Blogbeitrag

In Sicherheit leben können (1990)

3. Oktober 2010

Herr K. war immer da. Aber keiner kannte ihn.

Irgendwann sprach ich ihn nach dem Gottesdienst an. Er war sehr zurückhaltend. Im Lauf der Zeit lernte ich seine Geschichte kennen: Als aramäischer Christ vor der als lebensbedrohlich gefürchteten Einberufung zum türkischen Militär geflohen, hatte er sich in Syrien eine Existenz als Schneider aufgebaut. Dafür musste er sich einen syrischen Pass besorgen. Im Lauf der Jahre wiederholten sich dann christen-feindliche Anschläge auf seine Ladenwerkstatt. Da er zunehmend bedroht war, flüchtete er nach Deutschland.

Jahre zog sich das Verfahren hin, an dessen Ende die Verweigerung des Asylrechts stand, weil er ja als syrischer Staatsangehöriger galt und dementsprechend keine „staatliche“ Verfolgung glaubhaft machen konnte; seine türkischen Verwandten, die direkt nach Deutschland geflohen waren, hatten da keine Probleme. Während dieser Zeit konnte er hier – wenn auch nur „geduldet“ – in Sicherheit leben und von seiner Hände Arbeit seinen Lebensunterhalt gewährleisten. Er war einfach heilfroh.

Im Laufe des langsam wachsenden Kontaktes zwischen Herrn K. und unserer Kirchengemeinde mündete nun das Verfahren aber in die Aufforderung zur Ausreise. Im Falle seiner Weigerung würde er abgeschoben. Ein weiterer langer Weg begann, auf dem Menschen aus der Gemeinde ihn – auch physisch zum Rechtsanwalt usw. – begleiteten. Da er Analphabet war, brauchte er Hilfe beim Schriftverkehr.

Am Ende bekam er schließlich Aufenthaltsrecht, und der Anwalt bestätigte: Ohne die Hilfestellung aus der Kirchengemeinde hätte das nicht geklappt. Das heißt, er wäre – inzwischen alt geworden – nach Syrien ins Nichts abgeschoben worden.

1990 feierten wir seine Einbürgerung. So hat sich die Seligpreisung bewahrheitet, die – ein wenig abgewandelt – in der Bibel gelautet hätte: Selig, die von Existenz zerstörender Abschiebung bedroht sind und damit vor Gott treten (sich der kirchlichen Gemeinschaft anvertrauen, in der ja dieser Gott zu finden sein soll), denn sie werden ‚in Sicherheit wohnen‘ (Ezechiel 34,28) können.“

(Aus dem Buch „Den Retter-Gott ranlassen. Damit Kirche wirklich Kirche ist“ Kapitel6 „Hier gibt’s rettenden Baugrund“)

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