Nicht nur Nietzsche (oder war es Feuerbach? oder Freud?) rümpfte die Nase, die Christen sähen ihm zu unerlöst aus. Andere sagten „sauertöpfisch“ oder „moralinsauer“. Sogar Josef Ratzinger, Kardinal und später Papst, beklagte, für viele Christen sei ihre Religion vor allem ein System des Gehorsams (oder so ähnlich), nicht aber eine lustvolle Verlockung zu erfülltem Leben. In der Tat, bis heute gilt für viele die gehorsame Verantwortung gegenüber Geboten und ein entsprechendes Pflichtbewusstsein als Wesensmerkmal eines Christen. Kein Wunder, dass eine Neugierde am Glauben, ein Liebeswerben fürs Christsein und ein entsprechender Zulauf junger Leute nicht gerade stattfinden.
Manche „Christen“ haben noch gar nicht gemerkt, wie sehr sie eventuelle religiöse Interessenten abstoßen, weil sie ein Bild des Christseins abgeben wie die „Hohepriester und Ältesten des Volkes“ von damals, die mit ihrem herrschenden Einfluss Jesus beseitigen wollten. Dessen Art, Gottes liebevoll befreiende Haltung zu den Menschen zu verkörpern, hielten sie ja geradezu für gefährlich. Nein, zu der Art von Jesus, den sie als Freund der Sünder und Dirnen und als „Fresser und Säufer“ diffamierten, wollen sie sich nicht einladen lassen. Schließlich kennen sie ihre „Aufgabe“ und „Verantwortung“ gegenüber Gottes „Gesetz“: Bevor es um ein Fest gehen kann, gilt es für sie erst mal darum, „die Arbeit zu erledigen“. Einladungen wie die von Jesus können sie nur ausschlagen. Erst die Pflicht (von „allen“), dann (vielleicht) das Vergnügen (für einige Profiteure?)!
Typisch für Jesus, wenn er sie dafür nicht beschimpft (das tut er nur, wenn sie ihre einengende Art mit Hilfe ihrer Möglichkeiten zur Macht auch anderen aufzwingen wollen), sondern ihnen einfühlsam werbend zur Einsicht verhelfen will, indem er ihnen wieder mal ein Gleichnis erzählt, das von Fest und Freude am Leben spricht. Schließlich gibt es dafür Grund genug schon im alten Teil der Bibel, auf die auch seine Gegner sich gerne berufen.
Diese Spur greifen die Bibeltexte auf, die die kirchliche Ordnung für diesen Sonntag vorsieht:
28. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr A (am 11. Oktober 2020)
Fest + Leben CONTRA Markt + Krieg
Weitere Texte aus der Bibel sind in der kirchlichen Ordnung für diesen Sonntag vorgesehen, die in ihrer Auswahl deutlich machen wollen, dass – entgegen aller Einschätzung durch eine große Mehrheit – hier die maßgebliche Realität schlechthin vor Augen gehalten wird:
Antwortpsalm Psalm 23
Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen. … Muss ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir, … Du deckst mir den Tisch vor den Augen meiner Feinde. Du salbst mein Haupt mit Öl, du füllst mir reichlich den Becher. …
Ruf vor dem Evangelium Epheser 1,17-18
Der Vater unseres Herrn Jesus Christus erleuchte die Augen unseres Herzens, damit wir verstehen, zu welcher Hoffnung wir berufen sind.
Was dann Jesus mit seinem Gleichnis bildhaft rüberbringt – als „Evangelium“ (= froh machende gute Nachricht) dieses Sonntags:
Fürbitten
1. Beten wir für alle Christen,
die aus ihrem Glauben Halt und Hoffnung schöpfen.
2. Für die Frauen und Männer, die im seelsorglichen Dienst
Gottes Einladung hinaustragen
und auf Unverständnis, Misstrauen oder Ablehnung stoßen.
3. Für die Völker auf der ganzen Erde,
die sich nach Frieden, Gerechtigkeit und Freiheit sehnen.
4. Für die Menschen, die von Reichtum und Wohlstand ausgeschlossen sind
und von Tag zu Tag nicht wissen, wovon sie leben sollen.
5. Für unsere Gemeinde,
die berufen ist, ein Ort der Zuflucht und der Hilfe zu sein
für die Schwachen und Notleidenden.