Blogbeitrag

Warum?!

31. März 2018

Predigt von Rainer Petrak am Karfreitag 2018

nach Jesaja 52,13 – 53,12; Hebräer 4,14-16; 5,7-9 und Johannes 18,1 – 19,42

Warum schreit das Volk: „Ans Kreuz mit ihm!“?! Warum wird dieser Mann, wenn er doch schon zum Tod verurteilt ist, vor seiner Hinrichtung auch noch gefoltert?! Warum?! Was bewegt Menschen, so zu handeln? Die moralische Logik „Die sind halt böse“ greift zu kurz und führt nicht weiter. Warum tun die sowas?

Die Situation, in der das Volk lebt: Unter römischer Besatzungsmacht. Ihre gemeinsame Kultur, ihre gemeinsame Identität als Volk liegt in Fesseln. Sie sind fremdbestimmt. Vieles müssen sie erdulden, um zu überleben. Und da kommt einer und probt den Aufstand! Um Gottes willen, da riskieren sie ja noch mehr Probleme! Wir kennen das: Da haben ein paar Leute auf Kreta und anderswo aufgemuckt und schon wurde das ganze Dorf von der deutschen Wehrmacht ausgelöscht. Da ist es doch wirklich besser, man distanziert sich davon – einfach aus Angst, es kommt alles noch schlimmer.

Und warum wird dieser Mann gefoltert, wo doch eh klar ist, dass er hingerichtet wird? Wenn einer durch Waterboarding oder andere Grausamkeiten gefoltert wird, um etwas aus ihm herauszupressen, kann man ja wenigstens noch den unmenschlichen Zusammenhang erkennen. Aber hier steht von vornherein fest: Er muss einfach weg! Warum also vorher noch foltern? „Er sah nicht mehr aus wie ein Mensch“, hieß es. Verachtet. Seiner Menschenwürde beraubt. Wollten sie das? Warum aber wollen Menschen sowas? Um noch mehr abschreckende Stärke zu demonstrieren und so die eigene Macht zu sichern?

Dieses „Recht des Stärkeren“ durchbricht Jesus. Er nimmt es hin, sich unter die Verbrecher rechnen zu lassen und als ein solcher hingerichtet zu werden. Zu der Hingabe, mit der er sich konsequent den Schwächsten zugewendet hat, steht er mit seiner ganzen Person bis zum Sterben in den Tod hinein. Das ist seine Stärke. Eine Stärke ganz neuer Art. Mit ihr legt er Zeugnis ab für die Wahrheit. Für die Wahrheit, dass alles das, was Menschen zugefügt wird, ihre Würde nicht mindern kann.

Mit Menschen, die darauf ihr Leben gründen und sich auf ihn verlassen, baut er die neue Welt. Mit dem Volk, das ihn mit dieser Wahrheit als „König“ anerkennt und will. Die diese Verbindung mit ihm eingehen, haben eine „Stärke“ der alten Art, das entsprechende „Recht des Stärkeren“ und dessen Sicherungssysteme von Verachtung und Gewalt nicht mehr nötig. Sie sind frei für ein selbstbestimmtes Leben und eine neue Welt, in der der Mensch mit seiner Würde das Maß gibt für die Gestaltung des Zusammenlebens. Angst und Gewalt müssen zurücktreten. „Mein Knecht hat Erfolg“, hieß es bei Jesaja. „Er setzt jetzt viele Völker in Staunen, Könige müssen vor ihm verstummen.“

Da Jesus darauf kristallklar vertraut, kann er alles das auf sich nehmen. Für alle, die sich von ihm leiten lassen wollen und nicht mehr vom Recht des Stärkeren, für sie alle gilt die Gewissheit: Eine neue Zeit kann beginnen. Mit uns, die wir unsere Hoffnung auf ihn richten. Weil wir wissen: Alle Wunden, die Menschen zugefügt werden, sind geheilt durch die Wunden, die er erlitten hat.

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