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Bild von Michael Gaida auf Pixabay

Lebendig begraben?

23. März 2023

Sonntagsbotschaft zum 26. März 2023, dem 5. Sonntag auf dem Weg zum Osterfest im Lesejahr A.

Dieser Tage erleben wir es wieder, wir hier zwar nur in den Medien: Menschen, verschüttet unter Kriegstrümmern oder unter Erdbebentrümmern. In der Ukraine, in Syrien, in der Türkei, … Schrecklich!

Lebendig begraben – oder auch lebendig eingemauert – das war seit dem Altertum bis ins Mittelalter eine geläufige Form der Hinrichtung.

Immer wieder beschreiben Menschen ihre Lebenssituation so. Auch ohne reales Grab oder Trümmermauern fühlen sie sich so: eingesperrt, isoliert, abgeschnitten von allem Lebensraum, handlungsunfähig, ohne weitere Lebenschancen.

In Psalm 88 schreit ein Mensch zu Gott:

… mit Leid ist meine Seele gesättigt,
mein Leben berührt die Totenwelt.
Schon zähle ich zu denen,
die hinabsteigen in die Grube,
bin wie ein Mensch,
in dem keine Kraft mehr ist.
Ausgestoßen unter den Toten,
wie Erschlagene, die im Grab liegen, …
Entfernt hast du von mir meine Vertrauten,
zum Abscheu machtest du mich ihnen.
Gefangen bin ich und komm nicht heraus.
Mein Auge erlischt vor Elend. …
(Psalm 88,4-6.9-10)

Fern vom Leben und von Gott. Ausgeschlossen aus Gottes Herrschaftsbereich.

So auch die vielen Menschen, die um etwa 600 vor Christus, aus Israel nach Babylonien deportiert, für sich keine Lebensgrundlage mehr sahen.

Obwohl ihnen anscheinend als Letztes auch noch ihre Hoffnung gestorben ist, tritt da einer auf, rüttelt sie auf mit Worten und betont, dass es Gott ist, der ihnen das sagt:

So spricht GOTT, der Herr:
Siehe, ich öffne eure Gräber
und hole euch, mein Volk,
aus euren Gräbern herauf.
Ich bringe euch zum Ackerboden Israels.
Und ihr werdet erkennen,
dass ich der HERR bin,
wenn ich eure Gräber öffne
und euch, mein Volk,
aus euren Gräbern heraufhole.
Ich gebe meinen Geist in euch,
dann werdet ihr lebendig
und ich versetze euch wieder
auf euren Ackerboden.
Dann werdet ihr erkennen,
dass ich der HERR bin.
Ich habe gesprochen
und ich führe es aus –
Spruch des HERRN.
(Ezechiel 37,12b-14)

„Ich hole euch aus euren Gräbern herauf!“ Und daran werdet ihr mich erkennen! Meinen Schöpfer-Geist mache ich wieder zu eurem Lebensatem!

Dieses fantastische Wort – von Ezechiel, dem Propheten, ausgerichtet – das hören Juden und Christen immer wieder seit über 2000 Jahren.

Da haben hörende Menschen aus allen Epochen Gottes eigene Zusage an sie selber erkannt. Und immer wieder haben Gemeinschaften und Gemeinden, die sich als Gruppen von Gottes Volk verstanden, etwas drauf gegeben, wenn sie das hörten – in ihren Gräbern, in denen sie sich längst eingerichtet hatten.

Dann standen sie auf – aus antiker Sklaverei, aus feudaler Unterdrückung, aus Faschismus und Kommunismus.

Mit Konsumterror, Drogensucht und Nationalismus finden sie sich nicht mehr einfach ab, mit Fremdenhass, Überheblichkeit, Gewalttätigkeit, Sozialabbau, Verzweiflung und wie ihre Gräber alle sonst noch heißen. Aus der Ferne vom Leben und von Gottes guter Herrschaft lassen sie sich herausrufen durch diese Botschaft und öffnen einander ihre Gräber.

An diesem 5. Sonntag auf dem Weg zum Osterfest ist in den katholischen Gottesdiensten auf der ganzen Erde dieses Prophetenwort wieder zu hören. Dann soll in zwei Wochen die Grabesnacht zum großen Freudenfest werden.

Aber noch müssen wir leider mit geöffneten Augen sehen, wie elend das Leben so vieler Menschen von Leid und Tod bestimmt ist. Nicht in erfülltem Leben, sondern abge-sondert. „In der Sünde“ nennt die Bibel diese Lebensferne, fern vom Leben und von Gott. Oder: „Fleisch“ nennt der Apostel Paulus diesen Ungeist menschlicher Gesellschaft, der vom Leben entfernt. Das will Jesus in Gottes Auftrag überwinden!

In derselben Zielrichtung, in der Ezechiel seine Botschaft von Gott ausrichtet, lässt Gott durch Paulus an diesem Sonntag denen ausrichten, die auf ihn hören wollen:

… Ihr aber seid nicht vom Fleisch,
sondern vom Geist bestimmt,
da ja der Geist Gottes in euch wohnt. …
Wenn aber Christus in euch ist,
dann ist zwar der Leib tot aufgrund der Sünde,
der Geist aber ist Leben aufgrund der Gerechtigkeit.
Wenn aber der Geist dessen in euch wohnt,
der Jesus von den Toten auferweckt hat,
dann wird er, der Christus von den Toten auferweckt hat,
auch eure sterblichen Leiber lebendig machen,
durch seinen Geist, der in euch wohnt.
(Römer 8,8-11)

„Durch seinen Geist, der in euch wohnt“ – der in euch atmet, der eure Hoffnung und euer Handeln beseelt. Zwar – auf Grund der Sünde – „tot“. „Tot“ auf Grund sündhaft teurer Mieten, so dass man zwei Jobs braucht und keine Zeit mehr füreinander hat; nur Tod und Grab bleiben da übrig. Aber, fügt Paulus an, „auf Grund des Geistes Christi, der euch gegeben ist“ – der zwischen euch herrscht, seid ihr ja lebendig gemacht worden – auferweckt worden mit Christus!

Und Gott lässt nicht locker. Mit Jesus, aus dessen Begleitung Christen auch heute Halt, Freude und Kraft nehmen, bekräftigt er das an diesem Sonntag noch einmal:

Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes.
Ehre sei dir, o Herr!

In jener Zeit
sandten die Schwestern des Lazarus
Jesus die Nachricht:
Herr, sieh: Der, den du liebst, er ist krank.
Als Jesus das hörte, sagte er:
Diese Krankheit führt nicht zum Tod,
sondern dient der Verherrlichung Gottes.
Durch sie soll der Sohn Gottes verherrlicht werden.
Jesus liebte aber Marta, ihre Schwester und Lazarus.
Als er hörte, dass Lazarus krank war,
blieb er noch zwei Tage an dem Ort,
wo er sich aufhielt.
Danach sagte er zu den Jüngern:
Lasst uns wieder nach Judäa gehen.
Als Jesus ankam,
fand er Lazarus schon vier Tage im Grab liegen.
Marta sagte zu Jesus:
Herr, wärst du hier gewesen,
dann wäre mein Bruder nicht gestorben.
Jesus sagte: Wo habt ihr ihn bestattet?
Sie sagten zu ihm: Herr, komm und sieh!
Da weinte Jesus.
Die Juden sagten: Seht, wie lieb er ihn hatte!
Einige aber sagten:
Wenn er dem Blinden die Augen geöffnet hat,
hätte er dann nicht auch verhindern können,
dass dieser hier starb?
Da wurde Jesus wiederum innerlich erregt
und er ging zum Grab.
Es war eine Höhle,
die mit einem Stein verschlossen war.
Jesus sagte: Nehmt den Stein weg!
Marta, die Schwester des Verstorbenen, sagte zu ihm:
Herr, er riecht aber schon,
denn es ist bereits der vierte Tag.
Jesus sagte zu ihr:
Habe ich dir nicht gesagt:
Wenn du glaubst,
wirst du die Herrlichkeit Gottes sehen?
Da nahmen sie den Stein weg.
Jesus aber erhob seine Augen und sprach:
Vater, ich danke dir, dass du mich erhört hast.
Ich wusste, dass du mich immer erhörst;
aber wegen der Menge, die um mich herumsteht,
habe ich es gesagt,
damit sie glauben, dass du mich gesandt hast.
Nachdem er dies gesagt hatte,
rief er mit lauter Stimme:
Lazarus, komm heraus!
Da kam der Verstorbene heraus;
seine Füße und Hände waren mit Binden umwickelt
und sein Gesicht war mit einem Schweißtuch verhüllt.
Jesus sagte zu ihnen:
Löst ihm die Binden und lasst ihn weggehen!
Viele der Juden, die zu Maria gekommen waren
und gesehen hatten, was Jesus getan hatte,
kamen zum Glauben an ihn.
(Johannes 11,3-7.17.21.34-45)

„Nehmt endlich den Stein weg!“, ruft Jesus den Leuten voller Zorn zu.

Und in der Tat – das Wunder geschieht: Die Leute packen an, sie packen den Stein fort! Da fällt Jesus voller Dankbarkeit auf die Knie:

„Danke dir, Gott, dass du mich erhört hast! Sie lassen sich wirklich drauf ein!
Sie glauben wirklich an deine Herrlichkeit!“

Dass diese Leute das Verrückte tun und, obwohl der doch schon stinkt, den Stein wegwälzen, weil Jesus es sagt – die glauben an ihn! Das Wunder des Glaubens – von Jesus bewirkt! Sie widersagen wirklich dem Bösen. Weil sie wissen, an welchen Gott sie glauben!

Jetzt werden sie immer dann die Steine von den Gräbern wegnehmen, wenn sie verstehen, dass Jesus sie dazu auffordert und ermutigt – allen verweigernden Bedenken entgegen, die morbiden Gerüche doch unter Verschluss zu halten, um nicht den Tod ins eigene Leben zu holen. In der Solidarität des Glaubens, die sich – in der Orientierung an Jesus – dem Lebenswillen aller verbunden weiß!

Wo sind die Steine, die wir für die in den Gräbern wegräumen wollen, müssen, können, dürfen???

Herr, bring alle in ihren Gräbern Eingeschlossenen ins Leben zurück! Ermutige, die auf dich hören wollen, zur Solidarität im Glauben – zum aktiven Zeugnis für deine Liebe, die alle Gräber sprengt! Durchdringe unser Miteinander mit deinem Geist, der Leben schafft!

Du sagst: Man muss halt zufrieden sein,
und bist gewohnt, zu denken so wie alle Welt.
Sagst: Hauptsach‘ ist es, gesund zu sein
oder Erfolg zu haben oder auch viel Geld.
Doch wo bleibt dein Glück?
Du schaust nur zurück.
Du machst dich kaputt
und sagst: „Mir geht‘ s gut!“
– und stirbst!
Menschen, kommt heraus ans Leben!
Christus öffnet euch das Grab.

Was meint er damit?

Wenn du allein bist, dann kommt die Angst.
Du lenkst dich ab mit Fernsehen oder Alkohol.
Du fragst dich, welchen Sinn dein Leben hat,
wo doch so viel nur Stress oder Enttäuschung bringt. –
Die Maske aufs Gesicht!
„Ich bin total fit!“
Du wirst aggressiv
und mauerst dich ein –
ins Grab!
Menschen, kommt heraus ans Leben!
Christus öffnet euch das Grab.
Neue Zukunft wird er geben.
Der Tod muss vom Thron herab.

Machst du dir vor, dass du glücklich bist?
Oder gewinnst dem Leben nichts mehr ab wie Lazarus?
Oder wie Marta: so hoffnungslos,
dass erst im Jenseits nach dem Tod wieder Leben ist? –
Der Herr spricht dich an.
Er kommt dir ganz nah.
Er will, dass du lebst.
Er ruft allen zu,
auch dir:
Menschen, kommt heraus ans Leben!
Christus öffnet euch das Grab.
Neue Zukunft wird er geben.
Der Tod muss vom Thron herab.

Ostern soll werden. Ostern.

(gesungene Predigt in Herz Jesu Frankfurt-Fechenheim am 5. Fastensonntag 2002 – zur ABBA-Melodie „Lay all your love on me“ von Benny Andersson und Björn Ulvaeus 1981)

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