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Was Jesus mit Glauben meint

6. Oktober 2022

Sonntagsbotschaft zum 9. Oktober 2022, dem 28. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr C).  

Naaman kommt aus Syrien. Eine seltsame Geschichte von einem Ungläubigen. Jahrhunderte vor Jesus. Warum wird sie in der Bibel erzählt?

Jesus greift sie auf. Für ihn zeigt sie das Typische auf, was „Glauben“ heißt.

Die Bibel und der, der durch sie spricht, korrigiert hier anscheinend, was Menschen mit „Glauben“ meinen – schon seit dem alten Israel. Und wie steht das zu dem, was christliche Tradition bis heute über den Glauben lehrt?

Der abschließende Teil der Erzählung ist in den katholischen Gottesdiensten dieses Sonntags zu hören. Es geht um Naaman. Von ihm wird gesagt, dass er entsprechend der Anweisung des Propheten im Jordan-Fluss siebenmal untertaucht:

In jenen Tagen
ging Naaman, der Syrer,
zum Jordan hinab
und tauchte siebenmal unter,
wie ihm der Gottesmann Elischa befohlen hatte.

Die dynamische Brisanz, wie es dazu kommt, bleibt bei diesem Schluss-Fragment des Textes leider beiseite. Ein magisches Verständnis vom Wunder der Heilung eines Menschen wird stattdessen gefördert. Die ganze Dynamik der Begegnung zwischen Gott, Religion und Welt kommt nicht auf den Tisch.

Damit aber die in der Erzählung enthaltene Botschaft aufstrahlen kann, soll deshalb hier erst einmal die ganze Geschichte um den Naaman in den Blick genommen werden.

Naaman ist der Oberbefehlshaber der syrischen Streitkräfte,„der Feldherr des Königs von Aram“, heißt es in der Bibel.

Er galt viel bei seinem Herrn
und war angesehen;
denn durch ihn hatte der HERR
den Aramäern den Sieg verliehen.
Der Mann war tapfer, …

Nun ist er aber von Lepra befallen, der Krankheit ausgeliefert, die als unheilbar und als höchst ansteckend gilt. Er muss also für den Rest seines Lebens in die Isolation außerhalb der Gesellschaft. Sein Ansehen und seine Macht sind Vergangenheit. Ihm droht der soziale Absturz aus höchster Höhe nach ganz unten. Alles Mögliche hat er schon versucht, wieder gesund zu werden. Er hat alle Heiler und Medizinmänner besucht, hat allen möglichen Göttern Opfer gebracht. Alles hat nichts genützt.

In seinem Haus in Damaskus lebt auch ein jüdisches Sklavenmädchen. Aus ihrem Glauben an den Gott Israels sagt sie: „In Israel könnte mein Herr geheilt werden!“

Erstaunlicherweise lässt Naaman sich auf den Tipp ein und reist nach Israel – mit einer Riesenladung von Dankesgaben im Gepäck für den Fall seiner Heilung und mit einem Begleitschreiben seines Königs an den König von Israel.

Der wird zornig:

„Bin ich denn ein Gott, der töten
und zum Leben erwecken kann?
Er schickt einen Mann zu mir,
damit ich ihn von seinem Aussatz heile!
Merkt doch und seht,
dass er nur Streit mit mir sucht!“

Was läuft da schief? Der Tipp des jüdischen Mädchens war anscheinend auch nur eine der vielen abergläubischen Schwärmereien und der große Naaman war auf die jüdische Sklavin reingefallen?

Es fehlt nicht viel und der König Israels sieht in dem Aufzug des syrischen Feldherrn eine Provokation, mit der er sich zum Krieg herausgefordert sieht!

Dass der ungläubige Syrer keine Ahnung davon hat, auf welche Weise und durch welche Personen der Gott Israels redet und handelt, kann man ihm nicht vorwerfen. Es ist ja schon erstaunlich genug, dass er sich als stolzer Syrer dem Gott des eher verfeindeten Israel anvertrauen will und dass er dafür auf eine aus Israel entführte Sklavin hört!

Ebenso erstaunlich aber ist, dass der König von Gottes Volk Israel sich in den Wettbewerb mit einer Reihe von Göttern gestellt sieht, in dem er keine Chance hat, so dass er sich zornig provoziert sieht! Anscheinend geht er nicht davon aus, dass es nur den einen Gott gibt, den Gott Israels.

Zum Glück hört der Prophet Elischa von dem Vorfall, der im Kontrast zum König die Lage von seinem Glauben an den Gott Israels her sieht und deshalb – unaufgeregt und zum Dienst bereit – die Initiative ergreift. Er lässt ausrichten: Naaman soll zu ihm kommen.

Er will ja unbedingt gesund werden. Da nimmt er es halt hin, von Pontius zu Pilatus geschickt zu werden.

Schließlich kommt er samt seinem Gefolge bei Elischa an, aber da kommt die nächste Erfahrung, die dem großen Feldherrn als beleidigende Demütigung anmutet: Elischa schickt einfach einen Boten zu ihm hinaus und lässt ihm sagen: „Geh und wasch dich siebenmal im Jordan! Dann wird dein Leib wieder gesund und du wirst rein.“

Jetzt wird Naaman zornig:
1. Der Prophet hält es nicht für nötig, selber zu ihm herauszukommen.
2. Der Prophet tut überhaupt nichts; er müsste doch irgendetwas Besonderes machen, irgendeinen Ritus!
Und 3. Über den Jordan kann Naaman nur spotten: Der ist ein jämmerliches Rinnsal im Vergleich zu den Flüssen, die bei Damaskus fließen.
Also geht er wieder.

Und jetzt kommt es zur Wende: Er, der immer sagt, was die Anderen tun sollen, hört auf seine Diener – wie er schon auf die jüdische Sklavin gehört hatte. Sie sagen zu ihm:

… Wenn der Prophet
etwas Schweres von dir verlangt hätte,
würdest du es tun;
wie viel mehr jetzt,
da er zu dir nur gesagt hat:
Wasch dich und du wirst rein.

Das kostet Überwindung!

So ging er also zum Jordan hinab …

Hier beginnt der Lesungs-Abschnitt im Gottesdienst.

Lesung aus dem 2. Buch der Könige.
In jenen Tagen
ging Naaman, der Syrer,
zum Jordan hinab
und tauchte siebenmal unter,
wie ihm der Gottesmann Elischa befohlen hatte.
Da wurde sein Leib gesund
wie der Leib eines Kindes
und er war rein von seinem Aussatz.
Nun kehrte er mit seinem ganzen Gefolge
zum Gottesmann zurück,
trat vor ihn hin und sagte:
Jetzt weiß ich,
dass es nirgends auf der Erde einen Gott gibt
außer in Israel.
So nimm jetzt von deinem Knecht
ein Dankgeschenk an!
Elischa antwortete:
So wahr der HERR lebt,
in dessen Dienst ich stehe:
Ich nehme nichts an.
Auch als Naaman ihn dringend bat,
es zu nehmen,
lehnte er ab.
Darauf sagte Naaman:
Wenn es also nicht sein kann,
dann gebe man deinem Knecht so viel Erde,
wie zwei Maultiere tragen können;
denn dein Knecht
wird keinem andern Gott mehr
Brand- und Schlachtopfer darbringen
als dem HERRN allein.
(2. Könige 5, 14-17)

Naaman ist jetzt total umgekrempelt. Was für ein Glück, dass er sich nicht festgehalten hat an seinem sozialen Status, an den in seinem Land üblichen kulturellen Vorstellungen vom Leben und von Gott!

Jesus kannte natürlich diese Geschichte aus der Bibel. Bei seiner „Antrittsrede in Nazaret“ bezieht er sich darauf. Seine Landsleute will er darauf hinweisen, wie hartnäckig sie an religiösen Geboten festhalten, sich aber dagegen sperren, dass Gottes Wille dahinter auf ein glückliches Leben aller Menschen zielt:

… viele Aussätzige gab es in Israel
zur Zeit des Propheten Elischa.
Aber keiner von ihnen wurde geheilt,
nur der Syrer Naaman.
Als die Leute in der Synagoge das hörten,
gerieten sie alle in Wut.
Sie sprangen auf
und trieben Jesus zur Stadt hinaus;
sie brachten ihn an den Abhang des Berges,
auf dem ihre Stadt erbaut war,
und wollten ihn hinabstürzen.
(Lukas 4,27-29)

Da fängt schon sein Weg an, der ihn ans Kreuz bringen wird. Wie ein roter Faden zieht sich das durch sein Leben und Wirken: Er erregt Anstoß, weil er ihre verfestigten Vorstellungen vom Glauben an Gott korrigiert. Er müht sich, deutlich zu machen, wie sehr ein Glauben in Gottes Sinn dem Leben der Menschen und der ganzen Welt guttun kann! Ärgerlich ist sein Verhalten und seine Verkündigung für alle, die meinen, sich durch das Befolgen religiöser Gebote verdient gemacht zu haben.

So kommt es, dass er immer wieder öffentlich seine Freude über Menschen zeigt, die nach der offiziellen Struktur gar nicht zu Gottes Volk gehören, deren Verhalten er aber „Glauben“ nennt und als Vorbilder für die angeblich „Gläubigen“ hinstellt.

Zum Beispiel den römischen Hauptmann in Kafarnaum. Dieser Offizier der Besatzungsmacht bittet ihn in aller Demut, seinen schmerzhaft gelähmten Diener zu heilen. Da kann Jesus nur erstaunt sagen:

… Einen solchen Glauben
habe ich in Israel noch bei niemandem gefunden.
(Matthäus 8,10 und Lukas 7,9)

Oder die kanaanäische Frau, die um seine Hilfe bittet für ihre Tochter, „die von einem Dämon gequält“ wird. Sie ist so hartnäckig mit ihrem Begehren, dass Jesus sein Vorurteil fahren lässt und schließlich staunend sagt:

Frau, dein Glaube ist groß.
Es soll dir geschehen, wie du willst.
(Matthäus 15,28)

Oder: In Chorazin und in Betsaida, Ortschaften im angeblich gläubigen Galiläa, äußert er seine Freude über die Menschen in den heidnischen Städten Tyrus und Sidon:

Er begann,
den Städten, in denen er
die meisten Machttaten getan hatte,
Vorwürfe zu machen,
weil sie nicht Buße getan hatten:
Weh dir, Chorazin! Weh dir, Betsaida!
Denn wenn in Tyrus und Sidon
die Machttaten geschehen wären,
die bei euch geschehen sind –
längst schon wären sie
in Sack und Asche umgekehrt.
Das sage ich euch:
Tyrus und Sidon
wird es am Tag des Gerichts
erträglicher ergehen als euch.
(Matthäus 11,20-22; parallel Lukas 10,12-14)

Und der Abschnitt aus dem Lukas-Evangelium, der für diesen Sonntag vorgesehen ist, ist ein weiteres Beispiel:

Auf dem Weg nach Jerusalem
zog Jesus durch das Grenzgebiet von Samarien und Galiläa.
Als er in ein Dorf hineingehen wollte,
kamen ihm zehn Aussätzige entgegen.
Sie blieben in der Ferne stehen
und riefen: Jesus, Meister, hab Erbarmen mit uns!
Als er sie sah, sagte er zu ihnen:
Geht, zeigt euch den Priestern!
Und während sie zu den Priestern gingen,
wurden sie rein.
Einer von ihnen aber kehrte um,
als er sah, dass er geheilt war;
und er lobte Gott mit lauter Stimme.
Er warf sich vor den Füßen Jesu zu Boden
und dankte ihm.
Dieser Mann war aus Samarien.
Da sagte Jesus:
Es sind doch alle zehn rein geworden.
Wo sind die übrigen neun?
Ist denn keiner umgekehrt, um Gott zu ehren,
außer diesem Fremden?
Und er sagte zu ihm:
Steh auf und geh!
Dein Glaube hat dich gerettet.
(Lukas 17, 11-19)

Wie der Syrer Naaman! Er tut, was er gesagt bekommt. Aber im Unterschied zu den anderen Neun erkennt er in der Begegnung mit Jesus Gottes Handeln, der ihn rettet, kehrt um zu Jesus und bringt ihm seine Freude und Dankbarkeit. „Glaube“ nennt Jesus das.

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