Blogbeitrag

Mitte und Strahlen (R.P. 2002)

Selbstbewusst

2. Februar 2023

Sonntagsbotschaft zum 5. Februar 2023, dem 5. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A).

Wie wichtig sind Sie für das Wohlergehen der Menschheit oder – kleiner gefragt – für das Wohlergehen Ihrer Familie oder Ihrer Stadt?

Wie reagieren Sie, wenn man Sie so fragt?

Vielleicht kommt das drauf an, ob Sie sich da als Einzelperson angesprochen sehen oder ob sich die Frage an eine Gruppe richtet, der Sie angehören: an einen Freundeskreis oder eine Parteiversammlung, an eine Feuerwehr-Mannschaft …

Wenn jemand zu Ihnen sagt „Sie sind ein Hoffnungsträger für unsere Zeit“, wie mutet Sie das an?

Natürlich tut Anerkennung gut. Andererseits kann es unsympathisch bis abstoßend wirken, wenn jemand in Lobhudeleien ein selbstzufriedenes Sonnenbad nimmt. Mag sein, dass dann jemand an das Bibelwort denkt: „Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden.“ Sollte man sich denn besser – „bescheiden“ oder „demütig“ – selbst erniedrigen, um dafür von den Anderen dann erhöht zu werden?

Nun klingt das Evangelium dieses Sonntags, als sagte Jesus zu seinen Christen: Mit euch kommt erst richtig Geschmack ins Leben; ihr seid das Salz der Erde. Mit euch geht erst richtig die Sonne auf über der Welt; ihr Christen seid das Licht der Welt.

Wie gehe ich damit um?

Für die Ohren von Menschen, die das Christsein zu ihrem Beruf gemacht haben, mag das verführerisch schmeichelhaft klingen, vielleicht gar Machtphantasien beflügeln.

Mit solchen Verallgemeinerungen nicht zu vergleichen sind Begegnungen wie, wenn Oma zum Enkelkind sagt „Du bist mein Sonnenschein“ oder ein Wort unter Verliebten wie „Gemeinsam mit dir bekommt mein Leben erst die richtige Würze!“

Wenn ich mich zu den Christen zähle, zu den in der Bibel so genannten „Jüngern“ von Jesus, wie kann ich dieses Wort aufnehmen „Ihr seid das Salz der Erde!“? Und wer sich nicht dazu zählt, was soll er oder sie damit anfangen, wenn er Jesus zu den Christen sagen hört „Ihr seid das Licht der Welt!“?

Um bei der Deutung der Worte von Jesus im Evangelium dieses Sonntags nicht zum Opfer eigener Willkür oder Versuchungen zu werden, gehe ich erst mal auf Abstand, um einen besseren Überblick zu gewinnen.

 

Das Buch, in dem die Bibelabschnitte fürs Vorlesen im Gottesdienst zusammengestellt sind, das „Lektionar“, führt den für diesen Sonntag vorgesehenen Abschnitt aus dem Matthäus-Evangelium mit den knappen Worten ein: „In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern:“

Ob es einen Zusammenhang gibt oder eine Situation oder vorangehende Worte, auf die sich das bezieht, was Jesus da sagt?

Aufmerksam gemacht wird nur auf den bestärkenden Inhalt dessen, was er sagt. Worin er aber die bestärkt, die hier „seine Jünger“ genannt werden, bleibt bei diesem Umgang mit dem Bibeltext offen.

Die übliche Gliederung des Bibeltextes in „Ab-Schnitte“ schneidet ab, wo ein neuer Inhalt zu beginnen scheint.

Die letzte inhaltliche Aussage vor Beginn des heutigen Abschnitts fängt mit dem Wort „Selig …“ an und wird deshalb den vorangehenden „Seligpreisungen“ zugeschlagen.

Allerdings kann man beachten: Die als „Seligpreisungen“ zusammengefassten Sätze sagen alle etwas über Menschen in der 3. Person aus: „Selig, die …“. Die letzte dieser Aussagen aber spricht die Hörenden direkt an: „Selig seid ihr … Freut euch und jubelt …“ Ebenso wie der folgende Abschnitt mit seinem doppelten „Ihr seid …“! So gesehen setzt der das letzte vorangegangene „Selig seid ihr …“ in engem Zusammenhang konkret fort, gehört damit zusammen!

Als Absicht, was der Jesus des Evangeliums mit diesen Worten sagen will, ergibt sich dann eine neue Ermutigung, alle die Benachteiligungen, gar Verfolgungen mit frohem Herzen in Kauf zu nehmen, die das Christsein einem einbringen kann, also das „Kreuz“.

Wenn aber – wie hier in der Leseordnung – die beiden Aussagen auseinandergeschnitten werden, ergibt sich, Jesus sage diese bestärkende Ermutigung zu denen, die – undifferenziert – sich als „seine Jünger“ verstehen, eben als Christen.

Christen, die bisher wenig Anerkennung ihrer Würde erfahren haben oder die sich immer wieder frustrierend ohnmächtig erleben und deshalb ein schwach entwickeltes Selbstbewusstsein haben, solche Christen könnten dann daraus in einer Staatsreligion oder Volkskirche die Konsequenz ziehen, ihnen als Christen stehe mehr Einfluss oder Anerkennung zu als den Nichtchristen.

Vielleicht ein Grund für fatale tatsächliche Entwicklungen in der Geschichte.

Ganz anders allerdings lenkt die Bibel die Aufmerksamkeit, wenn man beim Hören dessen, was heute „Evangelium“ werden will, den Zusammenhang beachtet. Da sind die angesprochen, die angefeindet werden, weil sie sich von Jesus haben anstecken lassen mit seiner Sicht, worauf es im Leben ankommt: Neues Licht und Gottes belebenden Geist für alle auf den finsteren Schattenseiten des Lebens! Angesprochen sind da alle, die verachtet oder diskriminiert werden, weil sie mit Jesus nicht nur fromm reden, sondern sich von ihm dazu bewegen lassen, mit neuer Kraft Gottes Menschenfreundlichkeit, die sie an Jesus erlebt haben, auch in ihre Welt zu bringen. Längst haben sie das als ihren Lebensweg erkannt, als ihre Lebensaufgabe. An den Gott, den Jesus verkörpert, glauben sie. Ihm folgen sie nach. Sie stehen dazu und nehmen die Nachteile in Kauf, die ihnen das einbringt.

Sie will Jesus bestärken und wendet sich deshalb an sie:

Selig seid ihr,
wenn man euch schmäht und verfolgt
und alles Böse über euch redet um meinetwillen.
Freut euch und jubelt:
Denn euer Lohn wird groß sein im Himmel.
So wurden nämlich schon vor euch
die Propheten verfolgt.
Ihr seid das Salz der Erde.
Wenn das Salz seinen Geschmack verliert,
womit kann man es wieder salzig machen?
Es taugt zu nichts mehr,
außer weggeworfen
und von den Leuten zertreten zu werden.
Ihr seid das Licht der Welt.
Eine Stadt, die auf einem Berg liegt,
kann nicht verborgen bleiben.
Man zündet auch nicht eine Leuchte an
und stellt sie unter den Scheffel,
sondern auf den Leuchter;
dann leuchtet sie allen im Haus.
So soll euer Licht vor den Menschen leuchten,
damit sie eure guten Taten sehen
und euren Vater im Himmel preisen.
(Matthäus 5,11-16)

So macht er ihnen Mut, am Ball zu bleiben, auch wenn es schwer wird. Sie haben ja erlebt, wie die Traditionalisten ihn bekämpfen wegen seiner Art, Menschen in Schuld, Elend und Krankheit zu begegnen und dabei immer wieder an Gottes Willen und an seine Barmherzigkeit zu erinnern.

Wenn sie selber jetzt auch so angefeindet werden wie er, dann können sie darin die Bestätigung erkennen, dass sie wirklich auf seinem Weg sind.

In allen Bedrohungen und Belastungen können sie sich gegenseitig stützen im Bewusstsein von diesem Sinn ihres Lebens. Gerade wenn sie nicht nachlassen in ihrem gemeinschaftlichen Eifer, werden auch die benachteiligten Menschen in ihrer Umgebung dem Leben neu Geschmack und Helligkeit abgewinnen können.

Denn gerade so, sagt Jesus ihnen, seid ihr „das Salz der Erde“ und „das Licht der Welt“. Freut euch daran! Es gibt keinen Grund, eure eigene Lebenserfüllung zu vernachlässigen. Und im Wissen, dass Gottes Herrschaft, sein „Himmelreich“ sich so unter den Menschen ausbreitet, teilt eure Freude daran mit ihnen! Solches Selbstbewusstsein dürft ihr nicht verstecken, das will leuchten!

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