Blogbeitrag

Christus-Ikone (1964 Chevetogne)

Führungsqualitäten

24. August 2023

Sonntagsbotschaft zum 27. August 2023, dem 21. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A). 

Worauf kommt es an, wenn jemand im staatlich oder kirchlich verfassten Gemeinwesen eine Führungsaufgabe wahrnimmt?

Dazu gibt es aus der Bibel an diesem Sonntag richtungweisende Worte.

Der Prophet Jesaja macht das deutlich – in Gottes Auftrag, mit drastischen Worten – in einer Krise, unter der die Menschen in Judäa und vor allem in der Stadt Jerusalem schwer zu leiden hatten.

So spricht der Herr zu Schebna, dem Palastvorsteher:
Ich werde dich von deinem Posten stoßen
und dich aus deiner Stellung reißen.

Warum? Was hat er Schlimmes gemacht? Unmittelbar davor (Jesaja 22,1-18) erzählt und beklagt Jesaja, wie Judäa unter seinem schwachen König Hiskija die Warnungen in den Wind geschlagen hatte, die Gott durch ihn, den Propheten, verkündigte. Sie sollten sich heraushalten aus dem Konflikt zwischen Assyrien und Ägypten, den damaligen Großmächten. Aber die Regierenden in Judäa hatten sich etwas Anderes in den Kopf gesetzt: Um sich gegen die Fremdherrschaft der Assyrer zu schützen, hatten sie sich von Ägypten abhängig gemacht.

So war es dazu gekommen, dass das assyrische Heer die Stadt bedrohlich belagerte. Die Bevölkerung litt schon unter dem Wassermangel und sie rissen ihre Häuser ab, um mit den Steinen die Stadtmauer zu sichern. Aus all dem Chaos waren schon große Teile der Oberschicht geflohen. Allerdings wurden sie auf der Flucht von den Assyrern gefangen. Das reichte denen offenbar schon und sie zogen ab. Die Belagerung war also zu Ende. Anlass für die Stadtbevölkerung, ein Freudenfest zu feiern. Aber ohne jeden Bezug zu Gottes Warnungen noch dankbar für die Bewahrung. Sie waren nur froh, kurzfristig noch mal davon gekommen zu sein.

Jesaja lastet das alles dem Schebna an, der eine Art graue Eminenz am Hof des Königs war.Statt für das Volk den Zugang aufzuschließen zu einer von Gott gewollten guten Zukunft, hat er ihnen den Weg dorthin verschlossen! Sowohl Prophetensprüche als auch das elende Geschick des Volkes waren ihm egal. Wie Jesaja erzählt, war er vor allem an seinem eigenen Prunk interessiert und am Ausbau seines Ansehens.

Deshalb hat der Prophet wieder eine Botschaft von Gott. Dem Schebna richtet er sie aus, die Botschaft von seiner bevorstehenden Absetzung:

Ich werde meinen Knecht Eljakim, den Sohn Hilkijas, berufen.
Ich werde ihn mit deinem Gewand bekleiden
und ihm deine Schärpe fest umbinden.
Deine Herrschaft gebe ich in seine Hand
und er wird zum Vater für die Einwohner Jerusalems
und für das Haus Juda.
Ich werde ihm den Schlüssel des Hauses David
auf die Schulter legen.
Er wird öffnen
und niemand ist da, der schließt;
er wird schließen
und niemand ist da, der öffnet.
Ich werde ihn
als Pflock an einer festen Stelle einschlagen
und er wird zum Thron der Ehre für sein Vaterhaus.
(Jesaja 22,19-23)

Gott will das Elend dieser Menschen in Jerusalem nicht weiter hinnehmen. Er sorgt also für einen radikalen Wechsel in der Führung des Volkes. Schebna wird abgesetzt.

Dass Führungskräfte im Volk eigensüchtige Ziele verfolgen und im Widerspruch gegen Gott oder die Verfassung dem Wohlergehen des Volkes schaden, das ist ein Phänomen, das schon in der Bibel immer wieder beklagt wird. Etwa hundert Jahre nach Jesaja wird zum Beispiel der Prophet Ezechiel Gottes Entscheidung verkünden, die sogenannten „Hirten des Volkes“ hätten derartig versagt und „weideten“ nur noch sich selbst, dass er nun für die Einsetzung eines neuen „Hirten“ aus dem Königshaus des David selber sorgen wird (Ezechiel 34).

Der Abschnitt aus dem Jesaja-Buch illustriert die gute Botschaft für das Volk mit dem Bildwort vom „Schlüssel“. Was da gemeint ist, was Gott darin dem vernachlässigten Volk verspricht, will sorgsam herausgeschält werden:

Zwei Funktionen des Schlüssels werden genannt:

Wer den zum jeweiligen Schloss passenden Schlüssel hat, kann die verschlossene Tür öffnen und so Zugang ermöglichen zu dem, was hinter der Tür liegt.

Und wer den Schlüssel hat, kann auch verfügen, welche Personen, Gegenstände und Kräfte da hineingebracht werden und welche nicht.

Um welche „Tür“ geht es hier, zu der der von Gott eingesetzte Eljakim den „Schlüssel des Hauses David“ bekommen soll?

Der Text nennt zwei Absichten:

Für die Einwohner der Stadt und des Landes wird Eljakim wie ein Vater sein.

Und für das Königshaus des David wird er zum „Thron der Ehre“, also zum Ort neuer Wertschätzung für Davids Art der Königsherrschaft in Gottes Vollmacht.

Für ein Volk, das – wie die damaligen Hörer dieser Worte des Propheten – im ausweglosen Elend lebt, beides eine nachhaltig erlösende Botschaft!

Eljakim wird an Schebnas Stelle treten, um für die Menschen „wie ein Vater“ zu sorgen. Türen, die in eine gute Zukunft führen, wird er aufschließen. Dann eröffnet sich dem Volk der Zugang zu dem, was im Neuen Testament „das Himmelreich“ genannt wird oder „Gottes Herrschaft“ oder das „Reich Gottes“. Kräfte, die Unmenschliches dem entgegensetzen, wird er ausgeschlossen halten. Dafür steht er als ein unverrückbarer, fest eingerammter Pflock.

Schon in der Zeit der Entstehung des Neuen Testaments haben die ersten Christen in Jesus den gesehen, in dem Gott dieses alte, immer wieder enttäuschte Versprechen jetzt endgültig einlöst.

So greift der Seher Johannes in seinem Buch der Offenbarung diese alte Vorstellung auf im Wort des Auferstandenen an den sogenannten „Engel“ der Gemeinde in Philadelphia:

So spricht der Heilige, der Wahrhaftige,
der den Schlüssel Davids hat,
der öffnet und niemand wird schließen,
der schließt und niemand wird öffnen:
… siehe, ich habe vor dir eine Tür geöffnet,
die niemand mehr schließen kann.

Und anerkennend sagt er ihm, warum: Er habe sehr wohl gesehen, wie standhaft er in der Führung der Gemeinde sich mit seiner – wenn auch nur geringen – Kraft zu Christus bekannt und seinen Feinden entgegenstellt habe. Die wolle er nun

… dazu bringen, dass sie kommen
und sich dir zu Füßen werfen
und erkennen,
dass ich dir
meine Liebe zugewandt habe.
(Offenbarung 3,7-9)

Auch das Evangelium dieses Sonntags greift das Thema auf:

In jener Zeit,
als Jesus in das Gebiet von Cäsarea Philippi kam,
fragte er seine Jünger und sprach:
Für wen halten die Menschen den Menschensohn?
Sie sagten:
Die einen für Johannes den Täufer,
andere für Elija,
wieder andere für Jeremia
oder sonst einen Propheten.
Da sagte er zu ihnen: Ihr aber,
für wen haltet ihr mich?
Simon Petrus antwortete und sprach:
Du bist der Christus,
der Sohn des lebendigen Gottes!
Jesus antwortete und sagte zu ihm:
Selig bist du, Simon Barjona;
denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart,
sondern mein Vater im Himmel.
Ich aber sage dir:
Du bist Petrus
und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen
und die Pforten der Unterwelt
werden sie nicht überwältigen.
Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben;
was du auf Erden binden wirst,
das wird im Himmel gebunden sein,
und was du auf Erden lösen wirst,
das wird im Himmel gelöst sein. …
(Matthäus 16,13-20)

Wie der alte, große Kirchenlehrer Augustinus diesen Evangeliums-Abschnitt versteht, wird jedes Jahr am 29. Juni, dem Fest der Apostel Petrus und Paulus, in der „Lesehore“ denen ans Herz gelegt, die das tägliche Stundengebet der Kirche pflegen. Da sagt Augustinus in einer Predigt zu dem Apostelfest:

… Nachdem Petrus selbst bekannt hatte:
„Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes“,
antwortete ihm Christus:
„Ich aber sage dir: Du bist Petrus,
und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen.“ …
Darauf nämlich, dass du bekannt hast:
„Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“,
darauf werde ich meine Kirche bauen.
… Diese Schlüssel erhält nicht ein einzelner Mensch – Petrus – , sondern die eine Kirche …“

Sagt Augustinus.

Thema dieses Gedankengangs ist also nicht etwa Petrus! Es geht hier um Jesus: „Wer bin ich für euer Verständnis? Was bedeute ich euch, meinen Jüngern, euch Christen?“ Traut ihr mir wirklich zu, dass ich mit euch Gottes barmherzig rettende Herrschaft aufbaue?

Für alle Führungsaufgaben in der Gemeinde ist das Bekenntnis zu Gottes Herrschaft in der Person von Jesus, dem Christus, die unverrückbare Grundlage und der Schlüssel zum Gelingen.

Christus als den göttlichen Retter erkennen – das ist das Schlüsselerlebnis, mit dem sich die Tür zum Reich Gottes öffnet!

Und diese Einsicht ist nicht Menschenwerk, sondern stammt aus Gott! Dem Petrus und allen, die dieses Bekenntnis mit ihm teilen, kann Jesus dazu nur gratulieren.

Denn sie lassen sich von ihm zeigen, worauf es jetzt ankommt, und sie lassen sich von ihm sagen, was darin am besten zu tun ist, wenn sein Reich wirklich kommen und sein Wille wirklich geschehen soll, damit die Welt vom „Bösen“ erlöst wird.

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