Blogbeitrag

Menschenmenge vor der Alten Oper 2022

Kurswechsel unverhofft

27. Oktober 2022

Sonntagsbotschaft zum 30. Oktober 2022, dem 31. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr C). 

„Ich nehm’s wie’s kommt und mach’s Beste draus.“ Das haben Sie vielleicht auch schon mal gesagt. „Ändern kann ich eh nix.“ „Da muss man halt schauen, wo man bleibt.“

Ob Lebensweisheiten dieser Art wirklich weiterbringen? Wie geschickt bin ich da? Und wie gut informiere ich mich, so dass ich eine wirkliche Chance nicht verpasse?

In jener Zeit
kam Jesus nach Jericho und ging durch die Stadt.
Und siehe, da war ein Mann namens Zachäus;
er war der oberste Zollpächter und war reich.

Die „Zollpächter“ oder „Zöllner“ mochte man im Volk gar nicht; solche Leute nannte man später „Kollaborateure“. Denn sie trieben für die römische Besatzungsmacht die Steuern ein. Dass sie sich als Einheimische in den Lebensverhältnissen ihrer Nachbarn ganz gut auskannten, nutzten die Römer dazu, das Volk effektiv zu melken. Einen Lohn dafür bekamen sie von den Römern nicht; sie durften aber Gebühren erheben, um von dieser Art Arbeit leben zu können. Im Volk galten sie als korrupte Betrüger und man mied sie. Für die Römer waren sie auch nur so etwas wie bessere Sklaven; Freunde dürften sie auch bei ihnen kaum gehabt haben. Unbeliebt wie sie waren, werden sie ihres Lebens nicht wirklich froh geworden sein.

Von denen war Zachäus in Jericho der oberste. Und er hatte ganz schön viel Geld in seine Taschen angesammelt, heißt es. In seine Stadt kommt nun Jesus. Was hat Zachäus mit ihm am Hut?

Er suchte Jesus, um zu sehen, wer er sei,
doch er konnte es nicht
wegen der Menschenmenge;
denn er war klein von Gestalt.
Darum lief er voraus
und stieg auf einen Maulbeerfeigenbaum,
um Jesus zu sehen,
der dort vorbeikommen musste.

Zachäus ist neugierig: Wer ist dieser Jesus? Was will er in Jericho? Warum seinetwegen dieser Menschenauflauf?

Was mag in ihm vorgegangen sein? Was hat er denn schon über ihn gehört? Irgendwie scheint es ihn zu drängen: Er will den Jesus sehen. Dass die Leute ihm keinen Platz machen, kann ihn nicht davon abhalten. Er will ihn sehen. In Ermangelung eines Mäuerchens oder einer Straßenlaterne steigt er auf einen Baum. Dass die Leute sich über ihn lustig machen könnten, nimmt er in Kauf. Es scheint ihm ziemlich wichtig zu sein, Jesus sehen zu können. Die Distanz, die er da auf dem Baum hält, ist ihm ja vielleicht ganz recht.

Als Jesus an die Stelle kam,
schaute er hinauf und sagte zu ihm:
Zachäus, komm schnell herunter!
Denn ich muss heute in deinem Haus bleiben.

Haben Leute auf den Zachäus gezeigt und Jesus gesagt, was für ein Typ das ist?

Und Zachäus – für ihn ist das doch eine Zumutung! Wie reagiert er darauf?

Da stieg er schnell herunter
und nahm Jesus freudig bei sich auf.

Und alle, die das sahen, empörten sich und sagten:
Er ist bei einem Sünder eingekehrt.

Das wird jetzt anscheinend zum Stadtgespräch. Das Interesse der Leute an Jesus schlägt in Empörung um. Vielleicht haben manche ja schon von anderen Beispielen gehört, dass Jesus sich mit Vorliebe zum Freund von Übeltätern, Außenseitern und Fremden macht.

Und genau diese Erfahrung, die Zachäus in der Begegnung mit Jesus macht, krempelt jetzt ihn und sein ganzes Leben um. Das Fest, zu dem der Hausbesuch von Jesus bei Zachäus sich entwickelt, macht aus ihm einen anderen Menschen:

Zachäus aber wandte sich an den Herrn
und sagte: Siehe, Herr,
die Hälfte meines Vermögens
gebe ich den Armen,
und wenn ich von jemandem
zu viel gefordert habe,
gebe ich ihm das Vierfache zurück.

Da sagte Jesus zu ihm:
Heute ist diesem Haus Heil geschenkt worden,
weil auch dieser Mann ein Sohn Abrahams ist.
Denn der Menschensohn ist gekommen,
um zu suchen und zu retten, was verloren ist.
(Lukas 19, 1-10)

So unaufmerksam ist der Evangelist Lukas in seinem literarischen Stil nicht, dass er nicht merken würde, dass diese als an Zachäus gerichtet angekündigten Worte sich weit über das Du an Zachäus hinaus an die ganze Festgesellschaft und schließlich an die ganze Menschheit richten. Gewollt spricht er in Zachäus alle an:

Er ist gekommen, um Gottes alte Bundesverheißung an Abraham wahr zu machen. Alle seine Nachkommen sollen mit Gottes Segen zu einem erfüllten Leben gelangen und selber zum Segen für ihre Welt werden! Deswegen nimmt er vor allem und zuerst zu den Menschen eine Beziehung auf, die dem Leben verlorengegangen sind und gerettet werden müssen!

Paulus wird sagen: Auch alle die sind Nachkommen Abrahams, die – wie Abraham – in der Haltung des Glaubens an Gott sich der Begegnung mit Jesus aufschließen. (vgl. Römer 4,13; Galater 3,6-9)

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