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Über den Haufen

28. September 2023

Sonntagsbotschaft zum 1. Oktober 2023, dem 26. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A). 

Eigentlich ist dieser Sonntag auch Erntedank. Der Impuls, den mir das auslöst, ist eine Klage über den verkniffenen Dank: Es gibt so viel Wertvolles, was uns vorgegeben, ja geschenkt ist! Man kann es „Rahmenbedingungen“ nennen oder auch „geschenkte Infrastruktur“ für ein gelingendes Leben. Viel Lebensfreude geht dadurch verloren, dass wir das alles als selbstverständlich hinnehmen und es schließlich zu unserem Anspruch darauf gemacht haben: Wehe, wenn eine Naturkatastrophe oder auch eine von Menschen gemachte Krise uns etwas von dem Beanspruchten schmälern will! Wehe den Politikern, die dann in ihrer Verantwortung das Problem benennen und sich trauen, die nötigen Anpassungsmaßnahmen in die Wege zu leiten! Mir läge es ja am Herzen, einiges dazu zu sagen. Aber ich kann nicht erkennen, inwiefern die Bibeltexte des Sonntags eine Botschaft haben, die damit zu tun hat.

Ähnlich geht es mir mit den Landtagswahlen in Hessen und in Bayern am nächsten Sonntag. Auch dazu kann ich keine aus den Bibeltexten zu hörende Botschaft erkennen.

Und ich liebe den in der 2. Schriftlesung enthaltenen wunderbaren Hymnus auf Jesus, den Christus, der sich aus Liebe zum Menschen erniedrigt hat bis zum Tod am Kreuz. Aber ich frage ja in diesem Podcast nach einer Botschaft für diesen Sonntag!

Ja, ich tue mich diesmal schwer zu sehen, zu welcher Frage dieser Lebenszeit uns da etwas Relevantes gesagt werden soll.

Ich fange mit dem Evangelium an: Um was geht es da? Wozu wird da etwas gesagt?

Das Leben von Jesus geht auf sein Ende zu. Er ist in Jerusalem angekommen für die finale Zuspitzung des Konflikts. Die Szene spielt sich im Tempelvorhof ab – nach dem Zornausbruch von Jesus, mit dem er den Missbrauch des Tempels zu Konsum und Kommerz gegeißelt hatte, und nach der Frage der Hohepriester und Ältesten nach seiner Vollmacht. Sie spricht er jetzt an:

Was meint ihr?
Ein Mann hatte zwei Söhne.
Er ging zum ersten und sagte:
Mein Kind, geh
und arbeite heute im Weinberg!
Er antwortete:
Ich will nicht.
Später aber reute es ihn
und er ging hinaus.
Da wandte er sich an den zweiten
und sagte zu ihm dasselbe.
Dieser antwortete: Ja, Herr –
und ging nicht hin.

In meine Sprache und Logik übersetzt, heißt das:

Ein Familienbetrieb. Der Vater überträgt den Söhnen eine Aufgabe. Der erste widersetzt sich. Dann aber ändert er seine Einstellung: Vielleicht findet er es besser, den ihm zukommenden Anteil zum Gelingen des Ganzen doch beizutragen? Er geht jedenfalls und tut, was der Vater will. Der zweite, von dem der Vater das gleiche will: Er stimmt zunächst zu. Der Vater kann also davon ausgehen, dass er seinen Beitrag leistet. Er tut es dann aber nicht.

Wer von den beiden
hat den Willen seines Vaters erfüllt?
Sie antworteten: Der erste.

Das Gleichnis nimmt Jesus als Bild, damit für seine Kontrahenten das Problem deutlicher wird, auf das er sie aufmerksam machen will:

Da sagte Jesus zu ihnen:
Amen, ich sage euch:
Die Zöllner und die Dirnen
gelangen eher in das Reich Gottes als ihr.
… Johannes ist zu euch gekommen
auf dem Weg der Gerechtigkeit
und ihr habt ihm nicht geglaubt;
aber die Zöllner und die Dirnen
haben ihm geglaubt.
Ihr habt es gesehen
und doch habt ihr nicht bereut
und ihm nicht geglaubt.
(Matthäus 21,28-32)

Was meint Jesus hier, was das Problem ist?

Die Hohepriester, also die amtlichen Vertreter der Religion, und die Schriftgelehrten, also die theologischen Experten haben von Gott als ihre Aufgabe die Sorge dafür übernommen, dass im Volk Gott die herrschende Kraft ist, dass da also immer mehr sein Reich kommt und sein Wille geschieht. Und sie haben auch immer – gegenüber Gott und dem Volk – behauptet, dass sie das tun. Demgegenüber galten die Zöllner und die Dirnen als die, die mit ihrer Lebensweise und ihrem Verhalten am krassesten sich Gottes Willen widersetzten.

Jesus aber sieht und beurteilt das anders: „Die Zöllner und die Dirnen gelangen eher in das Reich Gottes als ihr.“

Seine Wahrnehmung macht er daran fest, wie sie auf den Täufer Johannes reagiert haben und auf seinen Aufruf auf den Weg zur wirklichen Gerechtigkeit.

Allerdings erzählt die Bibel sowohl von den Hohepriestern und Ältesten als auch von den Zöllnern und Dirnen, wie sie auf Jesus reagiert haben, der den Aufruf des Johannes zugespitzt und allumfassend umgesetzt hat.

Darauf haben die sich eingelassen, die mit ihrer Lebensweise sich Gott verweigert hatten, sich aber jetzt dem göttlichen Geschenk des Neuanfangs öffnen, also „geglaubt“ haben.

Dagegen haben die sich dem Aufruf verschlossen, die immer für das Ja zum Glauben standen und Gottes Willen als Lehrer dem Volk verkündeten. Sie haben sich den Zeichen verweigert, die Gott in dieser Zeit in Johannes und dann noch mehr in Jesus den Menschen gegeben hat; sie haben „nicht geglaubt“.

In der Sichtweise der Hohepriester und Schriftgelehrten wirft Jesus hier alles über den Haufen. Die Frage nach seiner Vollmacht haben sie für sich längst beantwortet: Sie können es doch nicht hinnehmen, dass ihre Autorität so zerbröselt wird!

Dabei merken sie nicht, dass sie das Beglückende der Botschaft, die ihnen anvertraut und aufgetragen war, schon seit langem ihres Wesentlichen entkleidet und das sie stattdessen für die Sicherstellung ihrer Machtansprüche im Volk instrumentalisiert hatten.

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