ging sofort auf,
weil das Erdreich nicht tief war;
als aber die Sonne hochstieg,
wurde die Saat versengt
und verdorrte, weil sie keine Wurzeln hatte.
Wieder ein anderer Teil fiel in die Dornen
und die Dornen wuchsen und erstickten die Saat.
Ein anderer Teil aber fiel auf guten Boden
und brachte Frucht,
teils hundertfach, teils sechzigfach, teils dreißigfach.
Wer Ohren hat, der höre!
(Matthäus 13,1-9)

Wir skeptischen modernen Menschen, die bemüht sind, all unser Wirtschaften so zu organisieren, dass es dem Wettbewerb mit anderen standhält, wir sehen natürlich sofort süffisant: Dieser Landwirt geht sehr nachlässig mit seinem Saatgut um; er verschuldet damit eine unnötig schwache Effizienz seiner Investition. Sicher ist aber nicht dieser, von uns ins Bild hineingetragene Aspekt das, worauf Jesus aufmerksam machen will. Im Gegenteil: Dieser Sämann, den Jesus meint, der schöpft offensichtlich aus einem so reichhaltigen Reservoir, dass er jedenfalls kein Fleckchen Erde davon ausnehmen will, es mit seinem Saatgut zu beglücken. In großzügigem Überschwang geht er verschwenderisch mit seinem Vorrat um: Vielleicht kann er ja doch auch dem noch so ungünstig gelegenen Stückchen Erde es möglich machen, dass es – allen Widerständen und Risiken entgegen – ein fruchtbares Wachstum von Mitteln zum Leben hervorbringt!

Ich höre geradezu die Pause, die Jesus am Ende seines Gleichnisses lässt, damit, was er sagt, ankommen und hineinsacken kann bei denen, die ihm zuhören, bevor er knapp anfügt: „Wer Ohren hat, der höre!“

Ja, ihr könnt euch auf mich verlassen, sagt er. Trotz allem, was ihr erlebt und was dagegen spricht.

Mir ist es ein Anliegen, dass wir – alle, die wir mit unseren Fragen und Sorgen Gott nicht in Ruhe lassen – uns gegenseitig darin bestärken. In allem, was ich erlebt und in meiner vertrauenden Sichtweise verstanden habe, sehe ich mehr als ausreichend Gründe dafür.

Die 2. Lesung des Sonntags – so meine ich – ist ein gutes Beispiel, an dem wir das – in der jetzigen Situation des persönlichen Lebens wie auch der Gesamtsituation unserer Welt – „ausprobieren“ können, „verifizieren“, überprüfen können, inwieweit wir tatsächlich dazu bereit sind, in diesen Worten IHN zu erkennen und IHM zu trauen – natürlich nicht als „Rezept“, aber als Anregung, in dieser gemeinsam geteilten Sichtweise miteinander gemeinsame Schritte zu entwickeln.

Paulus sagt da in seinem Brief an die damaligen Christen in Rom:

Ich bin überzeugt,
dass die Leiden der gegenwärtigen Zeit
nichts bedeuten
im Vergleich zu der Herrlichkeit,
die an uns offenbar werden soll.
Denn die Schöpfung wartet sehnsüchtig
auf das Offenbarwerden der Söhne Gottes.
Gewiss, die Schöpfung ist der Nichtigkeit unterworfen,
nicht aus eigenem Willen,
sondern durch den, der sie unterworfen hat,
auf Hoffnung hin:
Auch sie, die Schöpfung,
soll von der Knechtschaft der Vergänglichkeit befreit werden
zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes.
Ja, wir wissen, dass die gesamte Schöpfung
bis zum heutigen Tag seufzt
und in Geburtswehen liegt.
Aber nicht nur das,
sondern auch wir,
obwohl wir als Erstlingsgabe den Geist haben,
auch wir
seufzen in unserem Herzen
und warten darauf,
dass wir mit der Erlösung unseres Leibes
als Söhne offenbar werden.
(Römer 8,18-23)

Wir gemeinsam mit der ganzen Schöpfung. Seufzen nach leibhaftiger, allumfassender Erlösung. In der Erwartung, dass für alle sichtbar wird: Wir alle sind von der Art Mensch, die mit Jesus neu angefangen hat, dem „Sohn Gottes“: Männer wie Frauen Söhne Gottes wie er! Jetzt braucht es „nur noch“ möglichst viele, bei denen diese Saat keimen kann.

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