Blogbeitrag

Frühjahrs-Putz

23. Februar 2012

Kennen Sie aus dem Fernsehen die Serien „Die Rettungsflieger“ oder die „Bergretter“? Die Geschichten drehen sich immer um Menschen, die in eine Notsituation geraten und dann gerettet werden müssen. Und wenn es dann so richtig spannend wird, dann rege ich mich am meisten darüber auf, was die Opfer so alles falsch machen und wie sie es mit ihrem Verhalten den Rettern unnötig schwer machen, an sie ran zu kommen, sie zu retten. Eigentlich wäre alles viel einfacher, wenn der oder die zu Rettende sich vernünftig verhalten würde.

Wenn sie das, was sie in ihrer Notlage noch tun können, denn auch täten und sich nicht noch tiefer hinein reiten würden durch Angst, Panik oder auch Eigensinn und Unvernunft. Beim „Sich-retten-lassen“ sind immer zwei Seiten beteiligt und beide haben ihren Beitrag zu leisten, sonst klappt es nicht!

Und da kommt mir der Gedanke: Geht es dem Paulus vielleicht ähnlich wie mir? Nervt es ihn auch, wenn er sieht, wie wir uns so verhalten, wie wir uns im Alltag oder auch in besonders schwierigen Situationen immer mehr hinein reiten in ein unglückliches Leben, in Angst und Verzweiflung, in Enttäuschung und Mutlosigkeit, anstatt unser Teil zu tun und auf Gott zu vertrauen, der uns doch Rettung zugesagt hat? – Und deshalb bittet er so eindringlich: Lasst euch doch versöhnen, jetzt ist die Zeit dafür.

Nun gut. Dann schauen wir mal. Wir stehen vermutlich alle unterschiedlich im Leben. Und ob wir eine Notwendigkeit sehen, uns mit Gott versöhnen zu lassen, hängt damit sicher zusammen.

Vielleicht sind manche von uns ja auch so in ihrem Alltagstrott drin, dass sie gar nicht mehr spüren, dass sie Rettung nötig hätten. Andere sitzen vielleicht ganz tief drin im Dreck, im übertragenen Sinn in der „Felsspalte“ oder dem „gekenterten Boot“, und haben womöglich die Hoffnung schon aufgegeben, gerettet zu werden. Und wieder anderen geht es so gut, dass sie keine Rettung brauchen, sondern eher Gott noch bei seinen Rettungsversuchen unterstützen könnten.

Egal, wo jede und jeder von uns sich da wiederfindet, jetzt (!) ist die Zeit der Gnade, der Tag der Rettung! Gottes Angebot für uns: Zeit zum Hinschauen, wie es in uns aussieht, unser Leben in den Blick zu nehmen, etwas aufzuräumen, einen innerlichen Frühjahrsputz zu halten und dann den Weg auf Ostern zu Schritt für Schritt unter die Füße zu nehmen.

Ein Angebot an uns, damals an die Gemeinde von Korinth, heute an uns: Lasst euch mit Gott versöhnen! Die Zeit ist da. Nehmt sie euch und schaut miteinander, wie ihr wieder ein Stück mehr Gottes Wirken in der Welt möglich machen könnt.

Ziel eines jeden Rettungsversuchs ist es, etwas oder jemanden wieder heil zu machen, allumfassend die Welt zu heilen, Gottes Licht, sein Reich aufleuchten zu lassen.

Edith Stein, die 1942 von den nationalsozialistischen Machthabern ermordete Karmelitin, hat einmal gesagt: Wir Christen sollen wie Fenster sein, durch die Gottes Liebe, sein Licht in die Welt hinein leuchten kann. Und wenn ich das als Bild ernst nehme und mir jetzt in der Fastenzeit vornehme, mein und unser Fenster mal genauer anzuschauen, dann könnte ein Frühjahrsputz vielleicht nicht schaden.

Und damit geht es heute los. Am Aschermittwoch.

Das Evangelium hält uns dafür drei sehr effektive Putzmittel zur Fensterreinigung bereit:

Erstens das Fasten: ein kraftvoller Aktiv-Fettlöser für Leib und Seele. Nicht nur beim Essen und Trinken, auch bei unseren Aktivitäten, unseren Gedanken und Worten sich auf das Wesentliche und Notwendige konzentrieren. Dadurch erreichen wir eine Menge Durchblick, klare Konturen und ein unverwechselbares Profil. Wenn wir unser Lebensfenster von unnötigen Fettschichten befreien, entdecken wir für uns selbst ganz neu unsere Möglichkeiten, erkennen wieder unsere Stärken und Begabungen und auch andere können dann durch uns deutlicher sehen, welche Möglichkeiten Gott ihnen eröffnet. Denn durch den Verzicht auf viel Unnötiges, Belastendes, Überflüssiges werden wir achtsamer für uns selbst und für die Menschen um uns herum.

Zweites Putzmittel: Almosen. Es ist das beste Reinigungsmittel gegen Egoismus und das „Immer-mehr-haben-müssen“. Hier haben wir die Chance, unseren Überfluss mit anderen zu teilen, loszulassen, abzugeben und so innerlich frei zu werden. Wir kreisen dann nicht mehr nur um uns selbst, wir bekommen einen klaren Blick für die Welt und erkennen, wo andere unsere Solidarität und unsere Zuwendung brauchen. Almosen geben heißt  mehr als das, was wir vielleicht landläufig damit verbinden. Es wird zum politischen Handeln im Sinne Jesu, wenn wir ernst machen. Und es kann Ärger und Unverständnis hervorrufen, denn die wirtschaftlichen und politischen Machtverhältnisse zu hinterfragen oder eben auch zu unterwandern mit der Umverteilung der Güter, auch wenn es nur ganz kleine Beträge sind, ist noch nie „populär“ oder „in“ gewesen, aber im Sinne Jesu sehr wirksam und hilfreich. – Mit solcher Großzügigkeit erhält unser Lebensfenster einen frischen Glanz, und so kann Gottes Barmherzigkeit durch uns in die Welt strahlen.

Und so kommen wir zum dritten Putzmittel, dem Beten: der wirksame Schutz gegen Hektik und Oberflächlichkeit. Wenn wir uns bewusst Zeit nehmen und vor Gott still werden, kommen wir unserem Leben auf den Grund. Wir können Gottes Pläne mit uns wahrnehmen, entdecken, wohin er uns führen will oder wohin er uns gestellt hat in dieser Welt, und dürfen uns Kraft schenken lassen für den nächsten Schritt. So kann durch das „Reinigungsmittel“ Gebet Orientierung und Hoffnung in die Welt scheinen. Denn mit dem Beten beginnt das „Aufräumen“. Der große Theologe Karl Barth hat einmal gesagt: Hände falten im Gebet ist der Anfang des Aufstands gegen die Unordnung dieser Welt.

So weit unsere 3 Putzmittel. Immer wieder geht es dabei um unsere Lebensausrichtung – darum, ob wir als Christen wirklich in der Nachfolge Jesu stehen. Das Leben mit Jesus hat Folgen. Oft ist es gerade die Angst vor den Folgen, die uns erst gar nicht anfangen lässt mit dem Frühjahrsputz, mit der Glasreinigung. Dass wir auffallen könnten mit unserem Christsein, dass wir Gegenwind bekommen, wenn wir für Gerechtigkeit eintreten, dass Umweltschutz vor Wirtschaftsinteressen zu stehen hat oder Obdachlose bei uns Brot und Sommerfest erwarten dürfen. Das und noch viel mehr könnte der „Ärger“ sein, das „Kreuz“, das wir uns einhandeln, wenn wir Jesus nachfolgen um mit Ihm Ostern, Auferstehung, Aufstand aus allen Toden zu feiern. Aber genau das ist doch unser Ziel, auf das wir zusteuern wollen in diesen 40 Tagen, in dieser Zeit der Gnade: dem Tag der Rettung.

Mit diesen Worten richtete uns Luzia Goihl heute das aus, was Gott uns durch die zwei traditionellen Bibelabschnitte des Aschermittwochs sagen lassen will – als das Eigentliche alles Aktuellen! (2 Korinther 5,20-6,2 und Matthäus 6,1-6.16-18).

22. Februar 2012

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