Sonntagsbotschaft zum 25. Februar 2024, dem 2. Sonntag auf dem gemeinsamen Weg zum diesjährigen Osterfest (Lesejahr B).
„Wir können ihn unmöglich ins offene Messer laufen lassen! Er hat ja selber gesagt: In Jerusalem werden sie ihn umbringen! Tot kann er niemanden mehr heilen und aufrichten! Wenn ER nicht mehr ist, wer soll dann die Welt verbessern!“
So sagt ihre „innere Stimme“.
Andere Stimmen fordern: „Rekrutiert Leute für Jesus und macht ihn zum König, damit er endlich die Römer aus dem Land jagt!“
Und wieder andere: „Der Jesus muss kaltgestellt werden, sonst bringt er alles bei uns durcheinander!“
Und manche meinen: „Lasst den Jesus mal machen. Das beruhigt sich alles wieder von allein.“
Diverse Stimmen werben um ihr Vertrauen. Verführerisch. Hin- und hergerissen sind sie und nahe daran, Jesus von seinem Weg abzubringen. Welcher der vielen Stimmen können sie sich überlassen, welcher sich anschließen?
Sie sind mit Jesus auf dem Weg. In Galiläa hat er angefangen mit seinem Auftreten in der Öffentlichkeit. Bei den einen hat er Jubel hervorgerufen, bei den anderen totale Ablehnung. Und jetzt gehen sie nach Jerusalem. In die Höhle des Löwen.
Jesus hat ihnen die Augen geöffnet für das Risiko dieses Weges. Was sollen sie davon halten? Die Stimmen, die ihr Ohr und ihr Herz treffen, schwirren durcheinander.
Und Jesus?
Aus der ganzen Gruppe nimmt er drei mit sich abseits. Meint er, diesen dreien kann er das am ehesten zumuten?
Sie gehen „auf einen hohen Berg“. Das klingt nach dem Ort einer Offenbarung, die Gott herbeiführt. Sie erwägen miteinander Sinn und Risiken des Weges mit Jesus nach Jerusalem.
Ob es ihm gelingen wird, ihre finstere Sicht von den kommenden Ereignissen ins Positive und in Vertrauen zu verwandeln?
Die Stimmen von Mose und von Elija aus der Bibel kommen ins Gespräch. Und dann die Stimme, die für sie das stärkste Gewicht entfaltet:
In jener Zeit
nahm Jesus
Petrus, Jakobus und Johannes beiseite
und führte sie auf einen hohen Berg,
aber nur sie allein.
Und er wurde vor ihnen verwandelt;
seine Kleider wurden strahlend weiß,
so weiß, wie sie
auf Erden kein Bleicher machen kann.
Da erschien ihnen Elíja und mit ihm Mose
und sie redeten mit Jesus.
Petrus sagte zu Jesus:
Rabbi, es ist gut, dass wir hier sind.
Wir wollen drei Hütten bauen,
eine für dich, eine für Mose und eine für Elíja.
Er wusste nämlich nicht, was er sagen sollte;
denn sie waren vor Furcht ganz benommen.
Da kam eine Wolke und überschattete sie
und es erscholl eine Stimme aus der Wolke:
Dieser ist mein geliebter Sohn;
auf ihn sollt ihr hören.
Als sie dann um sich blickten,
sahen sie auf einmal niemanden mehr bei sich
außer Jesus.
Während sie den Berg hinabstiegen,
gebot er ihnen,
niemandem zu erzählen,
was sie gesehen hatten,
bis der Menschensohn
von den Toten auferstanden sei.
Dieses Wort beschäftigte sie
und sie fragten einander, was das sei:
von den Toten auferstehen.
(Markus 9,2-10)
Damit müssen sie erst mal selber klarkommen. Göttlicher Glanz liegt über ihm und seinem Weg? Wie passt das zu all dem, was sie bewegt: die Angst um den Meister, … und was kommt auf sie selber zu? Und wie soll das dann weiter gehen, was er so wunderbar angefangen hat? Die Menschen brauchen ihn doch!
Ihre Ahnung wird wachsen: Gott braucht ihn – ganz – , wenn die Menschen mit ihrer Würde gerettet werden sollen – angesichts all der mächtigen Kräfte, die den Menschen klein halten und unterdrücken!
Aber jetzt schon davon weitererzählen, das bringt nichts; das schafft nur Missverständnisse. Die erste Reaktion von Petrus zeigt es ja: „Wie gut, dass wir hier sind!“ Diesen Moment will er festhalten: Hütten bauen. Bleiben. Kurzsichtiges, wenn auch – für uns – verständliches Missverständnis.
Erst wenn er auferstanden sein wird, werden sie verstehen können. Aber noch können sie ja mit „Auferstehung“ nichts anfangen. Also kriegen sie das alles nicht auf die Reihe.
Erst mal muss ihnen wichtig werden: In all dem Wirrwarr von Stimmen „auf ihn hören“! Sich von den vielen anderen Stimmen nicht das Vertrauen kaputt machen lassen!
Diese Erfahrung wird sie jetzt auf ihrem weiteren Weg begleiten.
Vielleicht wird in ihrem Miteinander die Einstellung an Kraft gewinnen, die Jesus ihnen fürs Beten schon ans Herz gelegt hatte: Führe DU uns, damit wir nicht dieser und jener Versuchung unterliegen, sondern wirklich den Weg einschlagen zur Erlösung von allem Bösen!
Und dann können sie ihre Verbundenheit mit ihm erproben – damals und heute – in den konkreten Momenten und Situationen, in denen diverse Stimmen um Gehör werben:
Da können Politiker, die eine Steigerung wirtschaftlicher Umsätze durchsetzen müssen, beide Augen zudrücken, wenn Stimmen darauf hinweisen, dass in der Lieferkette Menschenrechte grob verletzt werden.
Oder wer – zum Beispiel in der Kirche – meint, einen gut sprudelnden Geldhahn nicht zudrehen zu dürfen, schont dann vielleicht gerne die Quellen vor Kritik, auch wenn sie anderen gegenüber weniger großzügig sind.
Wer sich unbedingt gegen alle möglichen Risiken absichert, dem werden vielleicht keine Ressourcen und keine Energie übrigbleiben, um einen solidarischen Blick zu pflegen für Menschen mit anderen Interessen.
Wer eigene Interessen absolut setzt, wirft gerne Menschen mit anderen Interessen vor, eine „Ideologie“ durchsetzen zu wollen.
Wer von gewaltbereiten Rechtsextremisten nicht angefeindet werden will, hält wahrscheinlich den Mund, wenn er sie in Aktion sieht.
Wähler, die sich in Zeiten von Krisen durch das Versprechen einfacher Lösungen verführen lassen, können unversehens zu Helfershelfern von Rattenfängern werden.
Wer sein Schäfchen unbedingt ins Trockene bringen will, trifft auch Entscheidungen, die andere als korrupt bezeichnen würden.
Wer – noch ungefestigt – der eigenen Allmachtsphantasie frönt, ohne schuldig zu werden durchs Leben gehen zu können, wird alle möglichen Krisen immer nur anderen Menschen anlasten.
Immer kommt alles darauf an, auf welche Stimme ich höre, um mich entsprechend zu verhalten.
Mit der Entscheidung, auf welche Stimmen wir hören, stellen wir Weichen für die Zukunft des eigenen Lebens und auch für die Zukunft derer, die uns nahestehen, ja für die Zukunft der Menschheit.
Wer beim Segeln gegen den Wind kreuzen muss, um in den ruhigen Hafen zu kommen, dem wird vor der Küste mit ihren Untiefen nur dann die Wende gelingen, wenn die Crew gut aufeinander abgestimmt auf eine als führend anerkannte Stimme hört; sonst fallen sie bei jeder Wende wieder zurück und kommen nicht an.
Hilfreich kann es werden, wenn wir die Zeit bis zum Osterfest dafür nutzen, uns klar zu werden, auf wen oder was wir hören wollen und welchen Stimmen wir uns entgegenstellen.
Dann in der Osternacht die Fragen „Widersagt ihr …?“ und „Glaubt ihr …?“ nicht nur rituell zu beantworten, sondern die so geklärte Antwort in solidarischer Gemeinschaft einander zu bezeugen, das kann zur Kraftquelle werden, aus der ein Strom von Gottes Geist fließt und eine Zeitenwende zur Menschlichkeit hin eröffnet.